Männer

„Das ist ein Prozess“

Interview mit Kevin Paredes vor dem Auswärtsspiel in Stuttgart.

In der Winterpause 2021/2022 wechselte der damals 18 Jahre junge Kevin Paredes aus der US-amerikanischen MLS zu den Wölfen. Für den flinken Linksfuß begann damit das Abenteuer Bundesliga gut 6.500 Kilometer entfernt von seiner Heimat und seiner Familie. Nach der notwendigen ersten Eingewöhnungszeit fasste Paredes schnell Fuß beim VfL, seinem ersten Joker-Einsatz folgten Nominierungen für die Startelf, seine ersten Assists und sein erster Bundesliga-Treffer. Am vergangenen Wochenende gab der U20-Nationalspieler kurz nach seiner Einwechslung die entscheidende Vorlage zum 1:1-Endstand gegen Union Berlin durch Patrick Wimmer. Vor der heutigen Auswärtspartie beim VfB Stuttgart spricht der Youngster im Interview unter anderem über seine ersten 14 Monate in Wolfsburg, seine Flexibilität, seine sportlichen Ziele und den emotionalsten Moment im Wölfe-Trikot.

Kevin Paredes, wie lebst du hier so fern von der Heimat? Wie schwer ist dir der Wechsel über den Ozean gefallen?

Kevin Paredes: Am Anfang war es schon sehr hart. Ich war ja gerade 18 und lebte in den USA bei meinen Eltern. So jung erstmals hinaus in die Welt zu gehen, fühlt sich die ersten Monate definitiv schwer an, aber im Laufe der Zeit stellte sich heraus, dass die Angst unbegründet war. Ich hatte mein Zuhause ja mit einem Ziel vor Augen verlassen. Und das treibt mich bis heute jeden Tag an und motiviert mich. Auch wenn mir meine Eltern und meine ganze Familie natürlich fehlen, komme ich hier sehr gut zurecht.

Wie häufig bist du in Kontakt mit deiner Familie?

Kevin: Ständig! Meine Eltern waren auch gerade für zwei Wochen hier. Das war wirklich schön.

War Fußball schon immer Sportart Nummer eins für dich? Oder eher eine der typischen amerikanischen Sportarten Basketball, American Football, Baseball oder Eishockey?

Kevin: Fußball war schon immer meine Sportart Nummer eins. Aber ich mochte auch andere Sportarten wie Basketball und Leichtathletik. Beide habe ich aktiv ausgeübt, bis ich 13 oder 14 war. Danach habe ich mich aber wirklich voll auf Fußball fokussiert, weil es da für mich die besten Chancen gab, das professionell auszuüben.

Du hast in der MLS sehr jung Fuß gefasst und für Washington D.C. gespielt, wo jetzt Wayne Rooney Chefcoach ist. Haben auch andere deiner damaligen Mitspieler den Sprung nach Europa gewagt?

Kevin: Ja, zwei andere junge Spieler, die nach Belgien gewechselt sind – Griffin Yow und Chris Durkin. Somit bin ich nicht der Einzige, der nach Europa gegangen ist.

Hattest du jemanden, der mit dir vor deinem Wechsel über Deutschland, die Bundesliga und den VfL Wolfsburg gesprochen hat? Wie lange musstest du überlegen, als ein Angebot kam?

Kevin: Ja, tatsächlich habe ich mit zwei Mitspielern darüber gesprochen: Julian Gressel, der in Deutschland geboren wurde, und Russell Canouse, der für Hoffenheim und Bochum gespielt hat. Mich für Wolfsburg zu entscheiden, hat nicht lange gedauert, nachdem ich mich mit dem Klub und seiner Historie beschäftigt habe. Zudem haben mich die Art und Weise, wie Marcel Schäfer und das damalige Trainerteam mit mir gesprochen haben, komplett überzeugt. Sie haben mir klargemacht, wie sehr sie mich wollten und was für eine gute Perspektive ich habe, hier ein Topspieler zu werden. Natürlich war ich anfangs ein wenig ängstlich, den Schritt zu gehen, aber andererseits war es genau das, was ich immer in meinem Leben tun wollte.

Wie wichtig war dein Landsmann „Jay“ Brooks für dich, als du zum VfL kamst?

