Frauen

„Ein gutes Miteinander“

Assistenztrainerin und Scout Eva-Maria Virsinger über ihre Arbeit bei den VfL-Frauen.

Individuelles Coaching, Betreuung von verliehenen Spielerinnen, detaillierte Vor-Ort-Analysen – bei den VfL-Frauen wurden ab der laufenden Saison mit einer neuen Personalie im Trainerteam Maßstäbe gesetzt, die im Frauenfußball noch lange nicht selbstverständlich sind. Mit Eva-Maria Virsinger, die seit dem Sommer das Wölfinnen-Trainerteam als Assistenztrainerin und Scout unterstützt, landeten die VfL-Verantwortlichen nicht nur fachlich einen echten Volltreffer. Immerhin bringt die 27-Jährige als ehemalige Spielerin des SC Freiburg und später spielende Cheftrainerin des VfL Sindelfingen in ihren jungen Jahren schon viel Erfahrung mit. Aber vor allem auch menschlich bewies sich die A-Lizenz-Inhaberin als echte Bereicherung für die Frauen des VfL Wolfsburg. Im Interview spricht die Württembergerin über ihren Werdegang und ihre spannenden Aufgaben bei den Grün-Weißen. 

Eva-Maria Virsinger, würden Sie das Reisen als Ihr Hobby bezeichnen?

Eva-Maria Virsinger: Ja, vor allem in Verbindung mit Fußball. Wenn man zwei Hobbys miteinander verbinden kann, dann ist das schon ein Traum.

Als Scout können sie Fußball mit Reisen sehr oft miteinander verbinden. Schätzen Sie einmal: Wie viele Kilometer haben Sie wohl schon als Scout für den VfL zurückgelegt?

Virsinger: Puh, das ist schwierig. Ein paar Europa-Reisen waren schon dabei. Von daher kann ich mir gut vorstellen, dass es an die Zehntausend Kilometer gewesen sein müssen. 

Gibt es Reisen, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?

Virsinger: Ja, definitiv. Die Reise nach Turin zum Juventus-Spiel gegen Chelsea zum Beispiel. Das war am zweiten Spieltag der Champions League. Da durfte ich mich im Juventus Stadium schon einmal für unser Gruppenspiel etwas umschauen – eine ganz besondere Atmosphäre. Auch die Reise nach Manchester, als ich Chelsea vor unserem Spiel gegen sie vorgescoutet habe, war toll. Dort habe ich mir einen Eindruck von der englischen Liga machen können. In Kristianstad in Schweden war ich ebenfalls zweimal, um Sveindis Jonsdottir während ihrer Leihe zu besuchen. 

Man merkt schnell: Ohne Fußball geht bei Ihnen nichts. Wie hat das alles für Sie angefangen?

Virsinger: Ganz früh. Mein Vater und mein Opa haben Fußball gespielt und auch ich war von klein auf immer auf dem Sportplatz. Ich habe sonntags immer mit den Jungs gekickt und wollte dann natürlich auch selbst richtig spielen. Jedoch war ich zum einen zu jung und zum anderen war man als Mädchen bei den Jungs nicht immer willkommen. Irgendwann habe ich mich zu Hause durchsetzen können und durfte mit sechs Jahren endlich zu meinem ersten Vereinstraining gehen. Das war für mich eine richtig coole Sache. 

Sie waren eine sehr talentierte Spielerin, wurden sechs Mal in U-Nationalmannschaften berufen. War es Ihr Ziel, Profifußballerin zu werden?

Virsinger: Ja, das war es definitiv. Zu Beginn habe ich einfach nur gerne Fußball gespielt und wollte mich verbessern. Aber dieser Traum vom Profifußball war mir als Kind nicht so bewusst. Auch nicht, welche Schritte damit verbunden waren. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass ein gewisses Talent und auch die Fähigkeiten vorhanden waren, dann war es natürlich mein Ziel, Profispielerin zu werden.

