Männer

„Mit breiter Brust“

VfL-Sportdirektor Marcel Schäfer im Interview vor den ersten englischen Wochen des Jahres 2023.

VfL-Wolfsburg-Sportdirektor Marcel Schäfer.

Nach langen zwei Monaten Pflichtspielpause geht es für die Grün-Weißen nun gleich richtig rund: Fünf herausfordernde Spiele in Liga und DFB-Pokal innerhalb von 15 Tagen werden der zuletzt so erfolgreichen Elf von Niko Kovac kaum Luft zum Durchatmen lassen. Kurz vor dem Re-Start gegen den SC Freiburg am heutigen Samstag (Anstoß um 15.30 Uhr) in der heimischen Volkswagen Arena blickt VfL-Sportdirektor Marcel Schäfer vor und zurück und spricht über die vergangene als auch die aktuelle Transferperiode sowie seine Ausbildungszeit beim scheidenden Jörg Schmadtke, den er ab 1. Februar als Geschäftsführer Sport beerben wird.

Marcel Schäfer, wir haben letztmalig kurz nach Ende der Transferperiode im Sommer ein Interview geführt. Damals, zwischen den beiden Niederlagen in Leipzig und gegen Köln, befanden sich die Wölfe noch in einer sportlich schwierigen Phase. Nun beginnt das neue Jahr mit einer Serie von neun Pflichtspielen ohne Niederlage und vier Ligaerfolgen in Folge. Was ist seitdem passiert? Gab es für Sie einen Schlüsselmoment, der den Aufschwung begründet?

Marcel Schäfer: Ich weiß gar nicht, ob es diesen einen Schlüsselmoment gab. Ich glaube aber, dass das Stuttgart-Spiel mit unserem Tor in der 90. Minute schon ein kleiner Befreiungsschlag war. Da ging nicht nur ein Ruck durch die Mannschaft, sondern ein Ruck durch das ganze Stadion. Das hat man auch gespürt. Aufgrund des schwierigen Starts hatten wir ein paar Dinge verändert und haben zu unseren Basics zurückgefunden. Der VfL Wolfsburg muss sich immer über Arbeit definieren, so wie es unser Slogan „Arbeit – Fußball – Leidenschaft“ ausdrückt. Ich glaube, dass wir mittlerweile eine Mannschaft haben, die wirklich die DNA des Klubs verkörpert. In allen Statistiken, seien es die intensiven Läufe, die Sprints oder die Kilometer – also beim Thema Fitness – sind wir top. Da haben das Trainerteam und die Mannschaft hervorragende Arbeit geleistet. Jetzt geht es darum, auf dieser Basis, die von enormer Bedeutung für den VfL ist, aufzubauen. Obwohl wir mit vier Siegen in die Pause gegangen sind, wissen wir, dass wir fußballerisch mit Sicherheit noch Luft nach oben haben. Aber wir sind gewillt, das anzugehen.

Nach der Transferperiode ist vor der Transferperiode: Sie haben noch bis zum 31. Januar Zeit für Neuverpflichtungen oder Abgänge. Es wird medial über Namen wie Nicolas Cozza einerseits und Josip Brekalo oder Josuha Guilavogui andererseits diskutiert und spekuliert. Können Sie bereits Wasserstandsmeldungen abgeben, welche Veränderungen es in der Kaderstruktur noch geben wird?

Schäfer: Es wird auf jeden Fall eine sehr ruhige Transferperiode für uns bleiben – sowohl auf der Abgangs- als auch auf der Zugangsseite. Dass der eine oder andere Spieler vielleicht mit seiner Situation nicht in Gänze zufrieden ist, ist normal. Der eine oder andere hat seine Erwartungen übertroffen, der eine oder andere ist vielleicht ein Stück weit dahinter geblieben. Aber auch das ist nicht unüblich im Laufe der Saison, wenn man Teil einer Mannschaft ist. Von daher haben wir aktuell nichts zu vermelden.

Der VfL Wolfsburg muss sich immer über Arbeit definieren, so wie es unser Slogan „Arbeit – Fußball – Leidenschaft“ ausdrückt. Ich glaube, dass wir mittlerweile eine Mannschaft haben, die wirklich die DNA des Klubs verkörpert.
Marcel Schäfer

Im Sommer sind Spieler wie Kaminski, Svanberg, Wimmer, Franjic oder Fischer gekommen, andere wie Brooks, Schlager, Mbabu, Steffen und Bialek gegangen. Wagen Sie gerne ein erstes Zwischenfazit zum personellen Umbruch im Sommer …

