Geschichte

Zwei Dutzend Gelbe

Rund 35 Jahre arbeitete Helmuth Oschmann in der Werksdruckerei. Als VfL-Spieler war er kein Kind von Traurigkeit.

Historisches aus der Geschichtsdatenbank des VfL.

Erfrischend offen bringt er es gleich auf den Punkt: „Ich war ein Schwein“, sagt Helmuth Oschmann schmunzelnd auf die Frage nach seiner Rolle im Team. „Einmal habe ich in einer Saison um die 25 Gelbe Karten gesehen.“ Die kompromisslose Zweikampfführung des Verteidigers war zu seiner Zeit als VfL-Spieler, als Gelb-Sperren noch nicht existierten, durchaus gefragt. Drei Jahre sorgte Oschmann in der Amateur-Oberliga vor dem grün-weißen Strafraum für Ordnung. Hart war er dabei nicht nur im Geben. „Meine Platzwunde im Spiel gegen Gifhorn hat mir unser Mannschaftsarzt Willi Wolf gleich in der Kabine genäht. Und zwar ohne Betäubung. Auch daran sieht man: Es waren völlig andere Zeiten.“

Als Oschmann 1977 kam, endete für den VfL gerade eine Phase des Pendelns. Zweimal war Grün-Weiß soeben in die zweite Liga gezogen und beide Male direkt wieder abgestiegen. Mit einer erneuten Rückkehr – der wieder mal neu formierten Truppe als Ziel vorgegeben – sollte es auf Jahre hinaus nichts mehr werden. „Wir waren eigentlich gut besetzt, haben die letzten Spiele aber immer vergeigt. Als Abwehrspieler sage ich natürlich: Uns haben in erster Linie die entscheidenden Tore gefehlt“, sagt Oschmann, der von Eintracht Braunschweigs Amateuren zu den Wölfen gekommen war und nun in drei Jahren vier verschiedene Trainer erlebte: Radoslav Momirski, Imre Farkaszinski, Henk van Meteren und Wilfried Kemmer. Dass er die Wölfe 1980 wieder verließ und lieber unterklassig weiterspielte, lag aber weniger an personellen Turbulenzen, sondern hatte ganz klassische Gründe. „Das ging ja vielen so zu dieser Zeit: Man wollte beruflich weiterkommen, sich eine Existenz aufbauen. Das hat sich mit dem Leistungssport irgendwann nicht mehr vertragen.“

Was auf dem Rasen nicht möglich war, das holte Oschmann bei Volkswagen nach: 1981 wurde er Meister. Drei Jahre zuvor hatte der gelernte Drucker in der Werksdruckerei angefangen und wollte eigentlich nur kurze Zeit bleiben. „Die Abteilung glich damals einem Museum und wirkte weit in der Entwicklung zurück. Im Laufe der Jahre ist daraus aber ein Schmuckkästchen geworden.“ Nebenbei bildete sich der gebürtige Vechelder weiter und übernahm nach Beendigung der Meisterschule die Koordination der Unterabteilungen Setzerei, Druckerei und Buchbinderei. Ab 2001 verantwortete er seine Abteilung, in der allerlei Printprodukte wie Broschüren, Visitenkarten oder auch Urkunden entstehen, sogar als Leiter. Als Oschmann 2013 in den Vorruhestand ging, tat er das nicht gern. „Die Arbeit hat mir so viel Spaß gemacht: Ich hätte lieber noch weitergemacht.“

Die berufliche Rechnung ging also voll auf. Aber auch mit seinen Jahren am Elsterweg ist der 62-Jährige einverstanden. „Ich habe relativ spät angefangen, auf hohem Niveau zu spielen. Als ich nach Braunschweig ging, war ich schon jenseits der 20. Wenn man das bedenkt, war das wirklich okay.“ Als VfL-Vorstopper war „Oschi“ auch immer mal für ein Kopfballtor gut. Wesentlich klarer vor Augen hat er die heißen Derbys mit dem MTV Gifhorn sowie ein Erstrundenspiel 1979 im DFB-Pokal gegen den VfB Stuttgart. Wer sein Gegenspieler bei der 0:3-Niederlage war, das weiß Oschmann zwar nicht mehr. Dafür kann er sich gut erinnern, wie Stuttgarts Hansi Müller, der an diesem Tag auf der Bank saß, den Wolfsburger Spielerfrauen die Köpfe verdrehte.

Veröffentlicht in „Unter Wölfen“ am 2. Oktober 2016.