Frauen

„Schnell zueinander gefunden“

Kim Kulig über ihren Wechsel zum VfL und die Arbeit im Trainerteam der Wölfinnen.

Seit Beginn der laufenden Saison gehört Kim Kulig zum neu formierten Trainerteam der VfL-Frauen. Zuvor war die 33-malige deutsche Nationalspielerin und Europameisterin von 2009 als U20-Trainerin bei Eintracht Frankfurt tätig. Beim Eintracht-Vorgänger 1. FFC Frankfurt musste sie ihre aktive Karriere 2015 im Alter von erst 25 Jahren beenden – nach mehreren Eingriffen am Knie und diversen Comeback-Versuchen. Die Leidenszeit begann ausgerechnet in Wolfsburg: Im verlorenen WM-Viertelfinale 2011 (0:1 n. V. gegen Japan) in der Volkswagen Arena erlitt die gebürtige Schwäbin, die auch schon beim Hamburger SV spielte, einen Kreuzbandriss. Als Trainerin hat die 31-Jährige den Weg zurück auf den Platz gefunden – und das, obwohl es durchaus auch andere attraktive Karrieremöglichkeiten gab. Im Interview spricht Kulig über ihre Rolle beim VfL Wolfsburg und erklärt, warum eine Co-Trainerin beim VfL Wolfsburg weitaus mehr als eine Zuarbeiterin ist.  

Kim Kulig, vor Ihrem Wechsel zum VfL dürften Sie mit Wolfsburg eher Negatives verbunden haben. Stimmt diese Annahme?

Kim Kulig: Für mich ist das eigentlich eine coole Geschichte und ich sehe es eher so, dass sich ein Kreis schließt. Aber klar denke ich noch hin und wieder an jenen 9. Juli 2011 in Wolfsburg und meinen Kreuzbandriss zurück. Jetzt bin ich aber beim VfL Wolfsburg gelandet und sehr froh darüber – von daher verbinde aktuell nur noch Gutes mit Wolfsburg.

Sie sind seit Sommer Co-Trainerin der VfL-Frauen. War es ein Vorteil für Sie, dass sich das Trainerteam auch darüber hinaus neu aufgestellt hat, Sie also nicht die einzige Neue waren?

Kulig: Es war wie eine Art Challenge für uns alle, die neu zum VfL gekommen sind. Wir mussten uns alle erst mal reinfuchsen und schauen, was hier möglich ist und welche Dinge wir umsetzen wollen. Rückblickend betrachtet war es ein Vorteil, dass wir fast als komplett neues Team anfangen konnten, zumal wir schnell zueinander gefunden haben. Schon in den ersten Gesprächen hatte man das Gefühl, dass es einfach passt.

Wie lief denn die Kontaktaufnahme, also wer ist von Seiten des VfL auf Sie zugekommen?

Kulig: Tommy und ich sind uns immer mal wieder über den Weg gelaufen, zwischen uns bestand also schon ein gewisser Kontakt. Letztlich war es dann aber Ralf Kellermann, der mich kontaktiert hat und fragte, wie meine Zukunftspläne aussehen. Aber auch mit Tommy habe ich zu dieser Zeit oft gesprochen, es lief also parallel.

Sabrina Eckhoff ist ebenfalls Co-Trainerin und auch Eva-Maria Virsinger übernimmt neben ihren Aufgaben als Scout Traineraufgaben. Wie genau sieht die Aufgabenverteilung aus – unter der Woche und am Spieltag?

Kulig: Wir versuchen, möglichst effektiv zu arbeiten, wobei jeder seine Verantwortungsbereiche hat und jeder seine individuellen Stärken einbringen kann. Um es mal konkret zu benennen: Mein Part ist eher der analytische Bereich. So gehe ich mit unserem Analysten Gerhard Waldhart direkt nach Abpfiff in die Spielnachbearbeitung, während Sabrina schon in Richtung Training denkt. Darüber hinaus haben wir auch eine direkte Verantwortung über gewisse Spielerinnen, wobei mein Teil eher die Offensive ist. Auch die Standards fallen in meinen Bereich. Sabrina hat einen engen Draht zu Omar Rüppel, unserem Athletiktrainer und leitenden Physiotherapeuten, wenn es um unseren Tracking-Dienstleister KINEXON geht. Eva-Maria arbeitet viel individuell mit Spielerinnen, neben ihrem eigentlichen Bereich als Scout. So haben wir uns alle gut aufgeteilt, finde ich.

Tommy Stroot spricht immer wieder vom Teamgedanken unter den Trainern und betont, dass vieles gemeinsam entschieden wird. Ist das eine moderne Herangehensweise? Sind die Zeiten, in denen der Cheftrainer alleine die Richtung vorgibt, vorbei?

Kulig: Ich finde den Teamgedanken sehr wichtig, zumal jeder von uns ja auch eine enorme Expertise einbringt. In jedem Gespräch unter uns Trainern lernt man selbst dazu. Und warum sollte man diese Qualitäten nicht nutzen? Hinzu kommt, dass im Fußball jedes Detail eine Rolle spielen kann. Und es ist nicht möglich, dass sich ein Trainer um alles kümmern kann. Du brauchst einfach unterschiedliche Blickwinkel und Sichtweisen. Das ist die Basis und hat nichts mit modernen oder alten Zeiten zu tun.  

