Geschichte

Zigarette vom Trainer

Beim VfL und bei Volkswagen fand Sandro Schmidt eine neue Heimat. Sowohl sportlich als auch beruflich hatte man ihm vorher die Rote Karte gezeigt.

Seltenes Zeugnis eines Schmidt-Spiels im Trikot der Ersten: Beim 3:1-Sieg der Wölfe beim Wolfenbütteler SV, einem seiner späteren Klubs, trifft Schmidt (rechts) in dieser Szene sogar per Kopf zum Endstand ins Netz.

Es war eine Sternstunde, wie sie sich jeder Youngster erträumt: Beim Stand von 0:1 kam Sandro Schmidt im Auswärtsspiel der Wölfe bei Arminia Hannover nach der Pause in die Partie. Mit seinem ersten Ballkontakt drückte er die Kugel nach einer Ecke ins Tor, um dann direkt den 2:1-Siegtreffer für die Horst-Hrubesch-Truppe vorzubereiten. „Das hat sich großartig angefühlt. Es war mein stärkstes Spiel für den VfL“, erinnert der damals 20-Jährige, der höher hinaus jedoch nicht mehr kam. Zehn Einsätze und zwei Treffer in der Amateur-Oberliga Nord 1989/1990 finden sich für den Angreifer in den Archiven. „Diese Saison war mein Höhepunkt, daran konnte ich nie wieder anknüpfen“, sagt Schmidt. Doch lag zu dieser Zeit hinter ihm auch ein ungewöhnlich steiniger Weg.   

Plötzlich entwurzelt

Herangewachsen war Schmidt in der DDR. Chemie und Lok Leipzig hießen die Klubs seiner Kindheit, bis rauf in die A-Jugend durchlief er auf der Sportschule den streng leistungsorientierten Drill und lernte auf dem Platz so gut wie alle Positionen. Als dann aber seine Eltern aus der Diktatur flüchteten, geriet Schmidt in eine Art Sippenhaft, wurde nicht nur in eine andere Mannschaft gesteckt, sondern bekam auch auf anderer Ebene große Probleme. „Nach einem Dreivierteljahr wurde mein Antrag auf Familienzusammenführung genehmigt. Das hätte auch Jahre dauern können, insofern hatte ich Glück. Allerdings fehlte mir dadurch dann mein beruflicher Abschluss.“ Seine Lehre zum Instandhaltungsmechaniker nämlich durfte er nicht mehr beenden. Vier Wochen vor der schriftlichen Prüfung, nachdem er mündlich schon bestanden hatte, jagte der Betrieb ihn vom Hof. „Binnen eines Tages sollte ich verschwinden. Und zwar ohne jeden Nachweis über die Ausbildung.“

Doppelter Neustart

In Braunschweig, wo die Eltern auf ihn warteten, fing der gebürtige Leipziger bei null wieder an. In zwei Saisons beim SC Rot-Weiß Volkmarode in der Bezirksklasse empfahl er sich für den VfL sowie für eine Lehrstelle bei einem Sponsor. Als ausgelernter Kfz-Mechaniker fand Schmidt 1994 den Weg ins Braunschweiger Volkswagen Werk, wo die berufliche Rakete dann zündete. Vom Anlagenführer in der Kunststoffteilefertigung bildete er sich fort, sattelte die Meisterschule drauf und wechselte in die Zentrale. In Wolfsburg begann Schmidts Weg in Halle 54 in der Produktion, setzte sich im Prototypbau fort bis zur Presseabteilung, wo er ab 2002 Presse-, Messe- und VIP-Fahrzeuge für Vorführungen auf internationalen Veranstaltungen vorbereitete. Ziele wie Mexiko, Sardinien und Florida hatte Schmidt so bereits kennengelernt, als er 2004 für sieben Jahre zu Volkswagen Shanghai ging, um die Betreuung von Vorstandsfahrzeugen auf Konzernvergleichsfahrten zu übernehmen. In der Qualitätssicherung für Skoda in Mlada Boleslav arbeitete er für die folgenden drei Jahre auch noch, um zurück in Wolfsburg seine heutige Tätigkeit zu beginnen: In der Entwicklung ist Schmidt zuständig für Projekte wie das Update des Golf 8 oder die Fahrzeuge der ID. Familie. 
 