Schäfer: An den Neuzugängen sieht man, dass wir konsequent unseren Weg weitergehen – mit jungen, hungrigen und entwicklungsfähigen Spielern. Ich glaube, dass jeder Einzelne schon seinen Teil dazu beigetragen hat, dass wir die Trendwende eingeleitet haben und jetzt da stehen, wo wir stehen. Jeder dieser Spieler hat für uns eine große Wertigkeit, wir sind mit der Entwicklung, der Einsatzbereitschaft und dem Engagement wirklich zufrieden. Natürlich sind wir mit den Spielern, und das gilt für alle, ständig im Austausch, was sie noch verbessern können, aber vom Grundsatz her hat sich jeder Spieler, der im Sommer neu zu uns gekommen ist, schnell in die Mannschaft integriert und kann sich total mit dem VfL Wolfsburg und unserem Weg identifizieren.

Der ehemalige VfL-Stürmer Wout Weghorst hat das Schaufenster der WM genutzt, um auf sich aufmerksam zu machen – und spielt nun nach seinen Folgestationen FC Burnley und Besiktas Istanbul für die Red Devils aus Manchester. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Schäfer: Wir hatten eine sehr erfolgreiche Zeit mit Wout, von daher freuen wir uns mit ihm und gönnen ihm diese Entwicklung auch. Er hatte auf seiner Position seinen Anteil daran, dass wir nach den Relegationsjahren nicht wieder in diese Tabellengefilde abgerutscht sind. Für diese Zeit, die er mit geprägt hat,  sind wir sehr dankbar. Ich glaube aber auch, dass Wout jemand ist, der immer wieder neue Herausforderungen braucht. Deswegen war der Wechsel zum damaligen Zeitpunkt für alle Beteiligten auch sinnvoll.

Mussten Sie schmunzeln, als Sie den Freistoßtrick vorm Ausgleich der Niederländer gegen Argentinien in der Nachspielzeit sahen?

Schäfer: (lacht) Ja, ich weiß nicht, ob Wout da noch Max Arnold statt Teun Koopmeiners  als Passgeber gesehen hat. Aber es ist doch schön, dass solch ein Tor, dass seinen Ursprung in Wolfsburg hat, dann weltweit die Runde macht.

Das neue Jahr 2023 beginnt gleich mit zwei englischen Wochen und zunächst den Spielen gegen Freiburg und bei Hertha, bevor die Rückrunde mit dem Spiel in Bremen offiziell beginnt. Welche Punkteausbeute würde euch aus dem Dreierpack zufriedenstellen?

Schäfer: Wir wollen natürlich grundsätzlich jedes Spiel gewinnen. Aber wir sind gut beraten, von Spiel zu Spiel zu denken. Wir haben mit Freiburg gleich eine Mannschaft vor der Brust, die momentan und auch über Jahre hinweg ganz, ganz tolle Leistungen bringt und die ein sehr unangenehmer Gegner ist. Das wird eine große Herausforderung und gewaltige Aufgabe. Aber wir wollen da anknüpfen, wo wir im November aufgehört haben und gehen mit großem Selbstvertrauen und breiter Brust ins Spiel. Mit zwei englischen Wochen inklusive Pokalspiel geht es natürlich gleich in die Vollen, aber wir haben jetzt lange genug Pause gehabt und freuen uns alle, dass der Bundesliga-Rhythmus wieder los geht. Es gibt nichts Schöneres.

Ende Januar ist es so weit: Jörg Schmadtke zieht sich ins Private zurück, Sie übernehmen dessen Posten als VfL-Geschäftsführer. Sebastian Schindzielorz wird Ihr Nachfolger als Sportdirektor. Überwiegt gerade die Freude über den neue Aufgabenbereich oder doch die Wehmut über das Ende der erfolgreichen Zusammenarbeit mit Schmadtke?

Schäfer: Da schwingt beides mit, das sind gemischte Gefühle. Ich war und bin für die Zeit mit Jörg sehr, sehr dankbar. Es ist nicht selbstverständlich, dass er mich so eng an die Seite genommen und über die Schulter hat schauen lassen. Jörg hat mir mehr und mehr Verantwortung gegeben und er hat es sich selbst auf die Fahne geschrieben, mich aus- und weiterzubilden. Für diese sehr prägende und - wenn man die viereinhalb Jahre in Gänze betrachtet – auch sehr erfolgreiche Zeit werde ich ihm immer dankbar sein. Deshalb ist da wirklich schon ein wenig Wehmut dabei. Und ich weiß auch noch gar nicht, wie es sein wird, wenn wir nicht mehr Büro an Büro sitzen. Auf der anderen Seite freue ich mich natürlich, dass ich in meiner persönlichen Entwicklung noch einen weiteren Schritt machen darf.

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