Geschichte

Fresskorb von den Fans

Als die Wölfe 1974 in die 2. Liga zogen, hieß ihr Stammkeeper Michael Maaß. Die VfL-Anhänger musste der Dithmarscher für sich erst erobern. Widerstände meisterte er auch im Beruf.

Ein historische Foto der Mannschaft des VfL Wolfsburg beim Einlaufen in das Stadion.Siebziger pur: VfL-Keeper Maaß zwischen Chefknipser Wilfried Kemmer (links) und Abwehrschrank Wolfgang „Tony“ Matz beim Einlauf zu seinem ersten von 71 Pflichtspielen für die Wölfe, dem Regionalliga-Heimspiel gegen den VfL Pinneberg am 19. August 1973. Grün-Weiß gewinnt mit 5:2.

Hört man seinen Erzählungen zu, dann muss man sich fast wundern, dass Michael Maaß von seinem ersten VfL-Trainer immer noch schwärmt. Nachdem er schon das komplette Mannschaftstraining mitgemacht hatte, ließ Imre Farkaszinski den Tormann nämlich gern nachsitzen. „Wenn die anderen schon drin waren, hat er mit mir weitergemacht. Manchmal war ich so fertig, dass mir schwarz vor Augen wurde“, erinnert sich Maaß und hat seinen Peiniger mit dem berüchtigten ungarischen Akzent noch im Ohr. „‘Mischnanski‘, so nannte er mich, ‚Körper ist schwach, aber Geist willig.‘“ Trotz aller Qualen konnte der VfL-Keeper der Jahre 1973 bis 1976 dem Drill etwas abgewinnen. „Ich hatte schon in Itzehoe bewundert, wie fit die Wolfsburger Siggi Otte und Ingo Eismann waren. Als Außenverteidiger hatten die unsere Stürmer beinahe zu Abwehrspielern degradiert. Und auch ich musste feststellen: So durchtrainiert wie zu VfL-Zeiten bin ich sonst niemals gewesen.“

In große Fußstapfen getreten

Härten auszuhalten und sich durchzubeißen, das wurde ein Stück weit sein Markenzeichen. In Marne, Kreis Dithmarschen, kam Maaß auf die Welt. Von der E- bis zur A-Jugend spielte er beim örtlichen MTV, ging mit 18 Jahren dann zum HSV, wo er als dritter Keeper mit Größen wie Gerd Krug, Willi Schulz und Uwe Seeler trainierte. Über den Heider SV landete Maaß beim Itzehoer SV, mit dem er in der Regionalliga Nord besagte Schlachten mit den Grün-Weißen schlug. Als der VfL ihn lockte, war der junge Schlussmann schnell überzeugt. „Wolfsburg war ein Spitzenteam, stand immer unter den ersten Drei. Da habe ich nicht lang überlegt. Allerdings war es zu Anfang nicht einfach“, gesteht Maaß, der nun vor der Aufgabe stand, an einem grün-weißen Denkmal zu rütteln, nämlich an Stammkeeper Dieter Grünsch. „Der war bei den Fans außerordentlich beliebt. Als ich ihn verdrängte, hat das nicht jedem gefallen“, erinnert sich Maaß. Mit konstant starken Leistungen nahm er die Burg aber irgendwann ein. „Einmal kam nach einem guten Spiel eine Abordnung von fünf Fans auf mich zu, um mir einen großen Präsentkorb zu überreichen. Das hat mich riesig gefreut.“

Handwerklich breit aufgestellt

Auch beruflich lief keineswegs alles nach Plan. Als ausgelernter Konditor begann Maaß 1973 bei Volkswagen in der Gehaltsabrechnung. Während er parallel für vier Monate die Konditoren-Meisterschule in Wolfenbüttel besuchte, kümmerte sich der Schleswig-Holsteiner im Alltag um Personalkonten. Auf Karteikarten vermerkte er etwa Urlaube, Krankheiten oder Seminare. Wie gut sich sein Schreibtischjob mit dem Fußball vertrug, wusste Maaß sehr zu schätzen. „Einige Mitspieler standen am Band, die hatten es deutlich schwieriger. Ich mochte die Arbeit und hätte Volkswagen nie verlassen, wenn ich beim VfL geblieben wäre.“ So aber übernahm Maaß tatsächlich wie angedacht in seiner Heimat die väterliche Konditorei, musste diese wegen gesundheitlicher Probleme Ende der 80er allerdings schließen. „Mit 42 Jahren habe ich mich dann noch mal hingesetzt und den Kopf angestrengt.“ Maaß schulte um zum Sozialversicherungsfachmann und arbeitete noch 25 Jahre bei der AOK in Brunsbüttel, wo er als Filialleiter in den Ruhestand ging.

