Frauen

„So ein verrücktes Spiel hatten wir noch nie“

Dominique Janssen über ihr Jahr, Elfmeter-Challenges und ihre Rolle als Kapitänin der Wölfinnen.

Champions-League-Finale, Weltmeisterschaft, Nations League: Hinter VfL-Kapitänin Dominique Janssen liegt ein „verrücktes Jahr“. Im Interview berichtet die 28-jährige Wölfin von den besonders emotionalen Momenten, ihrer Entwicklung als Kapitänin und Elfmeterschützin sowie ihrer zwischenzeitlichen Rolle als Party-Organisatorin.

Dominique Janssen, ihr habt als Team in diesem Jahr Höhen und Tiefen erlebt. Gibt es einen Moment, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Dominique Janssen: Der Weg in Richtung Champions-League-Finale war sehr besonders. Dass wir uns im Emirates Stadium nach 120 Minuten gegen Arsenal durchgesetzt haben und im Finale standen, das war krass. Die ganzen Emotionen, die dabei entstanden sind. Man ist einfach so happy, dass man es geschafft hat. Es war ein verrücktes Jahr, in dem wir viele Spiele hatten und viel unterwegs waren. Das ist etwas, was man momentan ein bisschen vermisst. 

Du hast das Champions-League-Finale angesprochen. Was würdest du sagen, hat euch als Mannschaft bis in dieses Finale gebracht?

Dominique: Das ist gar nicht so einfach zu sagen. Wir hatten natürlich viel individuelle Qualität. Eine Rolle hat außerdem bestimmt der Fokus gespielt, den wir als Mannschaft hatten. Auch die Spielerinnen, die von der Bank reingekommen sind, haben einen guten Einfluss gehabt. Pauli (Pauline Bremer, Anmerkung der Redaktion) hat ja damals zum Beispiel das entscheidende Tor in London gemacht. Daran sieht man mal wieder, wie wichtig alle Spielerinnen sind und nicht nur die Startelf. 

Du selbst hast unter anderem im Viertelfinal-Hinspiel gegen Paris Saint-Germain eine entscheidende Rolle gespielt, indem du den Elfmeter zum 1:0-Sieg verwandelt hast. Wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass du die Strafstöße übernimmst?

Dominique: Als wir vor drei oder vier Jahren auswärts in Meppen gespielt haben, haben wir einen Elfmeter bekommen und es war nicht ganz klar, wer ihn übernimmt. Ich bin dann zum Ball gegangen und habe ihn reingemacht. Und ab dem Moment habe ich jeden Elfmeter übernommen. Ich habe da immer Vertrauen in mich selbst gehabt und meistens getroffen. Der Elfmeter gegen Paris FC im Oktober war der insgesamt zweite, den ich nicht reingeschossen habe. Aber schon beim nächsten Spiel gegen Hoffenheim kam die nächste Chance.

Und du hast dich wieder an den Punkt gestellt und dadurch mit dafür gesorgt, dass ihr unentschieden gespielt habt…

Dominique: Ja. Auch weil das Team quasi den roten Teppich für mich ausgerollt und mir gezeigt hat, dass es mir weiter vertraut, dass ich das Ding reinschieße. Das hat mir viel bedeutet. 

Wie gehst du in solchen Situationen mit dem Druck um?

Dominique: Natürlich fühle ich ein bisschen Spannung. Gleichzeitig habe ich eine bestimmte Ruhe. Ich weiß, dass ich die Qualität habe zu gucken, wo der Torwart hingeht oder dass ich, wenn ich das nicht sehe, den Ball trotzdem noch mit einem harten Schuss reinschießen kann. Als ich mit meinem Freund zusammengekommen bin, haben wir Challenges gemacht, weil er ja Torwarttrainer ist (gemeint ist Patrick Platins, Anmerkung der Redaktion). Irgendwann habe ich gemerkt, wie ich die Elfer machen muss, damit er jedes Mal in die falsche Ecke geht. Das war richtig cool und dadurch entsteht auch ein bestimmtes Vertrauen.

Es ist das Ziel des gesamten Teams, hoffentlich zwei Titel zu gewinnen.
Dominique Janssen

Ein wichtiger Moment der Saison war sicher das Champions-League-Finale gegen den FC Barcelona, das ihr ja leider knapp verloren habt (2:3). Wie hast du das erlebt? 

Dominique: Ein großer Teil meiner Familie war da, weil für sie der Weg nach Eindhoven nicht weit war. Das war etwas Besonderes und natürlich auch, dass das Spiel ausverkauft war und so viele Holländer da waren. Das Stadion in Eindhoven ist außerdem richtig cool, die Fans sind nah am Platz. Die erste Halbzeit habe ich total genossen, weil ich gemerkt habe: Wir können hier wirklich etwas schaffen. Heute habe ich das Gefühl, dass ich mich nur noch daran erinnern möchte. Direkt nach dem Finale hat man sich doll geärgert und überlegt, wie man es anders hätte angehen können. Wir waren sehr, sehr traurig, wollten das Spiel aber gleichzeitig vergessen und die Saison feiern. Das haben wir dann direkt an dem Abend des Finales gemacht. In dem Moment haben wir die Saison, die durch die vielen Spiele anstrengend war, angefangen loszulassen. Deshalb hatte der Tag trotzdem noch einen schönen Abschluss, obwohl die Party natürlich die Trauer über das Champions-League-Finale nicht wegnehmen konnte.

Im Trainingslager im September hast du gesagt, dass du dich auf ein neues Kapitel hier beim VfL freust. Wie schaust du da bislang drauf?

