Was heute der FC Bayern ist, das war seinerzeit der HSV. „Am Rothenbaum habe ich eines meiner besten Spiele gemacht. Wir haben zwar 2:4 verloren, selbst das aber war ein gutes Ergebnis“, sagt Lothar Pospich, der im Duell mit dem Dauermeister der Oberliga Nord an diesem dritten Spieltag der Saison 1955/1956 gleich mehrfach an die Querstange traf. Fünf Jahre lang, von 1954 bis 1959, mischte der VfL Wolfsburg bekanntlich in der damals höchsten deutschen Spielklasse mit. Pospich war ab der Premierensaison mit dabei, was ihn zu einem der ersten Erstligastürmer der VfL-Historie macht. Nach 58 Einsätzen in zweieinhalb Spielzeiten verließ er nicht nur die Wölfe, sondern gleich das ganze Land, wanderte erst nach Kanada aus und von dort in die Vereinigten Staaten. „Das war ein sehr großer Schritt“, blickt er zurück, „aber zugleich die beste Entscheidung meines Lebens.“
Historischer VfL-Torschütze
Dabei war Pospich in Niedersachsen durchaus glücklich geworden. Als Flüchtling aus Ostpreußen war er in Dresden zuvor knapp dem großen Luftangriff entkommen. Nach einer Zwischenstation im Thüringer Wald schlug die Familie Wurzeln in Peine, wo Lothar ab Ende der 40er auf dem Fußballplatz auffällig wurde. Vom örtlichen VfB holte ihn Günther Brockmeyer 1954 aus der Amateur-Oberliga nach Wolfsburg. Nach dem grün-weißen Aufstieg galt Pospich als namhafter Neuzugang und traf auch gleich in seinem ersten Heimspiel ins Netz: Den 3:1-Erfolg vor 7.000 Zuschauern gegen Eimsbüttel TV brachte er mit dem 1:0 auf den Weg und markierte damit das erste Erstliga-Heimtor in der Geschichte des VfL Wolfsburg. Erfolgreich wehrte er sich mit den Wölfen gegen den Abstieg. Dass er trotzdem seinen Vertrag nicht erfüllte, hatte keine sportlichen Gründe. „Ich kam beruflich nicht weiter. Da hat mein alter VfL-Mitspieler Jonny Güldner für mich Kontakte nach Kanada aufgebaut. Er war vorher den genau gleichen Weg gegangen.“
Viel gesehen von der Welt
Das Werk hatte Pospich als eine Geisterstadt kennengelernt, da er 1954 mitten in den Werksferien anfing. „Ich war fast allein in der Halle und habe anfangs nur aufgepasst, dass die Maschinen funktionieren“, lacht der 83-Jährige. Bis zu seinem Abschied arbeitete er in der Elektro-Abteilung in Halle 4, wo er alles reparierte, was so kaputtging. In Übersee blieb er der Volkswagen Familie erhalten. 1957 ließ sich der gelernte Elektriker ins Werk nach Toronto versetzen, lernte dort um und beschäftigte sich für zweieinhalb Jahre mit Auswechselmotoren für Käfer. Wieder wechselte er 1960 das Land, folgte diesmal seiner Schwester nach Los Angeles, wo er sich zum Volkswagen Service Manager hocharbeitete. Anfang der 70er schließlich kündigte Pospich beim Autobauer, machte sich selbstständig und führte noch bis 1989 eine eigene Werkstatt. Heute, genau sechs Dekaden nach seiner Auswanderung, lebt er nach Zwischenstationen in New York und Philadelphia rund zehn Kilometer entfernt vom Strand von Malibu und hält noch immer in seine alte Heimat Kontakt.