Geschichte

Revolution im Zug

Nicht nur auf dem Rasen war Dieter Thun bei den Wölfen ein Denker und Lenker. Seine empfindlichste Niederlage bezog er im Abteil auf der Fahrt Richtung Pirmasens.

Mit dem Zweitligaeinzug 1992 brach in Wolfsburg ein neues Zeitalter an. Als Segen galt der Profifußball am Elsterweg jedoch nicht immer. Zu Zeiten Dieter Thuns jedenfalls lagen die Prioritäten bei vielen Spielern noch anders. „Ich hatte genau deshalb Werder Bremen verlassen: Weil ich mein Berufsleben keinesfalls aufgeben wollte. Im Falle einer schweren Verletzung wäre ich sonst aufgeschmissen gewesen.“ Zwei Gründe gaben für den Wechsel zu den Wölfen 1966, ein Jahr nach dem Gewinn der Meisterschaft mit den Hanseaten, somit den Ausschlag. Erstens konnte Thun dort wieder unter „Pipin“ Lachner trainieren, mit dem er schon beim VfV Hildesheim prima ausgekommen war. „Zweitens, was noch wichtiger war, bekam ich die Chance auf eine Stelle im Werk.“

Volkswagen statt Porzellan

In der Finanzabteilung legte der gelernte Einzelhandelskaufmann bei Volkswagen los. Den ursprünglichen Plan, ins Porzellangewerbe seiner Schwester einzusteigen, verwarf er damit endgültig. Für sechs Jahre beschäftigte sich Thun stattdessen mit Inhalten wie Versicherungen und Kontierung, um sich nach Ende seiner aktiven Laufbahn dann im Hause weiter nach oben zu arbeiten. In der Organisation im Bereich Vorsitzender des Vorstands, kurz: VdV, kümmerte er sich um die Personal- und Kostenkoordination, kommunizierte im Alltag Vorstandsentscheidungen mit Führungskräften, Betriebsräten und anderen wichtigen Stellen im Haus. „Da ging es oft auch um Unangenehmes wie Personalabbau oder Kostenreduzierung. Trotzdem war das eine sehr erfüllende Aufgabe, bei der ich das Werk wesentlich intensiver kennengelernt habe als in meiner vorherigen Funktion“, so der 78-Jährige, der 1995 als Unterabteilungsleiter in den Ruhestand ging.

Kurzzeitig Manager der Wölfe

Im Team des VfL Wolfsburg war Thun über Jahre eine prägende Figur. Lachner, sein Schachpartner auf Auswärtsreisen zu Hildesheimer Zeiten, blieb zwar nur noch eine Saison. Unter Imre Farkaszinski gehörte der gebürtige Laatzener aber genauso zum Stammpersonal. Insgesamt fünf Jahre blieb er als Zehner im Wölfe-Mittelfeld der Dreh- und Angehpunkt des Spiels. Als Kapitän führte er die Grün-Weißen 1970 sogar in die Aufstiegsrunde zur Bundesliga, sah sich kurzzeitig also wieder vor der Frage, ob er – wie einst für ein halbes Jahr an der Weser – den Fußball zu seinem Beruf machen möchte. „Wenn ich ehrlich bin, habe ich den Aufstieg mit dem VfL aber für unwahrscheinlich gehalten. Wir hatten zwar eine starke Regionalliga-Mannschaft, aber für ganz oben fehlte uns die Reife“, berichtet Thun, der auch nach Karriereende die Geschicke des Vereins weiter lenkte. An der Seite von Chefcoach Wölfi Krause wirkte er Ende der 80er in einer Art Managerfunktion, lotste in dieser Zeit Spieler wie Frank Plagge, Jürgen Mosert und Michael Geiger zum VfL.

