Männer

„Das Herz auf dem Platz lassen“

Marius Müller vor dem Heimspiel gegen Leverkusen im Spieltags-Interview.

Dass zweite Torhüter im Aufgebot erst spät oder auch gar nicht in eine Spielzeit eingreifen, bringt ihre Aufgabe allgemein mit sich. Als Marius Müller während der Auswärtspartie in Frankfurt nun unverhofft für den verletzten Kamil Grabara eingewechselt wurde, bedeutete das jedoch nicht nur seine VfL-Saisonpremiere, er kam auch erstmals überhaupt zu einem Einsatz in der Bundesliga. Mit welch gemischter Gefühlslage er seinen Einstand als Erstliga-Wolf erlebt hat, wie er seine Rolle im Team grundsätzlich interpretiert und wie er nun das Heimspiel gegen den Meister angeht, das verriet der 31 Jahre alte VfL-Schlussmann im Interview.

Marius Müller, sagt dir der Name Steve Marlet etwas?

Marius Müller: Boah, schwierig. Auf Anhieb nicht, ehrlich gesagt.

Das war ein französischer Mittelstürmer, der Mitte der Nullerjahre ein Wolf gewesen ist. Er hat in 21 Partien ein Tor erzielt – und war in der VfL-Historie der einzige Spieler, der bei seinem Bundesligadebüt älter war als du. Sehr knapp übrigens: Er war nur einen Monat später dran.

Marius: Oh danke, das ist aber charmant (lacht). Mensch, dann hätte ich den ja beinahe noch hinter mir gelassen. Aber vielleicht kriege ich ihn ja noch bei den Toren.

Seit letztem Sonntag bist du also offiziell ein Bundesligatorwart. Wie fühlt sich das an? Spürst du einen Unterschied?

Marius: Im Moment der Einwechslung war es zumindest nicht so. Da musste ich erstmal zusehen, etwas Ruhe aufs Feld zu bekommen. Aber im Nachgang habe ich mir das natürlich schon noch bewusster vor Augen geführt. Die Bundesliga war ein Ziel, auf das ich sehr lange hingearbeitet habe. Es war immer mein Antrieb, auch in schwierigen Zeiten meiner Laufbahn, das einmal zu schaffen. Von mir ist insofern ein bisschen was abgefallen. Das hat sich schnell aber wieder gelegt, denn nun geht es ja auch schon weiter. 

Wenn man an dieser Schwelle steht und als erfahrener Keeper in die Bundesliga wechselt, dann malt man sich diesen Augenblick sicherlich aus. War es in Frankfurt so, wie du es dir vorgestellt hattest?

Marius: Besser hätte ich es mir jedenfalls nicht vorstellen können, weil ich ja keine halbe Stunde von Frankfurt entfernt aufgewachsen bin. Genau in diesem Spiel hatte ich viele Freunde und Familienmitglieder im Stadion: Mein Vater war da, meine Schwester, mein Schwiegervater und mein bester Kumpel beispielweise. Wenn du dann dein erstes Spiel machst vor den Augen der Menschen, die genau wissen, was es dir bedeutet und du es hinterher persönlich mit ihnen teilen kannst, dann ist das sehr besonders. Ich betrachte das aber auch aus einem anderen Blickwinkel, weil ich anderswo selbst die Nummer eins gewesen bin und mich dann verletzt habe. Daher weiß ich, dass solche Momente brutal sind. Ich fühle mit Kamil, denn eine Verletzung wünscht man niemandem. Gleichzeitig ist es mein Job, das auszublenden und alles dafür zu geben, der Mannschaft nun der gleiche Rückhalt zu sein, wie Kamil es bisher war.

Als zweiter Mann hält man sich ständig bereit, um in der Regel dann doch nicht zu spielen. Wie kommst du grundsätzlich klar mit dieser Drucksituation?

Marius: Bevor ich hierher kam, war ich ja fünf oder sechs Jahre eigentlich durchweg die Nummer eins. Deshalb weiß ich, wie wichtig es für den Stammtorwart ist, Unterstützung im Torwartteam zu spüren. Ich hatte mir immer vorgenommen: Wenn ich diesen Schritt Bundesliga noch einmal gehen kann, auch als Nummer zwei, dann will ich das genauso umsetzen wie die Jungs, die immer hinter mir gestanden haben. Denn für das große Ganze, den Erfolg mit dem Verein, ist das unheimlich förderlich. Dass diese Rolle hier auf mich zukommen würde, wusste ich ja. Und da ist es eben meine Pflicht, mich täglich so vorzubereiten, dass die Mannschaft, wenn der Moment kommt, auch das nötige Vertrauen in mich hat und weiß: Auf den können wir uns verlassen. Genau das versuche ich jeden Tag vorzuleben. 

Inzwischen steht fest, dass du auch am Samstag im Tor stehen wirst. Zum ersten Mal läufst du dann in die Volkswagen Arena ein. Was wird das mit dir machen?

Marius: Ganz nüchtern betrachtet wird es ein Fußballspiel sein wie jedes andere auch, das ich in meinem Leben bestritten habe. Und sobald es angepfiffen ist, habe ich nur noch den Erfolg im Blick. Trotzdem freue ich mich aber riesig darauf, mich in meinem neuen Heimatstadion nun den eigenen Fans zeigen zu können. Auch das wird etwas sehr Besonderes sein.

Wie läuft aktuell die Woche zwischen Frankfurt und Leverkusen? Ist dein Training ein anderes, wenn bereits feststeht, dass du spielen wirst?

Marius: Tatsächlich hatten mir Pascal und Pavo angeboten, dass wir auch etwas anders machen können, wenn ich es möchte. Wobei natürlich sowieso nicht jede Trainingswoche inhaltlich genau gleich ist. Wie gesagt versuche ich aber ohnehin jeden Tag, 100 Prozent zu geben und mich immer so vorzubereiten, als würde ich spielen. Inzwischen bin ich ja auch schon volle sieben Monate da. Die Abläufe passen wunderbar, da möchte ich gar nichts ändern.

In deinem ersten Heimspiel geht es also gleich mal gegen den Deutschen Meister. Was ist da drin für euch?  

Marius: Wir gehen mit dem Anspruch rein, erfolgreich Fußball zu spielen, also drei Punkte zu holen. Klar muss man immer abwägen, wer der Gegner ist. Und wir bekommen es ohne Frage mit einer tollen Mannschaft zu tun. Ich glaube aber, wir haben in dieser Saison schon häufiger gezeigt, dass wir auch gegen die Großen bestehen können, wenn jeder seine Aufgabe erledigt und wir uns auf uns selbst konzentrieren. Wir haben Dortmund und Leipzig geschlagen, zweimal die Bayern lange geärgert und genauso Leverkusen im Hinspiel. Deswegen denke ich: Wenn wir alles in die Waagschale werfen und jeder sein Herz auf dem Platz lässt, dann wird es gut ausgehen.

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