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„Vor uns liegen große Herausforderungen“

Benchmark und Balanceakt: VfL-Geschäftsführer Michael Meeske im Interview.

In den vergangenen Wochen und Monaten hat es einen ordentlichen Ruck in den Reihen des VfL Wolfsburg gegeben. Acht Spieltage vor Saisonende wurde mit Ralph Hasenhüttl ein neuer Cheftrainer installiert, kürzlich präsentierten die Wölfe mit Peter Christiansen ihren neuen Geschäftsführer Sport. Wieso diese Konstellation eine große Chance birgt, auf welchem Gebiet der VfL die Benchmark der Bundesliga ist und wobei es die perfekte Balance braucht, darüber spricht VfL-Geschäftsführer Michael Meeske im Interview.

Michael Meeske, die abgelaufene Spielzeit war für die Grün-Weißen von vielen Rückschlägen geprägt. Wie lautet Ihr persönliches Fazit?

Michael Meeske: Unter dem Strich war der Saisonverlauf sicherlich eine Enttäuschung – auch wenn wir bei den Männern mit einem positiven Trend zum Saisonende das Schlimmste abwenden konnten. Wir hatten immer wieder Phasen, in denen man gesehen hat, was die Mannschaft eigentlich kann, uns fehlte aber diesbezüglich die Stabilität und so haben wir letztlich zu viele Punkte liegengelassen. Bei den Frauen haben wir unser Ziel, einen Titel zu gewinnen, mit dem packenden Sieg im DFB-Pokalfinale gegen die Bayern erfüllen können. Das gibt Zuversicht und macht Lust auf das, was kommt. Selbiges gilt natürlich aber auch für den positiven Trend bei den Männern und den damit verbundenen Ausblick.

Bei den Wölfen lagen Anspruch und Realität weit auseinander. Hat sich dadurch etwas verändert?

Meeske: Wenn du dein Ziel verfehlst, steigt der Druck, es im nächsten Versuch zu erreichen. Das liegt in der Natur der Sache. Wir haben jetzt mit Ralph Hasenhüttl und Peter Christiansen zwei neue Protagonisten auf den Schlüsselpositionen, was sicherlich viel frischen Wind erzeugen kann und spannendes Potenzial für Innovation und Weiterentwicklung bietet. Dies sorgt in Verbindung mit unseren Rahmenbedingungen aber auch dafür, dass sich an den grundlegenden Zielen nichts ändern wird.

Was das Thema Nachhaltigkeit angeht, spielt der VfL Wolfsburg bereits seit langer Zeit in einer eigenen Liga. Wie bewerten Sie die Saisonleistung aus ökologischer Perspektive?

Meeske: In dieser Hinsicht war die Saison äußerst erfolgreich. Wir haben so gut wie alles an Titeln abgeräumt, was möglich ist – vom Deutschen Nachhaltigkeitspreis bis hin zum Global Sustainability Award für die Welt des Sports. Wir befinden uns auf einem sehr guten Weg und sind ein Stück weit auch die Benchmark der Bundesliga. Das gibt uns ein gutes Gefühl und motiviert enorm, genauso weiterzumachen. Vor uns liegen nämlich noch große Herausforderungen.

Wenn du dein Ziel verfehlst, steigt der Druck, es im nächsten Versuch zu erreichen. Das liegt in der Natur der Sache. Wir haben jetzt mit Ralph Hasenhüttl und Peter Christiansen zwei neue Protagonisten auf den Schlüsselpositionen, was sicherlich viel frischen Wind erzeugen kann und spannendes Potenzial für Innovation und Weiterentwicklung bietet.
VfL-Geschäftsführer Michael Meeske

Wie zum Beispiel der Schlusssprint beim „Race to Zero“. Die Uhr in der Volkswagen Arena tickt gnadenlos herunter. Wie läuft das Rennen?

Meeske: In den vergangenen Jahren hatten wir verstärkt mit externen Faktoren wie den Wirren des Weltmarktes zu kämpfen und sind deswegen noch nicht überall da, wo wir zu diesem Zeitpunkt eigentlich sein wollten. Aber wir haben einen klaren Plan vor Augen und sind auch in der Umsetzung immer flexibel, damit die bestmögliche Lösung umgesetzt werden kann.

Was ist der größte CO2-Treiber?

Meeske: Das ist ganz klar die Fanmobilität. Etwa 60 Prozent unserer Emissionen entstehen durch die An- und Abreise an Spieltagen. Grundsätzlich können wir diesen Wert nur bedingt beeinflussen, ich sehe es aber als unsere Aufgabe, die Fans weiter zu motivieren und zu incentivieren, ihre Gewohnheiten zu überdenken. Dass von heute auf morgen nicht alles durch Elektromobilität gelöst werden kann, ist uns bewusst. Wir werden auch hier eine gesunde Mischung brauchen. 

Auf welchem Weg kompensiert der VfL Wolfsburg seine verbleibenden Emissionen? 