Dominique: Dass wir uns nicht für die Champions League qualifiziert haben, ist ärgerlich. Andererseits habe ich das Gefühl, dass es der Mannschaft vielleicht sogar ein bisschen gutgetan hat, dass wir jetzt mehr Zeit haben. Wir können einerseits mal abschalten vom Fußball und haben andererseits richtige Trainingseinheiten. Man merkt in den Einheiten, dass das Niveau steigt. Mittlerweile habe ich das Gefühl, dass wir langsam wieder in den Flow kommen.

Wie ist insgesamt die Stimmung in der Mannschaft?

Dominique: Man merkt, dass sie wieder positiv und locker ist. Wir haben mit der Mannschaft auch mal außerhalb des Fußballs Zeit zusammen verbracht. Als ich verletzt war, war ich kurzzeitig so etwas wie das Party-Komitee und habe mich mit anderen Spielerinnen um das Thema gekümmert. Es ist wichtig, dass man eine tolle Zeit zusammen hat und neue Erinnerungen schafft. Nicht nur auf dem Platz. Trotzdem denke ich, dass sich viele auch über die Winterpause freuen, in der man den Fußball mal kurz loslassen kann und sich auf die Familie, Freunde und sich selbst fokussieren kann.

Die Rückrunde ist momentan noch sehr weit weg. Denkst du da trotzdem schon mal dran?

Dominique: Auf jeden Fall. Wenn man die Zeit hat zu reflektieren, nimmt man sich immer wieder vor, es im nächsten Jahr noch besser zu machen und sich weiter zu steigern. Es ist das Ziel des gesamten Teams, hoffentlich zwei Titel zu gewinnen.

Momentan sieht es in der Tabelle gut für euch aus. Und auch bei der niederländischen Nationalmannschaft wart ihr zuletzt erfolgreich. In letzter Sekunde konntet ihr gegen Belgien den Einzug ins Halbfinale der Nations League sichern. Erzähl mal, wie war das für euch?

Dominique: Ich denke, so ein verrücktes Spiel hatten wir noch nie. Ich wurde nach 70 Minuten ausgewechselt und habe von der Bank aus erlebt, was für eine Hektik es gab. Wir machen das dritte Tor, stellen alles um, weil wir denken, dass wir es geschafft haben. Dann brauchten wir auf einmal noch eins, weil England das sechste gemacht hat. In der letzten Sekunde des Spiels hat eine unserer kopfballstärksten Spielerinnen den Ball dann nach einer Flanke reingeköpft. 

Ihr hattet keine leichte Gruppe, habt euch aber trotzdem durchgesetzt. Unterstreicht das die Weiterentwicklung bei euch im Team?

Dominique: Ja, Andries Jonker ist mittlerweile seit einer Weile unser Trainer. Er hat eine klare Spielidee. Wir haben unser System umgestellt. Deshalb brauchten wir ein bisschen Zeit, um uns einzuspielen. Aber zu sehen, dass wir uns als Mannschaft entwickeln und immer besser werden, bringt viel Freude mit sich. 

Im Halbfinale der Nations League trefft ihr auf Spanien – das Team, gegen das ihr im Viertelfinale der Weltmeisterschaft im Sommer ausgeschieden seid. Wie denkt ihr über das Los?

Dominique: Direkt nach der Auslosung war in unserem Gruppenchat ordentlich was los. Die Erste hat sofort reingeschrieben: „Dieses Mal werden wir das schaffen.“ Wir wissen, dass Spanien ein unfassbar schwieriger Gegner ist und einen tollen Fußball spielt. Bei der WM haben wir es aber ganz gut gemacht und etwas unglücklich verloren. Das war sehr schade. Ein anderes Los wäre jetzt vielleicht optimaler gewesen, im Endeffekt muss man aber gegen jeden Gegner gewinnen können. Und wir sind optimistisch, dass wir Spanien schlagen können.

Wie findest du die Nations League insgesamt?

Dominique: Für uns ist es richtig cool, dass wir Länderspiele auf so hohem Niveau haben, in denen es wirklich um etwas geht. Man muss von Anfang an da sein und kann sich keinen Ausrutscher erlauben. Für den Frauenfußball insgesamt ist das gut. Wir haben jetzt zum Beispiel auch in Wembley gegen England gespielt, was eine krasse Erfahrung war.

Wie zufrieden bist du insgesamt mit dem vergangenen Jahr?

Dominique: Ich denke, dass ich mich persönlich wieder weiterentwickelt habe. Ich bin ja ein Teil unserer Kapitäninnen-Gruppe und merke, wie sehr ich daran wachse. Auch dadurch, dass ich auf anderen Ebenen die Verantwortung übernehme. Zum Beispiel dafür, dass wir als Mannschaft zusammenkommen. Fußballerisch bin ich auch ganz zufrieden. Ich weiß aber, dass es immer Sachen gibt, die ich noch verbessern kann. Ich bin eine kritische Person und werde nie schnell hundertprozentig zufrieden sein. 

Gerade das bringt eine Spielerin aber ja wahrscheinlich erst auf dieses hohe Leistungsniveau…

Dominique: Genau. Und das ist auch das, warum man den Fußball liebt und immer noch Hunger darauf hat. Man wird immer älter und kommt natürlich der Frage näher, bis wann man spielen möchte. Von daher ist erst mal das Allerwichtigste, dass man den Spaß daran noch hat und das ist bei mir auf jeden Fall so. Ich finde Fußball einfach toll.