Zur Saison 2012/2013 sind Sie vom VfL Sindelfingen zum SC Freiburg gewechselt und waren dort in einem Kader mit Melanie Leupolz, Laura Benkarth und Sara Däbritz. Wie hat sich das angefühlt?

Virsinger: Melli und Sara kannte ich ja schon aus den U-Nationalmannschaften und außerdem kommt Melli wie ich aus Württemberg, sogar aus dem gleichen Landesverband. Man kannte sich also schon untereinander. Aber dann gemeinsam bei einem größeren Club zu spielen, war schon sehr besonders.

Was haben Sie aus Ihrer Zeit in Freiburg mitgenommen?

Virsinger: Sehr viele Dinge. Sowohl sportlich als auch zwischenmenschlich habe ich dort viel lernen dürfen. Es gibt nicht nur einen Weg nach oben, sondern viele verschiedene Laufbahnen. Die sportliche Leistung ist das eine, aber man darf nicht vergessen, dass Menschen dahinterstehen. Man sollte sich nicht nur auf das Sportliche konzentrieren, denn nicht jeder legt eine steile Karriere hin, was nicht heißt, dass man sie nicht beachten sollte. 

Von Freiburg ging es für Sie zurück zum VfL Sindelfingen. Dort haben Sie nicht nur gespielt, sondern dabei auch trainiert.

Virsinger: Nach meinem Studium bin ich wieder zurück in die Heimat gegangen, habe im ersten Jahr wieder beim VfL gespielt und kurz darauf angefangen, in Stuttgart beim Württembergischen Fußball-Verband zu arbeiten. Im zweiten Jahr war ich dann spielende Co-Trainerin und habe zur Rückrunde, als unser damaliger Cheftrainer aufgehört hat, den Posten übernommen. Es war ein wichtiges Jahr, denn es ging um die Qualifikation für die eingleisige 2. Bundesliga. Da ich und meine Trainerkollegin an der Mannschaft am nächsten dran waren und sie am besten kannten, hat es sich so ergeben, dass wir das Team übernommen haben. 

Hat es sich in dieser Zeit ergeben, dass Sie später in einem Trainerteam arbeiten wollten?

Virsinger: Ja, mit Sicherheit. Ich habe ja schon mit 15 meine erste Trainerlizenz erworben und habe es im Hintergrund verfolgt, aber bis zu dem Zeitpunkt war das Fußballspielen für mich im Fokus. Als ich dann auch noch parallel Trainerin bei den Landesauswahlmannschaften war, habe ich gemerkt, dass mir das sehr viel Spaß macht und dass ich das auch langfristig verfolgen kann.

2018 haben Sie sich aber erst einmal dazu entschlossen, beim VfL Sindelfingen aufzuhören.

Virsinger: In der Rückrunde war ich noch spielende Cheftrainerin und in der Relegation haben wir die Quali für die eingleisige 2. Liga nicht geschafft, aber unabhängig davon habe ich für mich in den Monaten davor die Entscheidung getroffen, zu gehen. 40 Stunden zu arbeiten und dann noch als Cheftrainerin tätig zu sein, worunter neben der Trainings-Vor- und -Nachbereitung auch die Analyse fällt, war für mich nicht mehr vereinbar und tat mir nicht gut. Da ich kein Typ für halbe Sachen bin, sondern immer gerne mit vollem Herzen dabei bin, habe ich mich letztendlich dafür entschieden, die Trainerrichtung beim Verband weiter zu verfolgen.

Ich empfinde es als Privileg, hier im Verein unter so professionellen Bedingungen in einem Trainerteam und mit internationalen Topspielerinnen arbeiten zu dürfen. Ich kann meinen Beitrag zum Erfolg leisten, mit den Mädels gemeinsam auf dem Platz stehen und mich mit ihnen weiterentwickeln.
Eva-Maria Virsinger

Welche Aufgaben hatten Sie beim Verband?