Meeske: Wir unterstützen einige von neutralen Institutionen zertifizierte Projekte – auf globaler wie regionaler Ebene. Im Rahmen der Initiative „Vom Feld in den Fanshop“ unterstützen wir Kleinbauern in Indien bei der Umstellung auf den Anbau von Bio-Baumwolle, bei uns in der Region engagieren wir uns für die Wiederaufforstung von Waldarealen. Volkswagen ist bei der Entwicklung von eigenen Zertifikaten und Programmen sehr weit fortgeschritten und so können wir viele Synergien nutzen.

Lassen Sie uns noch über das Thema Finanzen sprechen. Die Deutsche Fußball Liga hat kürzlich die Kennzahlen der Saison 2022/2023 veröffentlicht. Der VfL Wolfsburg verzeichnete – wie auch im Vorjahr – ein Plus, allerdings kein so dickes mehr. Wie kommt das? 

Meeske: Wir sind darauf ausgerichtet, bei internationalen Wettbewerben vertreten zu sein. Wenn uns das nicht gelingt, ist automatisch Druck auf dem Transfermarkt, weil das klassische Geschäft rund um Ticketing, Merchandising und Sponsoring allein den finanziellen Aufwand – wie auch bei den meisten anderen Vereinen – nicht decken kann. Wir hängen dann stark von den Erlösen aus der Transferperiode ab. Deswegen ist ein Plus, auch wenn es nur ein kleines gewesen sein mag, sehr positiv.

Wie sieht die Prognose aus?

Meeske: In der zum 30. Juni auslaufenden Saison werden wir aller Voraussicht nach mit einem leichten Verlust leben müssen. Wir haben zwar relativ hohe Ablösen generiert, waren aber auch auf der Einkaufsseite sehr aktiv. Das ergibt in Verbindung mit dem Verpassen des europäischen Wettbewerbs einen Fehlbetrag. Uns ist aber vor allem wichtig, dass wir in einem Mehrjahreszeitraum positive Ergebnisse sehen.

Der Zuschauerschnitt lag in der vergangenen Spielzeit trotz der zwischenzeitlichen Talfahrt bei 25.917. Das ist Höchstwert seit der Saison 2016/2017. Was kann man daraus ableiten?

Meeske: Dass wir auf einem guten Weg sind. Wir sehen positive Entwicklungen in den Bereichen Merchandising und Ticketing sowie in der Außenwirkung des Klubs. Das alles ist ein Zeugnis der Arbeit, die wir tagtäglich verrichten. In Zukunft wollen wir die No-Show-Rate spürbar minimieren und auch weiter aufmerksam zuhören, um die Potenziale, die wir in der Emotionalisierung und Mobilisierung der Menschen in Wolfsburg und in der Region noch haben, auszuschöpfen.

Welches Thema ist durch aktives Zuhören auf die Agenda gekommen?

Meeske: Mir fällt da als erstes das Catering in der Volkswagen Arena ein. Mit einem neuen Partner sowie einem Ansatz, der auf Nachhaltigkeit und der Integration regionaler Betriebe basiert, haben wir Organisation und Qualität des gesamten Angebots deutlich verbessert. Das ist wirtschaftlich für uns nicht immer die effizienteste Lösung, aber wir wollen dem Fan ein optimales Erlebnis bieten. Auch die Gestaltung der Kioske im Nordkurvenbereich durch die aktive Fanszene zeigt für mich, wie ein zielführendes Miteinander aussehen sollte. Selbiges gilt aber auch für die vielfältigen Kinderfußballangebote, die wir gemeinsam mit Schulen und Partnervereinen immer weiter ausbauen.

Zuletzt hat es immer wieder Konflikte und Proteste gegeben, teilweise wurden Sie auch persönlich kritisiert. Wie gehen Sie mit solcher Kritik um? 

Meeske: Ich versuche, den Sachverhalt und die Hintergründe bestmöglich zu verstehen, um die richtigen Lehren daraus zu ziehen. Wohlwissend um die Bedeutung der aktiven Fanszene dürfen wir aber auch nicht die anderen VfL-Fans vergessen. Denn wir müssen natürlich auch für die Zuschauer vor dem Fernseher da sein oder auch für die Familien, die ihr Kind nur einmal im Jahr zum Feriencamp bringen. Deshalb müssen wir die richtige Balance zwischen den verschiedenen Interessensgruppen finden. Wir als Geschäftsführung treffen uns fünf- bis sechsmal pro Saison mit Vertretern aus der organisierten Fanszene, um Themen zu diskutieren und gemeinsam bestmögliche Lösungen zu finden. Die können nicht immer im Interesse aller Beteiligten geschehen und das führte zuletzt eben immer wieder zu Konflikten. Diese haben sich besonders in der Diskussion um einen strategischen Partner für die Bundesliga noch einmal emotional entladen. Und als derjenige, in dessen Verantwortungsbereich die Kommerzialisierung beim VfL Wolfsburg liegt, bin ich damit auch naheliegenderweise die persönliche Zielscheibe der Kritik. Aber das gehört für mich zum Job dazu. Erfolgreicher Fußball lässt sich eben nicht ohne die Anerkennung der wirtschaftlichen Realität spielen. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass wir das alle gemeinsam in der Zukunft gut hinbekommen werden, und freue mich darauf, diese zusammen mit den Menschen, die den VfL umgeben, zu gestalten.