Frauen

„Agieren auf Augenhöhe“

Videoanalyst Gerhard Waldhart über seine Arbeit im Trainerteam der Wölfinnen.

Würde man Gerhard Waldhart, den Videoanalysten der VfL-Frauen, nach Fußballerattributen einordnen, würde er wohl besonders durch seine Vielseitigkeit bestechen. Der Innsbrucker hat in seiner Karriere neben seiner Videoanalysten-Tätigkeit auch schon als Chef- und Co-Trainer im Herren-, Jugend und Frauenbereich gearbeitet. Zuletzt war der Inhaber der UEFA-A-Lizenz, der in Deutschland auch schon in München als Trainer der U16-Junioren am deutschen Fußballinternat arbeitete, Coach in der St. Pöltner Jugendakademie. Außerdem war er im österreichischen Fußball lange Jahre in der Bundesliga der Männer als Co-Trainer/ Co-Trainer-Videoanalyse tätig. Durch den pandemiebedingten Abbruch der Saison 2019/2020 in der österreichischen Frauen-Bundesliga wurde dem 44-Jährigen zudem ein sehr wahrscheinlicher nationaler Titel verwehrt. Seit diesem Sommer ist Waldhart nun fester Bestandteil des Wolfsburger Trainergespanns und dort für die Videoanalyse zuständig. Im Interview spricht er über seine Rolle im Team und seine vielschichtigen Aufgabenbereiche.

Gerhard Waldhart, der Videoanalyst wird oftmals auch als Spielanalyst bezeichnet. Dabei führt der Begriff ein wenig in die Irre, begleiten Sie doch nicht nur die Spiele mit Ihren Tools.

Gerhard Waldhart: Ja, das ist richtig. Wenn ich es runterbreche, bin ich zum einen für die Gegnerbeobachtung zuständig, die entweder live vor Ort oder über Daten und Videos abläuft, zum anderen bin ich in die Spielvorbereitung involviert. Ich arbeite die Stärken und Schwächen des nächsten Gegners aus, um dem Trainerteam Ansätze für unser Training und für eine mögliche Anpassung unserer Spielweise zu liefern. Am Spieltag selbst nehmen wir das Match immer selbst filmisch ab. Ich schneide schon während der laufenden Begegnung ausgewählte Szenen für unsere Trainerbank heraus, die uns helfen, sofort zu reagieren, wenn der Gegner beispielsweise seine Formation im Spiel ändert. Auch in der Halbzeitansprache nimmt das Trainerteam einzelne Szenen heran, um Dinge punktuell anzusprechen.

Wie geht es nach dem Abpfiff weiter?

Waldhart: Das Spiel beginnt von Neuem und ich analysiere das Vergangene. Wie war der Matchplan? Und wie haben wir ihn umgesetzt? Dementsprechend stelle ich für unsere Spiel-Nachbesprechung Videomaterial zur Verfügung. Auch jede Spielerin, egal wie lang sie spielt, erhält von uns Szenen. Die Einzelanalyse bringt sowohl der Akteurin als auch dem Trainerteam Aufschluss darüber, welche Dinge gut verlaufen sind und wo noch Handlungsbedarf besteht. Und so beginnt der Kreislauf immer wieder von Neuem.

Wie viel ausgewertetes Videomaterial hatte sich ungefähr mit Abschluss der Hinrunde angesammelt?

Waldhart: Sprechen wir von Spielen, sind es weit mehr als 100, da wir von jedem Gegner drei oder viele Spiele sichten. Sprechen wir von Einzelszenen, dann sind wir noch einmal bei weit mehr.

Auch jede Spielerin, egal wie lang sie spielt, erhält von uns Szenen. Die Einzelanalyse bringt sowohl der Akteurin als auch dem Trainerteam Aufschluss darüber, welche Dinge gut verlaufen sind und wo noch Handlungsbedarf besteht.
Gerhard Waldhart

Das klingt nach einem immensen Aufwand.