Virsinger: Zunächst habe ich in der Geschäftsstelle des Verbandes gearbeitet und war dort im Spielbetrieb angestellt. Nebenbei war ich ehrenamtlich schon als Co-Trainerin bei den Landesauswahlmannschaften tätig und habe am Olympiastützpunkt das Talenttraining geleitet. 2020 bin ich dann hauptberuflich in die Abteilung Qualifizierung und Leistungssport gewechselt, die für die Talentförderung und damit auch die Landesauswahlmannschaften verantwortlich ist. Ich war konzeptionell für die verschiedensten Dinge zuständig. Darunter die Talentbegleitung und die Wochenplanung. 

Beim VfL sind Ihre Aufgaben auch sehr umfangreich. Welche sind es genau?

Virsinger: Im Prinzip gliedert sich mein Bereich in zwei Teile. Zum einen agiere ich als Assistenztrainerin, bin bei den Trainingseinheiten dabei und unterstütze die Mädels, die frisch aus der Reha kommen. In den Trainingseinheiten habe ich auch Spielerinnen einzeln im Fokus und betreibe individuelles Coaching. Ich betreue zudem die ausgeliehenen Spielerinnen, wie es zum Beispiel bei Sveindis der Fall war. Dazu bin ich die Schnittstelle zum Nachwuchs, zum Beispiel wenn es darum geht, dass U20-Spielerinnen bei uns Erfahrungen im Training sammeln sollen, wie beispielsweise nun Paula Klensmann. Zum anderen übernehme ich noch den Bereich Scouting und Analyse. Ich schaue mir also Spiele unserer Gegner vor Ort an. Aus den Erkenntnissen entwickle ich unsere Matchpläne.

Auch an Spieltagen sind Sie mit Ihrer Analysearbeit sehr beschäftigt.

Virsinger: Wenn der Spieltag beginnt, haben wir im Trainerteam schon viel Vorarbeit in Form von der Gegneranalyse und der Matchplanvorbereitung geleistet. Bis zum Spielbeginn kann ich etwas durchatmen, bis dann die Gegneraufstellung kommt. Dann wird es spannend, weil es darum geht zu schauen, ob das Erwartete eingetroffen ist, ob Überraschungen auftauchen oder Spielerinnen fehlen, was darin resultiert, dass sich eine neue Grundordnung ergibt. Wenn das Spiel läuft, nehme ich meine Beobachterfunktion ein und achte darauf, ob unser Matchplan aufgeht. Ich stehe mit Kim (Kulig, Anm. d. Red.), die unten auf der Bank sitzt, in engem Kontakt und gebe all das, was ich von oben sehe und uns weiterhelfen könnte, an sie weiter.

Sie sind mit 27 Jahren das Küken im Trainerteam und auch jünger als so manch eine Spielerin. Stellt Sie das vor Probleme?

Virsinger: Nein, überhaupt nicht. Ich habe ja auch mit der einen oder anderen Spielerin, wie zum Beispiel mit Pauline Bremer, noch in den U-Nationalmannschaften zusammen gespielt. Die Mannschaft hat mich super aufgenommen. Wenn man offen auf die Spielerinnen zugeht und ihnen zeigt, dass man sie als Team, aber auch individuell voranbringen und unterstützen möchte, dann ergibt sich daraus ein gutes Miteinander. 

Sie sind auf jeden Fall der Sonnenschein im Trainerteam – sind immer am Strahlen. Was macht Sie beim VfL so glücklich?

Virsinger: Ich empfinde es als Privileg, hier im Verein unter so professionellen Bedingungen in einem Trainerteam und mit internationalen Topspielerinnen arbeiten zu dürfen. Ich kann meinen Beitrag zum Erfolg leisten, mit den Mädels gemeinsam auf dem Platz stehen und mich mit ihnen weiterentwickeln. Wir arbeiten alle auf ein Ziel hin und räumen gemeinsam Steine aus dem Weg, um erfolgreich zu sein. Das bringt mich zum Strahlen!

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