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„Das große Ganze“

VfL-Keeper und „Event-Manager“ Pavao Pervan im Interview vor dem Freiburg-Spiel über seine besondere Rolle als Nummer zwei im Tor und im Wölfe-Team.

Pervan blickt konzentriert zum Angreifer.

Sportlich stand Pavao Pervan in dieser Spielzeit nur selten im Fokus. Trotzdem gilt der 35-jährige Ersatz von Stammkeeper Koen Casteels als unverzichtbarer Bestandteil im Mannschaftsgefüge der Wölfe. Wie der Österreicher abseits des Platzes mit seiner Rolle als „Klima-Aktivist“ und „Event-Manager“ umgeht, erklärt Pervan im Interview vor dem wichtigen Freiburg-Spiel. Zudem verrät er den Hintergrund eines überraschenden Details in seinem Wikipedia-Eintrag, spricht über seine beruflichen Zukunftspläne und natürlich über die spannende Endphase dieser Spielzeit.

Pavao Pervan, nach insgesamt 34 Pflichtspielen für die Wölfe in den letzten vier Jahren standest du in dieser Spielzeit nur ein einziges Mal zwischen den Pfosten – ausgerechnet beim 1:2-Pokalaus bei Union Berlin. Wie hast du diese Saison erlebt?
 
Pavao Pervan: Ich glaube, wir haben am Anfang etwas gebraucht, um reinzukommen. Es gab einen neuen Trainerstab, eine neue Philosophie – da spielt natürlich vieles zusammen. Danach haben wir sehr gut zu uns gefunden, nicht nur auf dem Rasen, sondern auch abseits des Platzes. Wir haben eine sehr gute Serie gestartet, die wir dann auch lange Zeit halten konnten. In der Rückrunde haben wir gut begonnen und dann leider wieder etwas nachgelassen. Und jetzt sind wir wieder genau zum richtigen Zeitpunkt da und haben alles in unseren eigenen Händen. Wir hoffen, dass wir das jetzt gut über die Ziellinie bringen.

Und aus persönlicher Sicht?

Pavao: Persönlich gesehen hängen Einsätze ja leider meist von der Verletzung der Nummer eins ab, deswegen ist es natürlich immer das mögliche Los des zweiten Torhüters, nicht zu spielen. Trotzdem glaube ich, dass ich bisher insgesamt hier eine sehr, sehr gute Zeit hatte und auch viele Spiele machen konnte. Auf jeden Fall waren da auch einige wichtige Spiele dabei, nicht nur in der Bundesliga, sondern auch in der Europa League und Champions League. Ich durfte das alles mal erleben und es waren einfach tolle Erfahrungen. Ich bin ein Mensch, der sehr geduldig auf den Moment hinarbeitet und wenn die Chance dann kommt, versuche ich sie zu nutzen. Im Sport ist es einfach so, dass es leider nicht immer so läuft, wie man es gern hätte, sondern es gibt mal Höhen und mal Tiefen. Ich versuche einfach, die Mannschaft bestmöglich zu unterstützen.

In der Vorbereitung dieses Interviews stolperte ich über spannende Dinge in deinem Wikipedia-Eintrag, zum Beispiel, dass dein zweiter Verein SC Gaswerk / Straßenbahn hieß. Ebenfalls dort zu finden ist der Halbsatz „Pervan, der in seiner Landesligazeit als recht unsportlich galt…“. Das empfand ich als kurios, hast du doch bei den Wölfen den Ruf eines untadeligen und sehr respektvollen Sportsmanns. Waren das also kleine Jugendsünden oder ist es schlicht eine Fehlinterpretation?

Pervan: Sagen wir mal so: Ich würde mich jetzt nicht als unfairen Sportsmann bezeichnen, aber ich war schon in der Hinsicht ein Heißsporn, dass ich leicht zu provozieren war von den Gegnern und schnell mal ausgeflippt bin – einfach, weil ich überehrgeizig war. Vielleicht ist das damit gemeint. Es bezieht sich wahrscheinlich auch auf eine Gelb-Rote Karte, das war eigentlich eine lustige Situation: Ich habe innerhalb von zehn Sekunden zweimal Gelb bekommen, weil ich dem Gegner den Ball immer vor die Nase gehalten und dann wieder zurückgezogen habe (lacht). Das war natürlich eine Unsportlichkeit, aber ich glaube, es gibt viel schlimmere Dinge. Ich habe aber auch aus gewissen Dingen viel für mein Leben gelernt und würde sagen, dass ich heute eine bessere Version von mir bin.

Immer wieder wurde in der Vergangenheit von Mitspielern und Klubführung neben deinen sportlichen Qualitäten auch dein besonderer Wert im Mannschaftsgefüge der Wölfe hervorgehoben – der „kicker“ nannte dich in einem Wortspiel sogar „Klima-Aktivist“. Letztlich hast du dir den Ruf eines perfekten Back-ups auf der Torhüterposition erarbeitet. Wie wichtig ist dir ein solches Feedback?

