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„Kurz überlegt, ob ich es mache“

Felix Magath spricht über das legendäre 5:1 gegen Bayern und erklärt die Lenz-Einwechslung.

Für die Dreharbeiten des Zeitreise-Formats „Roy trifft …“, dessen erste Episode mit VfL-Keeper Kamil Grabara gerade erst veröffentlicht wurde, weilte Felix Magath vor kurzem in Wolfsburg. Direkt im Anschluss an die Aufzeichnung nahm sich der Meistertrainer der Wölfe noch die Zeit für ein Interview und sprach vor dem Bundesliga-Auftakt der Grün-Weißen am kommenden Sonntag, 25. August (Anstoß um 15.30 Uhr), in der Volkswagen Arena gegen den FC Bayern München unter anderem über den 5:1-Erfolg 2009 gegen den Rekordmeister, die ungewöhnliche Einwechslung von Torhüter Andre Lenz kurz vor Abpfiff des Spiels und seine Erwartungen an den VfL in der neuen Saison.

Felix Magath, wie ist es für Sie, wieder in Wolfsburg zu sein? Kommen alte Erinnerungen hoch?

Felix Magath: Es ist einfach schön, wieder zurückzukommen. Damals war der Erfolg ein Begleiter unserer Arbeit. Im ersten Jahr haben wir uns für den UEFA-Cup qualifiziert, im zweiten folgten dann die Meisterschaft und die Qualifikation für die Champions League – sowas passiert nicht alle Tage. Es war eine außergewöhnliche Zeit. Und deswegen bin ich immer wieder gerne hier in Wolfsburg.

Verfolgen Sie die aktuelle Entwicklung des VfL?

Magath: Selbstverständlich. Auch deshalb, weil immer noch Emotionen dabei sind und es damals einfach eine grandiose Zeit war. Natürlich war sie auch anspruchsvoll, aber dafür wurden wir mit dem Erfolg entschädigt. Von daher wird das immer eine Phase bleiben, an die ich nicht nur gerne zurückdenke, sondern auch eine, die ich nie vergessen werde, weil diese außergewöhnlichen Resultate die Arbeit besonders wertvoll gemacht haben.

Haben Sie noch Kontakt zu ehemaligen VfL-Spielern, die während Ihrer Zeit hier in Wolfsburg aktiv waren? Es gibt ja immer noch Spieler aus der Meistersaison, wie Edin Dzeko, die ihre Karriere nicht beendet haben.

Magath: Ja, immer mal wieder. Der Edin ist immer noch am Ball. Auch Hase (Anm. der Redaktion: Makoto Hasebe) hat noch bis vor Kurzem in der Bundesliga gespielt. Und dann ist da noch Andrea Barzagli, der auch gefühlt fast bis zu seinem 50. gespielt hat. Da haben wir damals zusammen doch eine ganz gute Grundlage gelegt (lacht). Grafite, Josue und Barzagli habe ich erst vor kurzem bei einem Hallenturnier in München getroffen und sogar gecoacht.

Mit Sebastian Schindzielorz konnten Sie außerdem einen ehemaligen Spieler hier vor Ort treffen…

Magath: Stimmt. Ihn habe ich damals sozusagen aus den Niederungen zum damaligen UEFA-Cup-Teilnehmer geholt. Und er hat seine Rolle zu hundert Prozent erfüllt. Deswegen ist es auch schön, dass er nun wieder zum VfL zurückgekommen und in einer anderen Funktion tätig ist. Er ist ein korrekter und zuverlässiger Mensch, dem man vollends vertrauen kann.

Sie konnten bereits einen Blick auf das Gelände des VfL werfen, das sich nach Ihrer Zeit in Wolfsburg doch etwas verändert hat. Wie beurteilen Sie die infrastrukturelle Entwicklung der Grün-Weißen?

Magath: Wir haben damals noch vor der Arena trainiert, wo wir nur anderthalb Plätze für die Bundesliga-Mannschaft hatten. Damit wir mehr Ausweichmöglichkeiten haben, haben wir dann auf der anderen Stadionseite noch etwas bauen lassen. Und nun hat sich das Ganze so weiterentwickelt. Das ist toll zu sehen – nicht nur, was das räumliche Angebot angeht, sondern auch deswegen, weil mittlerweile viel mehr Mitarbeiter für den VfL tätig sind und auch dadurch die Bedingungen für die Spieler besser sind als noch vor 15 Jahren. Deshalb kann hier nach wie vor Fußball auf höchstem Niveau geboten werden.

