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Per Postkarte selbst beworben

Während der Arbeit hielt sich Lothar Ullrich für den VfL fit und lief ums Werk. Mit Erfolg: 1954 zog er mit Grün-Weiß in die höchste Spielklasse ein.

„Sehr geehrter Herr Lachner, wenn Sie in Wolfsburg einen Linksaußen gebrauchen können, dann sagen Sie Bescheid.“ Was heute für Heiterkeit sorgen würde, war in den 50er Jahren nicht einmal ungewöhnlich – und führte in diesem Fall zum Erfolg: Per Postkarte an den Trainer bewarb sich Lothar Ullrich seinerzeit für einen Platz im Team der Grün-Weißen. „Eine Woche später kam eine VfL-Delegation zu mir nach Celle“, erinnert er sich noch genau. „Es folgten dann tolle drei Jahre in einer großartigen Mannschaft, gekrönt natürlich durch den Aufstieg in die Oberliga Nord.“

Auflaufprämie: 20 Mark

Ullrichs Erzählungen klingen wie Geschichten aus einer anderen Welt. Schon als kleiner Junge lief er in seiner Geburtsstadt Stettin dem Ball hinterher. Als es seine Familie nach Celle verschlug, zeigte sich sein enormes Talent. Beim örtlichen TuS sprang von mit gerade 16 Jahren von der A-Jugend ins erste Team, das zu dieser Zeit in der Amateuroberliga Niedersachsen-Ost, der zweithöchsten Spielklasse, mit starkem Offensivfußball für Aufsehen sorgte. „Pro Spiel habe ich 20 Mark bekommen, was damals eine Menge Geld war. Wir waren richtig stark. Trotzdem wollte ich weg aus Celle, denn ich kam auch beruflich nicht weiter. Und so habe ich dann die Karte geschrieben.“ Ludwig Lachner, der prominente VfL-Trainer, war Ullrich als Spielertrainer beim MTV Braunschweig noch auf dem Rasen begegnet. Vor allem aber kannte er den Absender aus einem Gastspiel der Celler am eigentlich uneinnehmbaren Elsterweg. „Da sind wir hingefahren und haben heimlich auf einen Punkt gehofft. Am Ende stand es 0:3, und mir sind alle drei Tore gelungen“, sagt Ullrich.

Lauftraining während der Arbeit

Die Wölfe, seit Jahren auf dem Sprung in die Erstklassigkeit, angelten sich von einem direkten Konkurrenten somit ein Großtalent. Für den 19-Jährigen Außenstürmer öffnete sich zugleich die Tür zum Konzern, in der Schlosserei fing er bei Volkswagen an. „Das war mir wichtig und gefiel mir wesentlich besser als meine alte Tätigkeit.“ In Celle hatte er in einer Knopffabrik gearbeitet. Im Werk wechselte der gelernte Tischler zügig in die Abteilung Versuchsbau, kümmerte sich dort etwa um den Innenausbau der Bullis. Und legte immer wieder besondere Extraschichten ein. „Wir VfL-Spieler durften zwar zeitig Feierabend machen, um zum Training zu kommen. Trotzdem habe ich auch tagsüber häufig trainiert. In den Pausen bin ich oft einmal ums ganze Werksgelände gelaufen."

Nicht auf den Mund gefallen

Der Aufwand sollte sich lohnen. Nach drei erfolglosen Aufstiegsrunden schaffte der VfL im WM-Jahr 1954 endlich den Durchbruch. Längst eine Säule im Team war der pfeilschnelle und trickreiche Ullrich. „Wir waren ein toller Haufen und hatten viel Spaß“, schwärmt der 81-Jährige, der heute in einer Senioren-Anlage in Hannover lebt. Den Respekt im VfL-Team hat er sich seinerzeit allerdings erst erarbeiten müssen. „Als Jüngster im Team war ich natürlich der Kofferträger“, lacht Lothar Ullrich. „‘Hol‘ mir mal ne Brause, Kleiner!‘, haben sie anfangs gerne gesagt. Nach meinen ersten zehn Toren habe ich dann erwidert: ‚So, meine Herren. Jetzt holt euch mal eure Brause selbst.‘“   

Veröffentlicht in „Unter Wölfen“ am 30. November 2014.
Anmerkung der Redaktion: Lothar Ullrich ist am 24. Februar 2016 im Alter von 83 Jahren verstorben.