Pavao: Es freut mich sehr, weil es natürlich auch eine Riesen-Wertschätzung ist, wenn die Leute drumherum mich so sehen und einschätzen. Es bestätigt mich einfach in meiner Arbeit und motiviert mich, noch mehr daran zu arbeiten. Ich bin generell ein Typ, der nicht einfach irgendwo hinkommen möchte und eines Tages wieder weg ist und niemand erinnert sich an mich. Sondern ich möchte etwas hinterlassen, am liebsten natürlich im positiven Sinne. Ich möchte einfach etwas bewegen – egal, wo ich bin und in welcher Rolle. Ich glaube, es gibt immer Wege, etwas Gutes zu tun und so seine Fußstapfen zu hinterlassen. Man muss einfach nur genau hinsehen, um zu sehen, was man bewirken kann. Außerdem glaube ich daran, dass man viel Gutes zurückbekommt, wenn man viel Gutes gibt. Gerade in einem Mannschaftssport ist das enorm wichtig, weil wir alle das gleiche Ziel verfolgen. Natürlich gibt es auch persönliche Ziele, aber vor diesen steht einfach das große Ganze. Und ich glaube, wenn wir jedes Jahr Champions League spielen würden, würde sich keiner beschweren. Und wenn man einen Torhüter vor sich hat, der zu den zwei, drei besten in der Bundesliga gehört, dann ist das natürlich auch nochmal etwas Besonderes.

Du bist Teil des Mannschaftsrates, Kassenwart und organisierst immer mal wieder Mannschaftsabende und Events? Welche Kriterien spielen dabei für dich eine besondere Rolle?

Pavao: Es ist gar nicht so einfach, für eine solch große Gruppe den richtigen Moment und Ort zu finden. Es muss zeitlich passen und ist natürlich auch immer ein bisschen an die Ergebnisse gebunden, weil wir oftmals auch gerne in anderen Städten etwas gemeinsam unternehmen, um mal rauszukommen und einen Tapetenwechsel zu haben. Es ist enorm wichtig, auch mal über andere Dinge als Fußball zu reden und an diesen Abenden soll ein Miteinander entstehen. Natürlich gibt es einige Hürden bei der Organisation, das ist gar nicht so einfach – deswegen habe ich übrigens einen Riesenrespekt vor unserer Event-Abteilung, wie gut sie so etwas immer auf die Beine stellt. Aber es macht Spaß und das Schönste ist für mich natürlich, wenn ich sehe, dass die Jungs Freude haben. Ich selbst bin an den Abenden meist angespannt, weil ich möchte, dass alles so perfekt wie möglich läuft und alle ihren Spaß haben. Bis jetzt hat das ganz gut geklappt und ich glaube, dass uns diese Abende und Events enorm weitergeholfen haben – auch auf dem Platz. Eines ist allerdings wichtig: Ich muss bei der Planung den ganzen Verein im Blick haben. Es geht ja auch um Außendarstellung – und wenn man fünfmal hintereinander verloren hat und dann zum Beispiel in München bleibt, um Party zu machen, wäre das nicht gut. Das wirkt auf die Fans dann möglicherweise so, als ob uns alles egal wäre. Aber im Gegenteil: Gerade in solchen Phasen wollen wir als Mannschaft zusammenrücken und etwas tun, um wieder gemeinsam aus dieser Situation herauszufinden. Das ist dann immer ein schmaler Grat.

Du giltst durchaus auch als meinungsstarker Sportler, so hast du dich unter anderem in der damals sehr emotionalisierten Diskussion um Corona-Impfungen vor Josuha Kimmich gestellt und die gesellschaftliche Spaltung kritisiert. Gleichzeitig verzichtest du bewusst auf Social Media, was auch bei Fußballern heute sehr ungewöhnlich ist. Warum?

Pavao: Ich muss ehrlich sagen, dass die Zeit mit Familie und Freunden für mich zu wertvoll ist, um noch zusätzlich Zeit in Social Media zu investieren. Ich glaube, dass man sehr schnell süchtig wird nach den sozialen Medien, nach den Bestätigungen. Für mein Befinden bin ich so schon so zu viel am Handy, auch das möchte ich in Zukunft reduzieren. Natürlich ist es wichtig, auch ein bisschen up-to-date zu bleiben, aber ich bin nicht der Typ, der gerne Fotos von sich oder seiner Familie postet. Ich bin eher einer, der in der Freizeit zwar gerne fotografiert oder Videos macht – aber lieber von Landschaften oder anderen Menschen. Auch wenn es vielleicht nicht zu meinem Job passt, bin ich lieber derjenige hinter der Kamera.

Ich möchte so lange wie möglich Fußball spielen, weil es das ist, was ich am meisten liebe. Man kann in unserem Job nicht wahnsinnig weit vorausplanen, weil sich alles immer sehr schnell ändern kann. Deswegen hätte ich nichts dagegen, wenn es erstmal so weiterläuft wie bisher.
Pavao Pervan

Du bist jetzt 35, dein Vertrag läuft noch bis 2024. Hast du dir bereits Gedanken gemacht, wie es dann weitergeht?

