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Vom bürokratischen Albtraum zu „Mr. Zuverlässig“

Neuzugang Mads Roerslev im Interview.

Mads Roerslev ist das neueste Gesicht im Kader von Ralph Hasenhüttl. Im Interview erzählt der 25-Jährige, welcher seiner Mitspieler beim VfL noch Schulden aus Kindheitstagen hat, warum Said Benrahma eine seiner großen Stärken hervorbrachte und wie ein kleiner bürokratischer Fehler ihn drei Monate seiner Karriere kostete.

Mads Roerslev, lass uns zu Beginn in Erinnerungen schwelgen. Was war einer der prägendsten Momente deiner Karriere?

Mads Roerslev: Das Playoff-Finale der Championship gegen Swansea im Jahr 2021. Mit dem 2:0-Sieg haben wir Brentford nach 74 Jahren zurück in die Premier League gebracht. Und ich habe auch noch das zweite Tor vorbereitet. Wie bedeutend dieser Moment war, habe ich kürzlich noch einmal zu spüren bekommen. Nach der Bekanntgabe meines Wechsels haben mich viele Nachrichten von Brentford-Fans erreicht, die meinten, dass sie diesen Assist niemals vergessen würden.

Der genaue Blick auf deine bisherigen Stationen lässt vermuten, dass es aber auch einige Tiefpunkte gegeben hat…

Mads: So ist es. Kurz nachdem ich beim FC Kopenhagen meinen ersten Profivertrag im Alter von 17 Jahren unterzeichnet habe, wurde ich zu einem kleinen schwedischen Klub namens Halmstads BK verliehen, der gerade erst in die höchste Liga aufgestiegen war. Das erste Saisonspiel haben wir direkt gewonnen. Ich habe eine gute Leistung gezeigt, daher war meine Stimmung hervorragend. Bis mich der Sportdirektor an unserem freien Tag in sein Büro bestellte. Ich war selten so nervös und fragte mich, ob ich etwas falsch gemacht hatte. Er sagte: ‚Mads, es tut mir leid, aber es gab einen Fehler bei deiner Lizenzierung.‘ Sie hatten mich versehentlich zehn Jahre älter gemacht. Dieser kleine Fehler wurde aufgrund meines Alters zu einem größeren Problem. Ich musste drei Monate auf die Entscheidung des Verbands warten, nur um zu erfahren, dass ich in der Saison nicht mehr spielen darf.

Also ging es im Mai 2017 zum FC Kopenhagen zurück. Nach zwei Jahren mit wenigen Einsätzen folgte die nächste Leihe zum dänischen Erstligisten Vendsyssel FF. Lief es dort besser?

Mads: Leider nicht, es war pures Chaos. Rückblickend muss ich mir auch einige Fehler eingestehen. Ich hatte eine zu hohe Erwartungshaltung und dachte, dass ich jede Woche zum Einsatz kommen würde. Dem war jedoch nicht so. Dann stand ich im Büro des Geschäftsführers und fragte, warum sie mich überhaupt ausgeliehen hätten. Gnadenlos ehrlich antwortete er: ‚Ich weiß nicht wirklich etwas über dich.‘ Es stellte sich heraus, dass er gar nicht an meiner Verpflichtung beteiligt war. Die Verantwortlichen, die mich verpflichtet hatten, hatten den Verein kurz vor meiner Ankunft verlassen.

Kurz nach dem Ende der nächsten enttäuschenden Leihe klopfte der FC Brentford an. Wie wichtig war der Wechsel zum damaligen Zweitligisten aus Westlondon?

Mads: Brentford war der erste Lichtblick nach langer Zeit. Ich habe dort die nächsten Entwicklungsschritte gemacht und bin auch als Mensch reifer geworden. Ich habe viele Spiele in der Championship und nach dem Aufstieg sogar in der Premier League bestritten. Man weiß nie, wie sich die Dinge sonst entwickelt hätten, aber ich bin froh, den Sprung auf die Insel gewagt zu haben. Es war bisher eine erstaunliche Reise, und ich hoffe, in Wolfsburg das nächste Kapitel zu schreiben.

Was siehst du als deine Stärken auf dem Platz?

Mads: Ich bin ein disziplinierter Verteidiger, der sich auch gerne mal in der Offensive einschaltet. Ich kenne aber meine Aufgaben in der Defensive. Eine meiner großen Stärken ist die Eins-gegen-eins-Verteidigung.