Hinterm Bus erwischt   

„Stillstand geht bei mir einfach nicht“, sagt der 51-Jährige lächelnd, was genauso auf seine Zeit als Fußballer zutrifft. Wolfenbütteler SV, Braunschweiger SV, Freie Turner Braunschweig und Eintracht Veltenhof hießen ab Sommer 1990 seine weiteren, meist einjährigen Stationen. Gleich zweimal aber kehrte er wieder zu den Wölfen in die zweite Mannschaft zurück, um dort 1999 seine aktive Laufbahn auch zu beenden. „Beim VfL ging es immer nach Leistung. Vielleicht hat es mit meiner Kindheit im DDR-Fußball zu tun, dass ich das irgendwie mochte“, sagt Schmidt. In seiner frühen Hochphase, als er neben Frank Plagge, Olaf Ansorge und den Fiebichs als junger Dachs in die Lehre ging, brach er aber auch schon mal aus. „Manchmal habe ich heimlich mit Ralf Kammel hinterm Mannschaftsbus gequalmt. Bis einmal plötzlich der Trainer ums Eck bog“, berichtet Schmidt und lacht bei der Erinnerung daran, wie locker Hrubesch reagierte: „Er bot mir eine von seinen Zigaretten an und sagte: ‚Ich weiß doch sowieso, dass du rauchst.‘“ 

Veröffentlicht im „Unter Wölfen Magazin“ im Oktober 2020.

Bisher erschienene Porträts in „Mein Werk. Mein Verein. Eine Geschichte“:

 

Hans-Georg Addicks

Wilfried Ahnefeld

Peter Ament

Uwe Beese

Rainer Behrends

Hermann-Dieter Bellut

Peter Bengsch

Günther Blech

Helmut Bräutigam

Karl-Heinz Borutta

Holger Busse

Karl-Heinz Dickkopf

 

Werner Eichhorn

Ingo Eismann

Rudi Engelhardt

Patrick Evers

Hans-Georg Felleckner

Fred Fensch

Heinz Fischer

Marian Foitzik

Ingo Friedrichs

Uwe Funke

Guido Gehrmann

Dirk Geger

 

Michael Geiger

Willi Giesemann

Friedhelm Goertner

Dieter Gresens

Rainer Groß

Dieter Grünsch

Waldemar Gust

Joschi Heil

Heinz Herrmann

Udo Hoffmann

Jörg Hoßbach

Bernd Idziak

 

Waldemar Josef

Klaus Jura

Ralf Kammel

Burkhard Kick

Ralf Kirchoff

Friedhelm Klein

Georg Klitzke

Heinz Knopp

Dietmar Koch

Thorsten Kohn

Gerd Kuhlmeyer

Dieter Kulhanek

 

Bernhard Kulla

Markus Kullig

Wolf-Rüdiger Krause

Gianni Lazzara

Günter Leich

Günther Litzenberg

Hans Lübbers

Michael Maaß

Willi Marx

Edwin Meyer

Jürgen Mosert

Rüdiger Niehs

 

Edgar Nobs

Frank Ockert

Helmuth Oschmann

Siegfried Otte

Günter Otto

Uwe Otto

Heiner Pahl

Heinrich Pawlitzki

Geoffrey Payne

Richard Perzak

Uwe Piep

Frank Plagge

 

Lothar Pospich

Wilfried Reckel

Siggi Reich

Horst Reichelt

Walter Richter

Fredi Rotermund

Schalke-Familie

Jan Schanda

Siegfried Schanda

Klaus-Dieter Schäfer

Ralf Schmidt

Sandro Schmidt

Gerhard Schrader

Gerald Schröder

 

Dittmar Schönbeck

Ditmar Schwarzenbart

Volker Schwentner

Wolfgang Simon

Jürgen Speh

Ralph Speh

Wolfgang Staats

Gerold Steindor

Karsten Stephan

Reiner Tafat

Carlos Ferreira Tavares

Uwe Tietje

Ulrich Thorke

 

Thomas Tuster

Dieter Thun

Lothar Ullrich

Silviu Vuia

Wolfgang Wallek

Joachim Wawrzik

Eckhard Mitschke

Hans-Joachim Weigel

Ralf Wilhelm

Dieter Winter

Werner Wischniowsky

Uwe Wiswe

Manfred Wuttich

Dirk Zehnpfund