Pavao: Ich möchte so lange wie möglich Fußball spielen, weil es das ist, was ich am meisten liebe. Man kann in unserem Job nicht wahnsinnig weit vorausplanen, weil sich alles immer sehr schnell ändern kann. Deswegen hätte ich nichts dagegen, wenn es erstmal so weiterläuft wie bisher. Natürlich kann man Dinge immer besser machen, aber man muss auch zufrieden sein und das zu schätzen wissen, was man hat. Und das tue ich. Solange ich mich wohlfühle und mein Bauchgefühl mir sagt, dass ich hier am richtigen Ort bin, werde ich alles dafür tun, dass es auch weiterhin so bleibt.

Was sind deine Pläne für die Zeit nach deiner aktiven Karriere?

Pavao: Ich möchte gerne im Torwarttrainer-Bereich arbeiten, das würde mir enorm Spaß machen und ich glaube, da könnte ich viel weitergeben. Ich kenne die Rolle der Nummer eins, weil ich sie bei meinem Ex-Verein inne hatte. Ich kenne die Rolle der Nummer zwei, weil ich sie hier in Wolfsburg ausfülle. Ich weiß, wie man sich dabei fühlt und ich weiß auch, auf was man zwischenmenschlich in einer Gruppe achten muss. Mit Pascal Formann habe ich beim VfL zudem einen hervorragenden Trainer, der mir vorlebt, was es heißt, wirklich tagtäglich professionell an diese Aufgabe heranzugehen. Ich habe mir geschworen, dass ich immer im Leben versuchen werde, das zu machen, was mir wirklich Spaß macht. Wenn mich etwas interessiert, mache ich das mit 120 Prozent. Generell glaube ich, dass es nach der Karriere für viele Sportler sehr schwer wird, weil du in deiner aktiven Zeit das machst, was dein Hobby ist und danach dann ein anderes Leben auf dich wartet. Man muss bereit sein für Veränderungen, ich will dafür gewappnet sein.

Ihr habt nach der 0:6-Schlappe in Dortmund eine gute Reaktion gezeigt und seid durch das jüngste 2:1 gegen Hoffenheim sogar bis auf den wichtigen sechsten Platz geklettert. Nun folgen noch zwei eminent wichtige Partien. Was spricht dafür, dass ihr am Ende vor Leverkusen und Co. bleibt?

Pavao: Ich hoffe, dass wir am Ende die Nase vorne haben, weil wir athletisch in einer Topverfassung sind. Ich glaube, dass jetzt das Mentale eine große Rolle spielt. Da gilt es einfach, die Laune der Spieler hochzuhalten und ein gutes Klima beizubehalten, damit wir uns wirklich voll und ganz auf die letzten beiden Spiele fokussieren und das große Ganze vor unseren Augen sehen. Zudem hoffe ich, dass die Leverkusener vielleicht auch ein bisschen abgelenkt waren durch die Europa League, dass das Kräfte gekostet hat. Denn natürlich sind sie eine Topmannschaft und da brauchen wir auch ein bisschen das berühmte Quäntchen Glück. Ich glaube, dass wir uns das mit unserer konsequenten Arbeit über das ganze Jahr verdient hätten. Natürlich haben wir auch viele Punkte unnötig hergeschenkt, was bei einer so jungen Mannschaft wie unserer, der zweitjüngsten in der Bundesliga, als Lernprozess auch dazugehört.

Am Freitagabend geht es nach Freiburg, das ziemlich unberechenbar wirkt. Die Breisgauer spielen eine fantastische Saison, kämpfen sogar noch um die Königsklasse. Andererseits gingen sie im Hinspiel in Wolfsburg mit 0:6 unter und haben zuletzt drei Pflichtspiele in Folge verloren. Wie schätzt du die Streich-Elf ein und was ist der Schlüssel zum Erfolg für Freitagabend?

Pavao: Ich glaube, dass die Freiburger mental sehr gefestigt sind und dazu großes Vertrauen in die Fähigkeiten und den Matchplan ihres Trainers haben. Sie spielen zuhause und haben eine sehr, sehr gute Stimmung im neuen Stadion. Sie sehen das große Ziel Champions League vor Augen. Das wird ein ganz, ganz harter Brocken für uns. Wir können uns von dem 6:0 aus dem Hinspiel nicht viel kaufen, in der Zwischenzeit ist viel passiert und die Freiburger brennen sicher auch auf eine Revanche. Wir werden von Anfang an alles dagegenhalten müssen, dass wir den ersten Ansturm überstehen und selbst den Ball viel in den eigenen Reihen halten. Ich glaube, es wird ein sehr zweikampfbetontes Spiel. Es wird vielleicht kein Leckerbissen, es zählt einfach nur das Resultat. Und ich hoffe, dass wir dann letztlich als Sieger vom Platz gehen.

Matchcenter: Alle Infos zur Partie der Wölfe