Geschichte

100 Minuten

Gerald Schröders Bundesligakarriere war ungewöhnlich und kurz. Doch auch sehr intensiv.

Gerald Schröder im Zweikampf mit Schalkes Martin Max in einem Spiel Anfang der 2000er-Jahre.

Die Szene, die ihn berühmt machte, hat er noch ganz genau vor sich: „Frank Greiner flankte von halbrechts. Ich stand am Sechzehner und sah den Ball kommen“, so Gerald Schröder. „Dann habe ich ausgeholt und ihn so perfekt getroffen, dass er genau im Winkel eingeschlagen ist.“ An diesem 1. Mai 1999 bekam Wolfsburg einen Kanzler. Genau gesagt „Krawumm-Kanzler“ titelten die Medien, hergeleitet von der Namensähnlichkeit zum damaligen Chef der Bundesregierung. Schröders Prachttor war aber nicht nur schön anzusehen, es leitete auch eine Wende ein, denn nach 0:2-Rückstand gegen Stuttgart siegten die Grün-Weißen noch mit 3:2. „Es lief alles ab wie in einem Film: Ich stand im Kader, das Wetter war prächtig. Dann kam ich rein und durfte in meinem voll besetzten Heimatstadion spielen“, so Schröder. Als er dann noch zum Helden wurde, war das für den damals 23-Jährigen fast schon zu viel. „Die ganzen Kameras, die Umarmungen, die Dopingkontrolle – das war ich überhaupt nicht gewohnt. Deshalb bin ich so schnell wie möglich nach Hause gefahren.“

Tor für die Geschichtsbücher

Das Stuttgart-Spiel als Glanzstück seiner Karriere zu küren, fällt in Schröders Fall leicht. Denn seine Bundesligalaufbahn ist recht überschaubar geblieben. Genau vier Mal kam der Mittelfeldspieler, der ab der B-Jugend für den VfL-spielte, zwischen April und Dezember 1999 bei den Profis zum Einsatz, jedesmal als Einwechselspieler. Auf den offiziellen Mannschaftsfotos taucht der heute 37-Jährige nicht auf. „Das liegt daran, dass ich jeweils zum Saisonstart zum Amateur-Kader zählte, nach einigen Spielen aber hochgezogen wurde.“ Wolfgang Wolf war der Chefcoach, der Schröder auf diese Weise sowohl zum Bundesligaspieler machte, ihm die Hoffnung auf Mehr zugleich aber auch nicht erfüllte. „Der Profi-Vertrag, den ich mir erhoffte, ist leider nie zustande gekommen. Das war damals hart für mich. Trotzdem war es insgesamt eine großartige Zeit.“ Schalke, Nürnberg, Frankfurt und eben Stuttgart – mit seinen vier Einwechslungen kam Schröder auf die kuriose Gesamtspielzeit im Oberhaus von genau 100 Minuten. Sehr besonders machen seine Laufbahn aber noch zwei andere Dinge: Erstens ist der Linksfuß bis heute der einzige gebürtige Wolfsburger, der jemals in der Bundesliga für den VfL ein Tor geschossen hat. Zweitens ist er – sehr ungewöhnlich für seine Generation – neben dem Fußball einem Beruf nachgegangen.

In der Heimat Wurzeln geschlagen

„Ich bin immer Realist gewesen und wollte etwas Festes in der Hand halten, deshalb habe ich ein Handwerk erlernt“, betont Schröder. Nach seiner Lehre in Wolfsburg fing er deswegen in einer Schlosserei in Fallersleben an – parallel zu seiner Bundesligazeit. Erst ab 2000 ließ er den Beruf für vier Jahre ruhen, weil er im Fußball noch einmal Gas geben wollte. Zurück in Wolfsburg, machte Schröder in der Firma Lübnitz dann eine Zwischenstation, ehe er 2007 in der Autostadt begann. Dort ist der Ex-VfL-er heute ein Produktexperte für die Fahrzeugübergabe, weist Kunden direkt vor Ort in die technische Ausstattung ein, erklärt ihnen detailgenau ihr neues Auto. „Diese Arbeit macht mir sehr großen Spaß, so wie ich überhaupt sehr froh bin, wieder in Wolfsburg zu leben“, so der bald zweifache Familienvater, der schon in der Jugend seine grün-weiße Laufbahn für Stationen in Bremen und Flensburg unterbrach und nach seiner insgesamt dreijährigen VfL-Amateur-Zeit noch für drei sehr erfolgreiche Spielzeiten in der Regionalliga Nord das Trikot des SC Verl trug. „Dort hatte ich übrigens einen der besten Trainer meiner Karriere“, sagt Schröder. „Sein Name ist Dieter Hecking.“    
 
Veröffentlicht in „Unter Wölfen“ am 11. Mai 2013

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