Uns ist zu Ohren gekommen, dass ein gewisser Said Benrahma seinen Anteil daran hat…

Mads: Im Training hatte ich die undankbare Aufgabe, gegen Said Benrahma zu verteidigen. Mit seiner unfassbaren Technik und Geschwindigkeit zählte er zu den besten Spielern der Liga. Er hat nicht umsonst Vier-Sterne-Skills bei EA Sports FC (lacht). Wenn du jeden Tag gegen einen solchen Spieler antrittst, kannst du nur davon profitieren. Zu meiner Anfangszeit bei Brentford war ich noch weit weg von einem Stammplatz. Als junger Spieler habe ich darin meine Chance gesehen, mich bei den Trainern ins Gespräch zu bringen.

Gibt es noch andere Spieler, von denen du in deiner Karriere viel gelernt hast?

Mads: Da gab es diesen etwas älteren norwegischen Rechtsverteidiger in Kopenhagen. Sein Name war Tom Högli. Ich war fasziniert, wie selten es jemand an ihm vorbeigeschafft hat. Denn er war weder groß noch sonderlich schnell oder explosiv. Nach dem Training hat er sich regelmäßig etwas Zeit genommen, um mir ein paar Tipps zu geben. Das zeigt seinen guten Charakter. Von ihm habe ich sehr viel über die defensiven Anforderungen an meine Position gelernt – von Abständen über Timing bis hin zum richtigen Einsatz des Körpers.

Thomas Frank, dein Trainer bei den Bees, hat dir den Spitznamen „Mr. Zuverlässig“ gegeben. Wie ist es dazu gekommen?

Mads: Ich muss gestehen, dass ich mich anfangs mit dem Spitznamen nicht so richtig anfreunden konnte. Ich wollte nicht ‚Mr. Zuverlässig‘ sein, weil sich das für mich wie Durchschnitt anhörte. Lieber wäre mir etwas wie ‚Mr. Beeindruckend‘ gewesen (lacht). Mir wurde erst später klar, was er damit wirklich meinte. Dass man mich gegen jeden Gegner in jeder Situation reinwerfen kann und ich meinen Job erledigen würde.

Beim FC Brentford hast du gemeinsam mit Vitaly Janelt und Kevin Schade gespielt. Wie war ihre Reaktion auf deinen Wechsel in die Bundesliga?

Mads: Das ist eine lustige Story. Als die Gerüchte etwas konkreter wurden, fing Vitaly auf einmal an, nur noch Deutsch mit mir zu sprechen. Sogar vor unserem Coach. Ich dachte mir nur: Das kannst du doch nicht vor dem Trainer machen… Er ist ein witziger Typ und hat mir auch einige hilfreiche Tipps für die Bundesliga und das Leben in Deutschland mitgegeben.

Wie viel davon hast du verstanden?

Mads: Ich habe das Gefühl, dass ich einiges verstehe. Mein Gegenüber muss aber langsam sprechen, sonst habe ich große Probleme. Wir hatten Deutsch in der Schule, aber das ist schon eine Ewigkeit her.

In der Sommervorbereitung hat es zwei Duelle zwischen Wolfsburg und Brentford gegeben. Wie es der Zufall wollte, hast du es auch auf das Titelbild unseres Spielberichts geschafft. Was für Erinnerungen hast du an die Partien?

Mads: Ich weiß noch, wie sehr ich mich darauf gefreut habe, weil Jonas (Wind) und ich zusammen beim FC Kopenhagen großgeworden sind. Man spielt nicht jeden Tag gegen einen seiner besten Kumpels. Das hat mal wieder gezeigt, wie klein die Fußballwelt eigentlich ist.

Durch deine Verpflichtung hat das Danish Dynamite nun noch mehr Power. Wie ist das, auf so viele bekannte Gesichter zu treffen?

Mads: Es ist ein Traum, der wahr wird. Wer würde nicht gerne mit guten Freunden in der Bundesliga spielen. Aber wir sind alle aus demselben Grund hier: Wir wollen alles für den VfL geben und zusammen Erfolge feiern. Deshalb haben wir auch hohe Ansprüche aneinander. In der Anfangsphase ist es aber natürlich hilfreich, wenn man nicht erstmal Anschluss finden muss. Ich habe mich gemeinsam mit Andreas (Skov Olsen) auch schon um Deutschunterricht gekümmert. Das nächste Interview werden wir hoffentlich auf Deutsch führen (lacht).  

Vor wenigen Tagen hat Jonas ein Foto in seiner Instagram-Story geteilt, auf dem Andreas, er und du in einem dänischen U-Nationalteam zu sehen wart. Was für Erinnerungen hast du an diese Zeit?

Mads: Es war eine unglaubliche Zeit. Wir waren jung, hatten keine Sorgen und einfach nur Spaß am Fußball. Ich kann mich auch noch an viele Vorlagen für Jonas erinnern. Nach der Saison schuldet er mir mindestens eine Flasche Rotwein, weil er damals ohne mich den Torrekord im U17-Bereich wahrscheinlich nicht geknackt hätte (lacht).  

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