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„Es hat trotzdem Spaß gemacht“

Ex-VfL-Keeper Joachim Diehl über die Saison 1974/1975 inklusive Gastspiel auf St. Pauli.

Rund 50 Jahre sind vergangen, seit nicht nur der VfL Wolfsburg, sondern auch der Gegner vom kommenden Samstag zu den Gründungsmitgliedern der 2. Liga gehörten. Folglich gab es auch zwei direkte Duelle. Eines davon am 21. Dezember 1974, in dem Grün-Weiß allerdings den auffällig Kürzeren zog. Hautnah dabei war Joachim Diehl, seinerzeit Torwart im Team von Imre Farkaszinski. Im Interview erinnert sich der 74-Jährige, der eigentlich im kanadischen Busch lebt, aber aktuell in seiner Heimat Helmstedt weilt, indes nicht nur an ein wildes Spiel in wilden Zeiten, sondern auch an eine grundsätzlich aufregende Pioniersaison und ganz speziell an seinen folgenreichen allerersten Trainingstag.

Joachim Diehl, Sie leben seit geraumer Zeit in Kanada. Hängt die Entscheidung, Deutschland zu verlassen, mit dem Auswärtsspiel beim FC St. Pauli im Jahr 1974 zusammen?

Joachim Diehl: (lacht) Ganz so tief saß der Stachel damals dann doch nicht. Die Auswanderung hatte familiäre Gründe. Mein Schwiegervater hatte einst in Kanada ein Haus besessen. Als unsere Tochter klein gewesen ist, waren wir dort öfter im Urlaub. Im Jahr 2010 haben meine Frau und ich ihr dann einen großen Wunsch erfüllt und sind ganz übergesiedelt.

Wir fragen, Sie ahnen es sicherlich, weil derVfL dort seinerzeit mit 2:10 unter die Räder gekommen ist. Mal ganz vorsichtig gefragt: Wie konnte das passieren?

Diehl: Tja, richtig erklären kann ich es auch nicht mehr. Ich meine, dass wir anfangs sogar ganz ordentlich mitgehalten haben. Noch zur Halbzeit lagen wir ja nur mit 1:2 hinten. Auf jeden Fall habe ich noch „Farka“ im Ohr, wie er hinterher zu uns sagte: „Jungens, heute habe ich euch mal gezeigt, wie offensiv gespielt wird.“ Er war ja von Haus aus eher defensiv orientiert.

Das Resultat lässt vermuten, dass Sie als Schlussmann die ärmste Sau auf dem Platz gewesen sind. 

Diehl: Das Gefühl hatte ich auch. Wobei die Bild-Zeitung damals sinngemäß schrieb: ‚Wenn Torwart Diehl nicht so einen guten Tag gehabt hätte, wären auch 15 Tore möglich gewesen.‘ Ich glaube, den Artikel habe ich irgendwo noch. Kurz nach dem Spiel hatten wir übrigens unsere Weihnachtsfeier. Dort haben wir das Ganze dann mit Galgenhumor genommen.

Sie waren damals neu im Verein und eigentlich die Nummer zwei hinter Stammkeeper Michael Maaß. Trotzdem haben Sie in der Spielzeit 1974/1975 ingesamt elf Spiele gemacht.

Diehl: Ja, Michael war am Schienbein verletzt. Deswegen durfte ich ab dem Auswärtsspiel in Aachen ins Tor. Das war direkt ein tolles Erlebnis. Bis zur Winterpause blieb ich im Kasten, danach kehrte Michael zurück.

Den Spitznamen hat mir „Farka“ gleich am ersten Trainingstag verpasst. ‚Schaut euch an diese Torwart – rank und schlank wie eine Tanne’, hat er vor versammelter Truppe mit seinem berühmten ungarischen Akzent gesagt. Bis heute werde ich so genannt. Sogar in Kanada, wenn ich aus der Heimat angerufen werden.
Joachim Diehl

Hat man Sie zu diesem Zeitpunkt schon „Tanne“ genannt?

Diehl: Allerdings. Den Spitznamen hat mir „Farka“ gleich am ersten Trainingstag verpasst. ‚Schaut euch an diese Torwart – rank und schlank wie eine Tanne’, hat er vor versammelter Truppe mit seinem berühmten ungarischen Akzent gesagt. Bis heute werde ich so genannt. Sogar in Kanada, wenn ich aus der Heimat angerufen werden.

Wenn man auf die Frisuren, die Rasenplätze und auch solche Ergebnisse schaut, dann scheint diese allererste Zweitligasaison ein gewaltiges Abenteuer gewesen zu sein.

Diehl: Genau das war es. Und so sind wir das Ganze auch angegangen. Keiner wusste, wo es langgeht. Aber wir haben versucht, das Beste daraus zu machen. Leider hat es zum Klassenerhalt nicht ganz gereicht. Trotzdem hat dieses Zweitligajahr großen Spaß gemacht.

Genau 50 Jahre später: Welche Kontakte sind noch geblieben?

Diehl: Mit Dieter Winter, der damals zusammen mit mir verpflichtet worden ist, stehe ich regelmäßig im Austausch. Auch mit Holger Busse, der später dazugestoßen ist, und mit Fredi Rotermund. Ab und zu auch mit Ingo Eismann.

Verfolgen Sie die Spiele der Wölfe in Kanada?

Diehl: Oh ja, das mache ich. Meist schaue ich mir die Höhepunkte übers Internet an. Zumindest weiß ich immer, wie der VfL dasteht und was so los ist im Verein. Die privaten Kommentare von Fredi Rotermund und Dieter Winter runden das Ganze dann ab (lacht).

Wie schätzen Sie die Kräfteverhältnisse für das Duell am Samstag ein?

Diehl: Einfach wird das sicherlich nicht. Wenn ich nach meinem Bauchgefühl gehe, dann sollte ein knapper Auswärtssieg aber möglich sein. In jedem Fall werde ich mir das Spiel anschauen. Schade, dass es nicht in der Volkswagen Arena stattfindet. Sonst wäre ich ganz sicher gekommen.

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