Blamage beim Skat

Die Jahre als Spitzenteam der Regionalliga waren gleichwohl die intensivsten, die Thun mit den Wölfen erlebte. Allein schon wegen eines Eklats, der kurzzeitig drohte, weil sich Verein und Mannschaft einen heftigen Prämienstreit lieferten. „An den Zuschauereinnahmen der Aufstiegsspiele wollten wir beteiligt werden. Bis spät in die Nacht vor dem ersten Spiel haben wir debattiert. Hätten wir uns da nicht geeinigt, wären wir nicht angetreten“, so Thun. Hoch her ging es einmal auch auf der Auswärtsfahrt nach Pirmasens, wobei diesmal der Spielmacher das Nachsehen hatte. „Beim Skat mit Werner Wischniowsky und Wölfi Krause bekam ich einen ‚Null Revolution‘ auf die Hand. Eigentlich ein wasserdichtes Spiel“. Die dicken Punkte hatte Thun im Kopf schon gebucht, vergaß aber die selten greifende Regel, dass der Null-Spieler in diesem Fall stets selbst die erste Karte spielt. „Es gab Kontra, Re, Bock und so weiter. Als ich merkte, was los ist, lagen sich die beiden in den Armen und sind durchs Abteil getanzt. Nie wieder habe ich in einem Spiel so viele Miese gemacht.“

Veröffentlicht in „Unter Wölfen“ im Februar 2018.


Bisher erschienene Porträts in „Mein Werk. Mein Verein. Eine Geschichte“:

 

Hans-Georg Addicks

Wilfried Ahnefeld

Peter Ament

Uwe Beese

Rainer Behrends

Hermann-Dieter Bellut

Günther Blech

Helmut Bräutigam

Karl-Heinz Borutta

Holger Busse

Karl-Heinz Dickkopf

Werner Eichhorn

 

Ingo Eismann

Rudi Engelhardt

Hans-Georg Felleckner

Fred Fensch

Heinz Fischer

Marian Foitzik

Ingo Friedrichs

Uwe Funke

Guido Gehrmann

Dirk Geger

Michael Geiger

Willi Giesemann

Friedhelm Goertner

 

Dieter Gresens

Rainer Groß

Dieter Grünsch

Waldemar Gust

Joschi Heil

Heinz Herrmann

Udo Hoffmann

Jörg Hoßbach

Bernd Idziak

Waldemar Josef

Klaus Jura

 

Ralf Kammel

Burkhard Kick

Ralf Kirchoff

Friedhelm Klein

Georg Klitzke

Heinz Knopp

Dietmar Koch

Thorsten Kohn

Gerd Kuhlmeyer

Dieter Kulhanek

Bernhard Kulla

 

Markus Kullig

Wolf-Rüdiger Krause

Gianni Lazzara

Günter Leich

Günther Litzenberg

Hans Lübbers

Michael Maaß

Willi Marx

Edwin Meyer

Eckhard Mitschke

Jürgen Mosert

Rüdiger Niehs

Edgar Nobs

Frank Ockert

Helmuth Oschmann

 

Siegfried Otte

Günter Otto

Uwe Otto

Heiner Pahl

Heinrich Pawlitzki

Geoffrey Payne

Richard Perzak

Uwe Piep

Lothar Pospich

Wilfried Reckel

 

Horst Reichelt

Fredi Rotermund

Schalke-Familie

Jan Schanda

Siegfried Schanda

Klaus-Dieter Schäfer

Ralf Schmidt

Gerhard Schrader

Gerald Schröder

Dittmar Schönbeck

Ditmar Schwarzenbart

Volker Schwentner

 

Wolfgang Simon

Jürgen Speh

Ralph Speh

Wolfgang Staats

Gerold Steindor

Karsten Stephan

Carlos Ferreira Tavares

Thomas Tuster

Dieter Thun

Lothar Ullrich

Silviu Vuia

Wolfgang Wallek

 

Joachim Wawrzik

Hans-Joachim Weigel

Ralf Wilhelm

Dieter Winter

Werner Wischniowsky

Uwe Wiswe

Manfred Wuttich

Dirk Zehnpfund