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„Social Media ist eine zweiseitige Medaille“

Vielfaltsspieltag: Content Creator Abdallah „Faro“ Farah im Gespräch über Hassrede in sozialen Netzwerken.

Zusammengenommen über eine Million Menschen verfolgen Abdallah „Faro“ Farah regelmäßig auf den sozialen Netzwerken Instagram, TikTok, Twitch und YouTube. Dabei erreichen den für den grün-weißen E-Sport verantwortlichen Content Creator nicht nur positive Kommentare, sondern zum Teil auch heftige Beleidigungen. Im Gespräch erzählt der 24-Jährige über seinen Anfang als Content Creator, seine persönlichen Erfahrungen zum Thema „Hassrede“ und inwieweit Social Media einen Einfluss auf die Vielfalt in der Gesellschaft hat.

Faro, du bist Content Creator für den E-Sport beim VfL Wolfsburg. Was bedeutet das genau?

Abdallah Farah: Viele verwechseln das damit, dass ich selbst E-Sportler bin und denken, ich sei der, der gut FC25 spielt – obwohl ich auch nicht schlecht bin (lacht). Aber ich bin kein professioneller E-Sportler, sondern drehe Videos mit diesen, aber auch mit unseren weiblichen und männlichen Fußballprofis. In den unterschiedlichen Challenges geht es darum, sie mal in einem anderen Licht zu zeigen und die Fans zu unterhalten.

Content Creator ist kein klassischer Beruf, zu dem man sich ausbilden lassen kann. Wie hat das bei dir angefangen?

Faro: Ich war immer YouTube-affin und gerade FIFA, wie es damals noch hieß, habe ich viel gespielt. Es war daher schon immer mein Traum, beides zu verbinden. Ich habe zuerst mein Fachabi gemacht und dann angefangen, Wirtschaftspädagogik zu studieren. Dann kam aber Corona und ich bin aus dem Uni-Alltag rausgekommen und habe nicht mehr so richtig wieder reingefunden. Das war die Zeit, in der ich mir TikTok runtergeladen und mich wieder mit FIFA beschäftigt habe. Von meinem ersten Impuls, bei YouTube selbst Videos hochzuladen, bis zur tatsächlichen Umsetzung hat es ungefähr ein halbes Jahr gedauert. Ab Mitte 2021 habe ich dann meine ersten Videos hochgeladen, aber zunächst noch sehr unregelmäßig. Eines meiner Videos ist dann durch die Decke gegangen und zum Glück habe ich diesen Moment genutzt und angefangen, jeden Tag neue Inhalte hochzuladen – das mache ich bis heute. Pro Woche produziere ich etwa acht TikTok-Videos und streame regelmäßig bei Twitch.

Die Entscheidung für den VfL habe ich zu keinem Zeitpunkt bereut. Nirgends wäre ich besser aufgehoben.
Abdallah „Faro“ Farah

Wie bist du schließlich zum VfL Wolfsburg gekommen?

Faro: Nach meinem Berufsstart haben mich verschiedene Vereine als Content Creator angefragt. Ich hatte bereits Sympathie für den VfL Wolfsburg aufgrund von Spielern wie Kevin De Bruyne. Mit dem VfL hat es dann direkt harmoniert und ich habe mich sofort wohlgefühlt. Die Entscheidung für den VfL habe ich zu keinem Zeitpunkt bereut. Nirgends wäre ich besser aufgehoben.

Gibt es für dich als Content Creator überhaupt einen „normalen“ Arbeitstag?

Faro: Ich bin seit knapp drei Jahren beim VfL. Anfangs war es noch nicht so, aber mittlerweile ist mein Alltag sehr strukturiert. Das ist auch wichtig, damit alles kontinuierlich läuft. Wenn es viel zu tun gibt, gibt es kaum Freizeit.

Ist deine Leidenschaft Fluch oder Segen?

Faro: Ich habe natürlich eine gewisse Flexibilität, weil ich selbstständig arbeite. Zum Beispiel kann ich aufstehen, wann ich möchte. Das ist purer Luxus, den ich sehr zu schätzen weiß. (lacht) Die andere Seite ist aber eben auch, dass man nie so richtig abschalten kann. Dazu kommt auch ein gewisser psychischer Druck. Anfangs hat es mich mental mitgenommen, wenn Videos nicht so gut angekommen sind, wie ich es mir erhofft habe. Das ist inzwischen nicht mehr ganz so der Fall.

Hast du das Gefühl, dass du als Content Creator manchmal auf Unverständnis triffst?

Faro: Ich rede nicht sofort darüber, weil ich das Gefühl habe, es wird oft falsch verstanden. Ich habe es schon oft erlebt, dass manche Menschen für meinen Job kein Verständnis hatten. Für mich ist das okay, weil ich auch nicht das Bedürfnis habe, den Leuten das erklären zu müssen.

Bei Instagram, TikTok, Twitch und YouTube hast du eine enorme Reichweite. Damit setzt du dich regelmäßig den Kommentaren eines breiten Publikums aus – wahrscheinlich sind die nicht immer positiv, oder?

Faro: Ich gehöre wahrscheinlich noch zu den Personen im Netz, die eher weniger „hate“ abbekommen. Aber natürlich gibt es immer wieder kritische Sachen, vor allem in den Direktnachrichten bei Instagram. Da sind die Personen am skrupellosesten, weil es nur zwei Personen sehen. Einen Kommentar unter einem Posting sieht jeder, auch wenn er anonym ist. Doch in den Direktnachrichten habe ich schon alles gesehen. Als ich den ersten Hasskommentar bekommen habe, war ich erst einmal perplex, weil man damit nicht rechnet und das vorher eher als Außenstehender wahrgenommen hat. Aber wenn man dann selbst betroffen ist, ist das nicht ganz ohne. Das ist damals ein echt komisches Gefühl gewesen.