‚Farka‘ auf den Leim gegangen

Den VfL und Volkswagen nach 71 Pflichtspielen in drei Jahren – davon 27 in der zweiten Liga – zu verlassen, diesen Entschluss traf Maaß aus privaten Erwägungen: Seine Frau wollte gern in die Heimat zurück. Sportlich empfand er die Zeit am Elsterweg allemal als lohnend. „Wir haben vor tollen Kulissen in Bielefeld gespielt, bei Borussia Dortmund. Auch an unser Trainingslager in Mexiko denke ich gerne zurück. Es waren unheimlich schöne drei Jahre“, schwärmt der 70-Jährige. Seine intensivsten Momente bei den Grün-Weißen waren aber wohl immer noch jene zu zweit – nämlich allein mit Farkaszinski in der Sandgrube im VfL-Stadion. „Einmal hat es wie aus Eimern geschüttet. Ich war durchnässt und verdreckt und einfach nur glücklich, als er sagte: ‚Mischnanski, geh rein.‘ Als ich schon abdrehte, schob er aber noch hinterher: ‚Hol neue Trainingsanzug!‘“

Veröffentlicht im „Unter Wölfen Magazin“ im Mai 2019.

Bisher erschienene Porträts in „Mein Werk. Mein Verein. Eine Geschichte“:

 

Hans-Georg Addicks

Wilfried Ahnefeld

Peter Ament

Uwe Beese

Rainer Behrends

Hermann-Dieter Bellut

Günther Blech

Helmut Bräutigam

Karl-Heinz Borutta

Holger Busse

Karl-Heinz Dickkopf

Werner Eichhorn

 

Ingo Eismann

Rudi Engelhardt

Hans-Georg Felleckner

Fred Fensch

Heinz Fischer

Marian Foitzik

Ingo Friedrichs

Uwe Funke

Guido Gehrmann

Dirk Geger

Michael Geiger

Willi Giesemann

Friedhelm Goertner

 

Dieter Gresens

Rainer Groß

Dieter Grünsch

Waldemar Gust

Joschi Heil

Heinz Herrmann

Udo Hoffmann

Jörg Hoßbach

Bernd Idziak

Waldemar Josef

Klaus Jura

 

Ralf Kammel

Burkhard Kick

Ralf Kirchoff

Friedhelm Klein

Georg Klitzke

Heinz Knopp

Dietmar Koch

Thorsten Kohn

Gerd Kuhlmeyer

Dieter Kulhanek

Bernhard Kulla

 

Markus Kullig

Wolf-Rüdiger Krause

Gianni Lazzara

Günter Leich

Günther Litzenberg

Hans Lübbers

Michael Maaß

Willi Marx

Edwin Meyer

Eckhard Mitschke

Jürgen Mosert

Rüdiger Niehs

Edgar Nobs

Frank Ockert

Helmuth Oschmann

 

Siegfried Otte

Günter Otto

Uwe Otto

Heiner Pahl

Heinrich Pawlitzki

Geoffrey Payne

Richard Perzak

Uwe Piep

Lothar Pospich

Wilfried Reckel

 

Horst Reichelt

Fredi Rotermund

Schalke-Familie

Jan Schanda

Siegfried Schanda

Klaus-Dieter Schäfer

Ralf Schmidt

Gerhard Schrader

Gerald Schröder

Dittmar Schönbeck

Ditmar Schwarzenbart

Volker Schwentner

 

Wolfgang Simon

Jürgen Speh

Ralph Speh

Wolfgang Staats

Gerold Steindor

Karsten Stephan

Carlos Ferreira Tavares

Uwe Tietje

Thomas Tuster

Dieter Thun

Lothar Ullrich

Silviu Vuia

Wolfgang Wallek

 

Joachim Wawrzik

Hans-Joachim Weigel

Ralf Wilhelm

Dieter Winter

Werner Wischniowsky

Uwe Wiswe

Manfred Wuttich

Dirk Zehnpfund