Kevin: Oh ja, Jay, was für ein Typ! Ich vermisse ihn echt, er war eine große Unterstützung für mich, als ich hierhergekommen bin. Er ist ein wirklich großartiger Kerl und ein toller Spieler. Er hat mir in den ersten Monaten viel geholfen. Ich habe natürlich immer noch Kontakt zu ihm.

Ich lerne eine Menge von der Mannschaft und meine Einsatzzeiten und Spielminuten werden nach und nach mehr. Inzwischen habe ich auch mein erstes Tor geschossen und Vorlagen gegeben, konnte meine Kreativität auf dem Platz zeigen. Das ist ein Prozess, der nicht aufhört.
Kevin Paredes

Wer unterstützt dich heute in besonderem Maße?

Kevin: Das gesamte Team ist toll und sehr hilfsbereit, aber ganz besonders sind es Micky van de Ven, also ebenfalls ein junger Spieler, und Maxence Lacroix, die mich unterstützen.

Du bist Linksfuß und giltst als flexibel einsetzbar. Was ist deine bevorzugte Position?

Kevin: (lacht) Das weiß ich ehrlich gesagt noch gar nicht so genau. Ich bin grundsätzlich sehr vielseitig und kann auf einigen Positionen spielen, aber am meisten zieht es mich auf den linken offensiven oder defensiven Flügel, da kann ich meine Stärken am besten ausspielen.

Hast du fußballerische Vorbilder?

Kevin: Ja, ich war schon immer ein Fan von Lionel Messi. Und wenn ich auf die jetzigen jüngeren Spieler auf meiner Lieblingsposition blicke, dann schaue ich sehr gerne Alphonso Davies zu, der in seinen Offensiv- und Defensivaktionen so spielt, wie ich es auch mag.

Du spielst in der U20-Nationalmannschaft. Nun ist euer Trainer Anthony Hudson auch interimsweise Nachfolger von Gregg Berhalter. Wann gibst du dein Debüt für das A-Team?

Kevin: Eigentlich fühle ich mich dafür bereit, aber alles braucht seine Zeit. Zunächst einmal muss ich mein Ding machen und meine Leistungen für den VfL Wolfsburg bringen. Dann werde ich sicherlich auch im Nationalteam meine Chance erhalten. Momentan steht das aber nicht in meinem Fokus. Wichtig ist es, weiterhin gute Leistungen für den VfL zu zeigen.

Wie zufrieden bist du mit deiner bisherigen Bilanz bei den Wölfen, was Einsatzzeiten angeht?

Kevin: Ich musste mich als 18-Jähriger zunächst einmal an die neue Umgebung gewöhnen und natürlich an die Bundesliga. Ich lerne eine Menge von der Mannschaft und meine Einsatzzeiten und Spielminuten werden nach und nach mehr. Inzwischen habe ich auch mein erstes Tor geschossen und Vorlagen gegeben, konnte meine Kreativität auf dem Platz zeigen. Das ist ein Prozess, der nicht aufhört.

Dein Bundesliga-Debüt hast du beim 4:0 gegen Bielefeld in der vergangenen Saison gegeben, dein erster Startelfeinsatz folgte in dieser Spielzeit beim 2:2 in Leverkusen, dein später erster Bundesliga-Treffer gelang dir beim 1:2 in Bremen, beim jüngsten 1:1 gegen Union Berlin gab es deinen wichtigen Assist auf Patrick Wimmer. Welcher Moment war am emotionalsten? Was bleibt dir am meisten in Erinnerung?

Kevin: Ich würde sagen, mein Tor in Bremen, auch wenn wir das Spiel am Ende leider verloren haben. In der Woche davor haben wir gegen Freiburg gespielt und ich habe meine erste Torvorlage gegeben. Und eine Woche später habe ich dann erstmals getroffen, das war schon eine total verrückte Woche für mich.

Nun geht es zum VfB Stuttgart. Wie schätzt du die Schwaben ein?

Kevin: Beim letzten Aufeinandertreffen im Hinspiel waren sie ein unangenehmer Gegner, ein starkes Team.  Aber wir sind auch sehr stark. Wir als Mannschaft und ich persönlich werden alles dafür geben, unsere Leistung zu bringen und dieses Duell zu gewinnen. Und ein Sieg wäre natürlich wichtig für uns, weil wir in der kommenden Saison gerne im europäischen Wettbewerb mitspielen wollen.

Matchcenter: Alle Infos zur Partie der Wölfe