Wie geht man damit um?

Faro: Eine richtige Methode habe ich nicht. Mir haben viele Leute gesagt, dass ich sowas ignorieren soll. Zwar gibt es bei Twitch Filter, die bestimmte Wörter direkt rauslöschen, oder man kann Accounts blockieren, allerdings finden die Leute immer Wege, Nachrichten zu schreiben. Wenn du in der Öffentlichkeit stehst, musst du leider damit rechnen, dass so etwas passieren kann. Dabei muss man sich eine harte Schale anlegen und lernen, dass einem nicht jede Nachricht so nahe geht. Doch das lernt man mit der Zeit. Man muss sich vor Augen führen, was man tun würde, wenn ein guter Freund eine Person des öffentlichen Lebens wäre. Man würde sagen: „Lass das nicht an dich heran.“ Und dieselben Wörter, die du deinem Freund sagen würdest, kannst du quasi an dich selbst richten.

Gab es Momente, die dir besonders in Erinnerung geblieben sind?

Faro: Wenn während eines Streams im Chat eine Beleidigung reinkommt, ist es schwierig, damit umzugehen, weil es live ist und die Leute deine Reaktion direkt sehen können. Das ist etwas anderes, als wenn ich gerade allein zuhause bin und zufällig entsprechende Kommentare entdecke. Eigentlich bin ich kein Mensch, der anfällig dafür ist, besonders getroffen zu sein, aber wenn es mal dazu kam, hat mich das schon extrem runtergezogen - und mich auch später noch beschäftigt. So etwas im Live-Betrieb direkt emotional auszublenden, ist schwierig.

...da muss man klar differenzieren. Bis wann geht Kritik? Und wann beginnt Hass?
Abdallah „Faro“ Farah

Was verstehst du genau unter dem Begriff „Hassrede“?

Faro: Darunter zähle ich vor allem beleidigende Inhalte. Manche Leute sehen konstruktive Kritik auch als Hass an und können dies nicht unterscheiden, doch da muss man klar differenzieren. Bis wann geht Kritik? Und wann beginnt Hass? Hass ist ein sehr starkes Wort und ein extremes Gefühl, das darauf abzielt, andere Personen mit Wörtern und Herabwürdigungen zu verletzen. Darunter fallen für mich Sätze, die nicht das eigentliche Thema ansprechen, sondern auf die Person abzielen.

Was ist das besondere an Hassrede im Internet?

Faro: Unter uns Creators ist bekannt, dass Instagram-Reels meist am heftigsten betroffen sind, was Hasskommentare angeht, da dort ungefiltert geschrieben und somit auch offen beleidigt wird. Aber nicht nur dort, sondern auf allen Plattformen gibt es solche Kommentare. Ich bin ein Creator, der offen seine Meinung über Fußball teilt. Da fühlen sich häufig Leute angesprochen, wenn es um ihren Verein geht. Primär ist die Reaktion auf meine Videos positiv. Ich finde es cool, wenn die Leute unter meinen Videos diskutieren. Manche verurteilen mich allerdings aufgrund eines Videos und denken zu wissen, wer ich bin. Wenn sie mich dann verletzen wollen, ist das oft persönlich und zielt auf meine Hautfarbe ab. Im realen Leben ist mir so etwas noch nie passiert, digital schon. Aber ich kann das ganz gut ausblenden.

Beeinflusst Social Media das Thema Vielfalt?

Faro: Vielfalt ist immer ein Thema in den sozialen Medien. Dort redet man viel mehr über alles. Jeder kann seine Meinung teilen, jeder hat eine Stimme, kann ein Video hochladen, Reichweite aufbauen und alles machen – genau das ist Vielfalt.

Gibt es bei durch die offene Struktur von Social Media auch eine höhere Gefahr für Hassrede?

Faro: Social Media ist eine zweiseitige Medaille. Dadurch, dass jeder alles sagen kann, ist es so schön vielfältig, aber gerade auch deswegen kann es auch negativ sein, weil nicht jeder diese Art der Kommunikation zum Guten nutzt. Ohne Social Media würde es deutlich weniger Hassrede geben.

Wie präsent ist Hassrede im Sport? 

Faro: Es kommt darauf an, in welchem Bereich du tätig bist. Gerade durch Emotionen entstehen solche Reaktionen. Und Fußball ist Emotion pur. Wir haben schöne Emotionen in Form von Freude, aber weil wir Menschen Individuen sind, gibt es Leute, die ein anderes Mindset haben und eher negative Emotionen wie Hass rauslassen. Wenn du nicht emotional mit einer Sache verbunden bist, kannst du auch keinen Hass empfinden.

Beim Wölfespiel gegen St. Pauli warst du vor dem Stadion unterwegs und hast Fans gefragt, inwiefern sie bereits mit Hassrede in Berührung gekommen sind. Was ging dir danach durch den Kopf?

Faro: Von zehn Befragten haben sechs gesagt, dass sie noch keine Berührungspunkte mit Hassrede hatten. Aber bei den anderen ging es immer um Fußball, weil Emotionen involviert waren. Rivalität spielt da eine Rolle. Das ist einerseits etwas, was den Fußball fördert, aber eben nur in Maßen. Sei emotional, sei sauer, lass deine Gefühle raus, aber mach es für dich! Andere Menschen zu beleidigen, kann ich nicht nachvollziehen.