Schauen wir auf das kommende Wochenende und den Bundesliga-Start: Wenn Sie von der Begegnung zwischen Wolfsburg und Bayern hören, ist es wohl nahezu logisch, dass Sie wie viele VfL-Fans zuerst an das 5:1 in der Meistersaison denken. War Ihnen damals bewusst, dass mit dem Kantersieg auch der Sprung auf Tabellenplatz eins gelang?

Magath: Das hat mich im ersten Moment ehrlich gesagt nicht wirklich interessiert und ich hätte nicht mehr sagen können, ob es auf Platz eins ging oder nicht. Ich erinnere mich aber daran, dass andere Vereine, die damals zwischenzeitlich auf Platz eins standen, nach ihren Spielen getanzt haben. Wir haben dagegen nach Siegen nicht groß getanzt, sondern haben einfach weitergemacht. Aber klar, der 5:1-Sieg war ein Highlight. Solch eine Partie erlebt man nicht alle Tage – dann noch gekrönt durch das Jahrhunderttor von Grafite. Solch ein Tor wird gegen einen Gegner wie den FC Bayern kaum noch vorkommen. Das war außergewöhnlich und auch deshalb bleibt das Spiel immer in Erinnerung.

Gesprächsstoff bot damals nach dem deutlichen Sieg gegen die Bayern nicht nur das Hackentor von Grafite. Auch über die Einwechslung von Torhüter Andre Lenz, der in den Schlussminuten den Kasten hüten durfte, obwohl die eigentliche Nummer eins, Diego Benaglio, nicht verletzt war, wurde viel diskutiert.

Magath: Wie es immer so ist, wurde viel interpretiert und gemutmaßt. Es war aber ganz einfach: Ich war damals nicht nur Trainer, sondern auch Manager und Sport-Vorstand und habe die Spielerverträge ausgehandelt. Anfang 2009 hatte ich mit dem Berater von Andre Lenz Vertragsgespräche geführt. Weil ich sehr zufrieden mit Andre war, hätte ich ihm als Trainer gerne einen besseren Vertrag angeboten. Als Manager musste ich ihm aber sagen, dass wir etwas aufpassen müssen. Er hatte einen Vertrag mit einem relativ geringen Grundgehalt, dafür aber mit hohen Einsatzprämien. Deswegen versprach ich seinem Berater, dass ich ihn einsetze, wenn wir mal in einem Spiel klar führen. Wie konnte ich denn im Januar ahnen, dass wir erst drei Monate später und ausgerechnet im Spiel gegen Bayern München das erste Mal klar in Führung liegen sollten (schmunzelt). Weil mir bewusst war, was hinterher auf mich zukommen würde, habe ich kurz überlegt, ob ich es mache oder nicht, kam aber zu dem Entschluss: Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen. Deshalb habe ich den Wechsel kurz vor Schluss durchgezogen.

Wie sind denn Ihre Erwartungen an das nun anstehende Spiel der Wölfe gegen die Bayern?

Magath: Ganz so viel Hoffnung kann ich den VfL-Fans nicht machen, dass sich solch ein Ergebnis zum Bundesliga-Auftakt wiederholt. Der Zeitpunkt ist für den VfL aber günstig. Bei den Bayern gab es in der vergangenen Saison viel Unruhe und die dürfte sich auch bis jetzt in die Vorbereitung gezogen haben. Das heißt, dass auch der FC Bayern im Moment nicht so recht weiß, wo er steht. Ich glaube deshalb, dass es für den VfL eine gute Gelegenheit sein könnte, diese Situation auszunutzen.

Abschließend: Was erwarten Sie generell vom VfL in der neuen Saison?

Magath: Im letzten Jahr habe ich mich schwergetan mit der Einschätzung. Der VfL hat in der vergangenen Saison sicherlich nicht das Maximale auf dem Platz umsetzen können. Die ist nun aber vorbei, es geht wieder neu los. Ich denke, dass der VfL diese Saison eine bessere Rolle spielen wird. Ralph Hasenhüttl ist nun schon eine Weile da, hat mehr Einblicke und hat seine Vorstellungen schon mehr mit einbringen können. Insofern bin ich ganz zuversichtlich, dass der VfL wieder um die internationalen Ränge mitspielt. Die Champions-League-Qualifikation wäre etwas hochgegriffen, da es andere Vereine gibt, die momentan ein Stück weiter vorne sind. Den Einzug in die Europa League, da bin ich überzeugt, kann der VfL aber schaffen.

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