Waldhart: Das Pensum in dieser Hinrunde war schon beachtlich und ist mit einem normalen Arbeitsalltag nicht zu vergleichen. Wir waren seit Anfang August bis Ende Dezember in englischen Wochen. Um diesen Arbeitsaufwand zu leisten, braucht es ein gutes Zeitmanagement und eine hervorragende Taktung.

Wie läuft die Kommunikation mit dem Trainerteam ab?

Waldhart: Es ist so, dass ich meinen Arbeitsbereich habe, in dem ich selbstständig arbeite. Mein Vorteil ist es, dass ich kein normaler Daten- oder Videoanalyst bin, sondern Trainer. Ich bin also mit den Prinzipien und den Trainingsinhalten vertraut. Somit kann der gesamte Staff darauf vertrauen, dass ich das Videomaterial so schneide, wie es benötigt wird. Ich stelle eine Bandbreite an Szenen zur Verfügung, wir suchen sie gemeinsam heraus und dann wird die Besprechung abgehalten.

Helfen ihnen ihre Trainererfahrungen bei der täglichen Arbeit?

Waldhart: Auf jeden Fall. Wenn jeder im Team auf Augenhöhe kommunizieren kann, ist das ein absoluter Mehrwert. Es wird kein Unterschied gemacht, ob eine Spielerin zu mir kommt, schließlich weiß auch ich über die aktuellen Themen und Prinzipien der Spielweise Bescheid. Ich bereite sie schließlich auch mit vor. Wir agieren auf Augenhöhe, was die Arbeit für mich viel einfacher macht.

Ihre letzte Station vor dem VfL war in St. Pölten, wenn auch nicht beim SKN, bei dem Sie aber auch schon gearbeitet haben. Hat die Kooperation beider Vereine beim Wechsel eine Rolle gespielt?

Waldhart: Bei mir hat die Kooperation keine Rolle gespielt. Tommys (Stroot, Anm. d. Red.) Wege und meine, haben sich zum ersten Mal im Rahmen der UEFA Women`s Champions League gekreuzt. Tommy stand damals in Diensten vom FC Twente und ich war für den SKN St. Pölten tätig. Bei einigen Fortbildungen haben wir unsere Kontakte dann intensiviert können, sodass ich schlussendlich sein Wunschkandidat als Videoanalyst im neuen Wolfsburger Trainerteam wurde.
 

Die österreichische Herkunft können Sie schwer verschleiern. Sind die landestypischen Tugenden und Erfahrungen ein Faktor in der täglichen Arbeit und dem Miteinander?

Waldhart: Der österreichische Fußball ähnelt dem Deutschen recht stark. So konnte ich auch hier sofort professionell in die Thematik einsteigen. Wir haben eine große Bandbreite im Trainerteam. Tommy mit seiner niederländisch geprägten Idee, Fußball zu spielen, bringt für mich noch einmal eine neue Denkweise mit, die auch mir hilft, mich breiter aufzustellen. Persönlich bin ich ein sehr offener, extrovertierter Typ, der auf die Menschen zugeht und dessen Sensoren anschlagen, wenn mal etwas nicht so ist, wie es sein sollte.

Um ein Spiel analysieren zu können, muss man es zunächst einmal filmen, Das kann gerade auswärts oder in der Saisonvorbereitung abenteuerlich sein. Haben Sie eine Anekdote?

Waldhart: Da gibt es mehrere! Spontan fällt mir Leverkusen ein, bei dem wir zusammen mit den TV-Leuten auf einer Art Fernsehturm stehen. Dort ist sehr, sehr wenig Platz. Da muss man schon abenteuerlich agieren, damit es gelingt, Szenen auf die Trainerbank zu schicken. Bis jetzt habe ich es aber immer noch geschafft.

Jetzt haben wir viel über den Trainer und Videoanalysten gesprochen. Was für ein Spielertyp war Gerhard Waldhart?

Waldhart: Ich war sehr geradlinig: Ein schneller Flügelspieler mit guten Flanken und einem ordentlichen Passspiel. Ich war lange Zeit in der 3. Liga aktiv und habe dort bis zu meinem Karriereende mit 30 immer viel gespielt.

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