Männer

Entgegen allen Widerständen

Wie ein Film Vaclav Cerny durch schwere Zeiten geholfen hat.

VfL-Wolfsburg-Spieler Vladislav Cerny dribbelt im Training mit dem Ball.

Der VfL Wolfsburg ist für Vaclav Cerny die erste Profistation außerhalb der Niederlande. Das einstige Top-Talent aus Tschechien ist in der Akademie von Ajax Amsterdam zum gestandenen Flügelflitzer gereift und hat in den vergangenen Jahren für Furore gesorgt. In der niederländischen Eredivisie hat der 25-Jährige aber auch große Hürden nehmen müssen. Wir haben mit Cerny über seine Anpassungsfähigkeit, einen bedeutungsvollen Namen und seine ESPN-Dokumentation gesprochen.

Hi Vaclav, du bist inzwischen seit einem Monat in Deutschland. Du hast mal in einem Interview gesagt, dass du Niederländisch in einer Rekordzeit von sieben Monaten gelernt hast. Wie lange wird es für Deutsch brauchen?

Vaclav Cerny: Ich befürchte, ganz so schnell wird es nicht gehen (lacht). Als ich damals nach Holland gewechselt bin, war ich 15 Jahre alt und stand unter etwas mehr Druck. Denn in diesem Alter sprechen die Mitspieler noch nicht so gutes Englisch, also musst du dich anpassen. Ich möchte aber so schnell es geht die Basics lernen und habe mir ein Ziel gesetzt: Zum Ende der nächsten Saison will ich Interviews auf Deutsch geben.

Wie lernst du neue Sprachen?

Cerny: Ich benutze eine App namens Duolingo, habe aber auch tschechisch-deutsche Bücher. Die haben meine Freundin Denisa und ich nach unserem Umzug von ihren Eltern geschenkt bekommen. Und wir werden natürlich auch Unterricht nehmen.

Wie kommt es, dass du dich schon so früh um solche Dinge bemühst?

Cerny: Das liegt in meiner Natur. Mit meinem Wechsel in die Jugend von Ajax Amsterdam hat sich für mich alles geändert, das war am Anfang natürlich nicht leicht. Ich habe aber auch gesehen, dass die Leute es schätzen, wenn man bemüht ist, etwas über ihre Kultur zu erfahren. Ich möchte zeigen, dass ich wirklich interessiert bin. Deutsch ist mit Sicherheit auch nicht meine letzte Sprache.

Wir sind gerade im Trainingslager in Donaueschingen, da muss man sich natürlich um nicht viel kümmern. Wie geht’s in Wolfsburg voran?

Cerny: Wir leben etwas außerhalb des Stadtzentrums und sind tatsächlich auch schon mit der gesamten Einrichtung fertig. Unser Haus ist wunderschön. Es fühlt sich jetzt schon wie ein Zuhause an, das war Denisa und mir besonders wichtig.


Ihr habt auch noch weitere Mitbewohner… 

Cerny: Genau, wir haben zwei Hunde. Shorty ist eine französische Bulldogge und dann ist da noch Rocky, ein Mix aus Siberian Husky und Pomeranian. 

Beim Namen Rocky wird man natürlich gleich hellhörig. Der Name hat aber nicht zufälligerweise etwas mit der Filmreihe zu tun, oder?

Cerny: Doch! Die Filme haben eine besondere Bedeutung für mich, sie haben mir durch harte Zeiten geholfen. In meiner Karriere hatte ich zwei schwere Knieverletzungen, 2017 bei Ajax und 2020 im Trikot von Twente. Mein Vater hat mir schon immer gesagt, dass ich ein Kämpfer sein muss und Rocky war einfach das perfekte Vorbild. Eine Person, die sich mit harter Arbeit entgegen allen Widerständen an die Spitze kämpft und beweist, dass sie unschlagbar ist – im Ring und im Kopf. Diese Mentalität ist nach einer Verletzung goldwert. 

Gab es einen Zeitpunkt, an dem du Angst hattest, dass deine Karriere vorbei ist?

Cerny: Nein, ich habe niemals solche Gedanken gehabt. Rückblickend bin ich sogar sehr dankbar für diese Verletzungen, weil sie mich zu dem Menschen gemacht haben, der ich heute bin und mir gezeigt haben, wozu ich mental und körperlich imstande bin.

Es ist zwar keine mehrteilige Filmreihe wie Rocky, aber der Fernsehsender ESPN hat eine Dokumentation über dich gedreht.

Cerny: Anfangs war ich von dieser Idee so gar nicht begeistert. Die Hinrunde in der Saison 2020/2021 lief wirklich super, dann kam die Verletzung. Ich war niedergeschlagen, wollte für mich sein. Als ich mich dann aber etwas länger mit dieser Idee auseinandergesetzt habe, dachte ich mir: „Wieso nicht?“ So hat mich das ESPN-Team für eine Weile auf dem Weg zurück begleitet.

Du bist in deiner Jugend ein heiß umworbenes Talent gewesen, hast unter anderem Probetrainings bei Juventus Turin und dem Hamburger SV absolviert… 

Cerny: Ich war auch zweimal beim FC Chelsea. Es war eine harte Entscheidung, aber nachdem ich zum zweiten Mal auf dem Gelände von Ajax Amsterdam war, habe ich gesagt: „Hier will ich bleiben.“

Wie sind die ganzen Klubs eigentlich auf dich aufmerksam geworden?

Cerny: Ich habe schon immer mit Jungs zusammengespielt, die ein, zwei oder sogar drei Jahre älter waren. Mit 14 war ich beispielsweise Teil der tschechischen U17-Nationalmannschaft. Da ist es klar, dass viele Augen auf mich gerichtet waren. Aber das war mir eigentlich relativ egal, ich wollte einfach nur Fußball spielen. Als dann die ganzen Einladungen zu Probetrainings aus ganz Europa kamen, habe ich realisiert, dass ich es wirklich schaffen kann.

Du bist in Pribram aufgewachsen, das ist etwa 60 Kilometer von Prag entfernt. Wie hat dein Alltag vor dem Wechsel in die Niederlande ausgesehen?

Cerny: Ich hatte keine „normale“ Jugend. Ich war auf einer Fußballschule, die eine Kooperation mit meinem Jugendklub hatte. Für mich bedeutete das zusätzliche Einheiten – nicht nur auf dem Platz, sondern auch im Wasser oder beim Turnen. Nach der Schule hat mich mein Vater abgeholt und zum Training gefahren. Danach noch ein gemeinsames Abendessen mit meiner Familie und Hausaufgaben. So richtig viel Freizeit gab es nicht. 

Die ganze Arbeit hat sich ausgezahlt. Würdest du es genauso wieder tun?

Cerny: Millionen Mal. Es war einfach besonders, auch die Beziehung zu meinem Vater. Rückblickend schätze ich seine Art sehr. Er war immer ehrlich und hat mich gepusht, obwohl er wusste, dass ich in meiner Altersklasse der Beste war.