Geschichte

Das erste Eigengewächs

Seinen Traum als Fußballprofi lebte er überwiegend woanders. Trotzdem schrieb Jan Schanda im VfL-Trikot Geschichte.

Ob man will oder nicht: Es gibt Leute, die laufen einem ständig über den Weg. Jan Schanda hat einen solchen Spezi in Jürgen Rische gefunden. Kurios genug, dass er den Ex-Bundesligaknipser gleich in zwei Mannschaften zum Mitspieler hat, nämlich bei den Alten Herren des SV Reislingen/Neuhaus sowie im VfL-Traditionsteam. Ein gemeinsames Jahr hatten beide auch schon 2002 bei Eintracht Braunschweig, wo sie gar eine Fahrgemeinschaft bildeten. Und wer war natürlich Schandas Gegenspieler, als er am 16. Oktober 1998 für den VfL Wolfsburg erstmals Bundesliga-Rasen betrat? „Das ist schon sehr kurios, Jürgen scheint mich wirklich zu verfolgen“, sagt Schanda und lacht. Obwohl er insgesamt nur zweimal in der höchsten Klasse zum Zug kam, spricht er voller Zufriedenheit über seine VfL-Zeit. Schließlich gibt es von seiner Sorte in der Klubgeschichte wenige.

Familiär vorbelastet

Genau gesagt waren es bislang drei gebürtige Wolfsburger, die für den VfL in der Bundesliga aufgelaufen sind: Hendrik Hansen, Gerald Schröder und eben Schanda. Dass beide Letztgenannten in derselben Saison oben ankamen, macht die Spielzeit 1998/1999 zusätzlich speziell. „Die Mannschaft war stark besetzt und irgendwann richtig in Fahrt. Schließlich haben wir es als Sechster sogar in den UEFA-Cup geschafft.“ Seit der B-Jugend hatte Schanda für die Grün-Weißen die Stiefel geschnürt, die Euphorie nach dem Aufstieg hausintern voll miterlebt. Schon unter Willi Reimann trainierte er ab und an bei der Ersten mit, die Aussicht auf eine Karriere als Bundesliga-Wolf schien durchaus konkret. Erst recht, als Wolfgang Wolf das Abwehrtalent, dessen Onkel Siegfried einst 223 Amateur-Oberligaspiele für den VfL bestritten hat, fest zu den Profis berief. „Natürlich habe ich mir an dieser Stelle mehr ausgemalt, aber ich konnte alles gut einordnen. Als ich mich im Folgejahr in der Zweiten wiederfand, weil die Konkurrenz noch größer geworden war, hab ich mein Glück halt woanders versucht.“

Noch viel rumgekommen

Fortuna Köln, zweimal Braunschweig, VfB Lübeck, VfL Osnabrück – aus dem einstigen Wolfsburger Talent wurde ein gestandener Profi an der Nahtstelle zwischen zweiter und dritter Liga. Dass er sich nicht bei seinem Heimatklub hatte durchsetzen können, dem trauerte Schanda in all den Jahren nicht nach. Im Gegenteil: „Ich war froh über alles, was ich mitnehmen konnte. Und die zwei Spiele kann mir niemand mehr nehmen.“ Der Betzenberg in Kaiserslautern, Spielstätte des damals amtierenden Meisters, war jener Ort, an dem Schanda doppelt Premiere feierte und zum ersten waschechten Wolfsburger VfL-Bundesligaspieler wurde. Für 21 Minuten half er vor 50.000 Zuschauern mit, ein 1:1 zu sichern. Erinnerungswürdig, obwohl er nur drei Minuten dauerte, war auch Schandas Einsatz Nummer zwei, zu dem es tief im Westen kam. „Der VfL Bochum ist quasi abgestiegen durch unseren Sieg. Die Atmosphäre nach Abpfiff hat bei mir großen Eindruck hinterlassen. Noch eine Stunde danach haben die Bochumer Fans trotzdem am Stadiontor gesungen und ihre Mannschaft gefeiert.“

Azubi, Zivi, Profi und zurück

Dass er nach der Karriere in Wolfsburg Wurzeln schlagen würde, stand für Schanda immer fest. Und hatte viel zu tun mit einem sicheren Hafen, den ihm Volkswagen gab. Mit Beginn seiner Ausbildung zum Speditionskaufmann war der heute 41-Jährige 1994 ins Werk gekommen, arbeitete danach bei Volkswagen Transport und kam nach dem Zivildienst 1999 in der Business Unit, der heutigen Service Factory, an. Für seine Profijahre ließ sich Schanda dann freistellen und war froh, im Jahr 2010 seinen Dienst wieder aufnehmen zu können. Als Sachbearbeiter in der Service Factory kümmert er sich heute im Stammwerk um Schulungen und Weiterbildungen für Berufskraftfahrer, organisiert beispielsweise Erste-Hilfe-Kurse und Fahrsicherheitstrainings. „Ich bin Teil eines tollen Teams und gehe gerne zur Arbeit. Vor allem bin ich Volkswagen dankbar für alles, was es mir ermöglicht hat. Wenn man sein Hobby zum Beruf machen kann, dann ist das etwas sehr Besonderes.“

Veröffentlicht im „Unter Wölfen Magazin“ im Juni 2019.