Würden Sie behaupten, dass alle Mitglieder des Trainerteams die gleiche oder zumindest eine ähnliche Grundidee von erfolgreichem Fußball teilen?

Kulig: Ja, absolut. Wir stehen für die gleiche Art von Fußball. Aber wir teilen auch alle die Leidenschaft für den Fußball an sich und investieren enorm viel Zeit in diese Leidenschaft. Dabei sehen wir das, was wir machen, nicht als Arbeit. Es ist unser Leben. Wir kommen gerne jeden Tag ins Büro oder auf den Platz und ackern zehn bis zwölf Stunden. Wir sind einfach gerne zusammen – und auch das bringt uns weiter.

Wir stehen für die gleiche Art von Fußball. Aber wir teilen auch alle die Leidenschaft für den Fußball an sich und investieren enorm viel Zeit in diese Leidenschaft. Dabei sehen wir das, was wir machen, nicht als Arbeit. Es ist unser Leben.
Kim Kulig

Sie waren in Frankfurt verantwortliche Trainerin der U20, hier arbeiten Sie als Co-Trainerin. Ist das nicht – rein bezogen auf die Hierarchie – ein Rückschritt?

Kulig: Nein, das ist definitiv kein Rückschritt. Wenn ich allein auf das vergangene halbe Jahr zurückblicke, konnte ich schon so viel für mich mitnehmen. Ich bin froh, hier zu sein, ich werde hier maximal gefordert. Und es ist ja nicht so, dass ich meine Ideen als Co-Trainerin nicht umsetzen kann. Das kann ich innerhalb unseres Teams sehr wohl. Und das auf einem höheren Level als in Frankfurt. Von daher war der Wechsel auf alle Fälle der richtige Schritt.

Nach Ihrer aktiven Karriere waren Sie TV-Expertin und haben beim DFB im Teammanagement gearbeitet. Warum haben Sie sich dann entschieden, eine Trainerlaufbahn einzuschlagen?

Kulig: Ich hatte das Gefühl, mit dem Fußball noch nicht fertig zu sein. Es war einfach der Wunsch da, die Dinge, die ich selbst erleben durfte, Spielerinnen an die Hand zu geben. In diesen Jobs, die mir durchaus Spaß gemacht haben, kam mir der Fußball einfach zu kurz. Letztlich kommt es auf die nötige Balance an: Hier sitze ich ja auch viele Stunden im Büro, aber eben nicht nur. Ich bin bei Spielen hautnah dabei und Bestandteil eines Teams, das große Ziele verfolgt. Das hatte mir damals gefehlt. 

TV-Expertin sind Sie hin und wieder ja immer noch – für Amazon bei der Champions League der Männer. Wird man Sie hier auch in der K.o.-Runde sehen?

Kulig: Es ist geplant, dass ich während der Rückrunde bei zwei Champions-League-Übertragungen für Amazon als Expertin vor Ort sein werde. Aber auch nur, wenn es vom Spielplan her gut passt. Das ist nämlich die Voraussetzung.  
 

Sie sind immer noch eine der wenigen Trainerinnen in Deutschland, die die Fußballlehrer-Ausbildung absolviert haben. Ist es da nicht zwangsläufig ein Ziel, hauptverantwortlich Trainerin zu sein?

Kulig: Darüber mache ich mir momentan keine Gedanken. Auf der einen Seite bin ich schon ein Mensch, der sich Schritte sehr gut überlegt, um an ein Ziel zu kommen. Auf der anderen Seite lebe ich auch gerne im Hier und Jetzt und lasse alles auf mich zukommen. Gerade bin ich sehr happy mit meinen Aufgaben und – wie schon erwähnt – auch als Co-Trainerin trage ich durchaus Verantwortung. Aber ich kann mir ebenso gut vorstellen, auch wieder als Cheftrainerin zu arbeiten irgendwann. Als Trainerin bin ich ja noch relativ jung.

Blicken wir zum Abschluss noch einmal zurück: Vor gut einem Jahrzehnt waren Sie eine der aufstrebenden Persönlichkeiten im deutschen Frauenfußball, hatten Werbeverträge und waren auch über den Sport hinaus bekannt. Vermissen Sie diese ganz große Bühne manchmal?

Kulig: Mir ging es nie um meinen Status, ich bin kein Mensch, der im Mittelpunkt stehen muss. Das ist mir sogar eher unangenehm. Es gibt natürlich Momente, in denen ich denke: Krass, du könntest jetzt eigentlich immer noch Fußball spielen. Aber ich bin sehr glücklich, dass ich einen Weg gefunden habe, Menschen weiter zu inspirieren. Nicht mehr als Spielerin, aber als Trainerin. Wenn ich Wehmut empfinde, dann eher deshalb, weil ich gerne Spielerin war. Aber es geht mir nicht um den Status, den ich vermisse. Ich darf weiter das machen, was ich liebe – nicht jeder Mensch hat die Möglichkeit dazu. Daher bin ich mit meiner aktuellen Situation absolut happy.

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