Frauen

„Ich bin hier zu Hause“

Lynn Wilms im Interview über ihren herausfordernden Start bei den VfL-Frauen.

Lynn Wilms sitzt auf einer Treppe

Ihren Start bei den Wölfinnen hatte sich Lynn Wilms sicher ganz anders vorgestellt. Denn anstatt nach ihrer Teilnahme mit der niederländischen Nationalmannschaft an den Olympischen Spielen auf dem Trainingsplatz mit ihren neuen Mannschaftskameradinnen zu ackern und auf dem Platz um Punkte zu kämpfen, warf eine schwerwiegende Rückenverletzung die 21-Jährige, die vom FC Twente zum VfL wechselte, zurück. Es hieß, Reha statt Debüt. Im Interview spricht die Abwehrspielerin über den harten Cut zwischen Olympia und der Reha im VfL-Trainingslager in Harsewinkel, die Unterstützung ihres „Reha-Buddys“ und ihren ersten Schritt zurück auf den Platz.
 
Lynn Wilms, als du in der vergangenen Woche zum ersten Mal am Elsterweg mit dem Ball trainieren konntest, war deutlich zu erkennen, wie glücklich du warst. Wie hast du dein erstes Training empfunden?
Lynn Wilms: Es war einfach unglaublich schön, wieder auf dem Platz zu stehen und den Ball an meinen Füßen zu spüren. Es ist etwas Besonderes, wenn man endlich wieder gegen einen Ball treten kann. Es war einfach ein tolles Gefühl. Ich habe sehr lange und hart dafür gearbeitet.
 
Während deiner ersten Tage bei den Grün-Weißen wirktest du alles andere als glücklich.
Lynn: Ja, glücklich war ich auch nicht. Ich bin von den Olympischen Spielen nach Wolfsburg gekommen und dann sind wir direkt ins Trainingslager gefahren. Bei Olympia war alles so super toll und aufregend. Und dann bin ich wegen der Verletzung in ein tiefes Loch gefallen. Das war sehr hart für mich. Das Team hat mich aufgefangen, alle waren so lieb zu mir. Aber ich war einfach nicht glücklich, weil ich Schmerzen hatte und wusste, dass ich lange nicht spielen kann.
 
Mit der Teilnahme an den Olympischen Spielen ging sicherlich ein großer Traum von dir in Erfüllung. Wie hast du die Zeit in Tokio empfunden?
Lynn: Ich habe meine Zeit mit dem Team sehr genossen. Die Mannschaft war super und auch die Spiele waren richtig gut. Aber mental war die Zeit dort auch sehr hart. Wir konnten nirgendwo hingehen, konnten nicht die Köpfe freibekommen, haben immer nur an Fußball gedacht, sind immer nur auf dem gleichen Flur rauf und runtergegangen. Das habe ich als sehr schwierig empfunden. Und auch mit der Zeitumstellung hatte ich Probleme. Aber es war eine Ehre, an den Spielen teilnehmen zu dürfen und bei solch einem großen Event dabei zu sein.
 
Nach der Rückkehr warteten statt großer Spiele ein straffes Reha-Programm auf dich.
Lynn: Zu Beginn ging es nur um Mobilisierung und später um Stabilisierung. Dann konnte ich irgendwann Laufen – langsamer, schneller. Und jetzt kann ich endlich wieder Übungen mit dem Ball machen. Es ist ein langer und harter Weg.
 
Dieser Weg begann für dich im Trainingslager in Harsewinkel. Dort bist du zum ersten Mal bei einem besonderen Event richtig aufgeblüht – beim gemeinsamen Malen!
Lynn: Das fand ich super. Ich male und zeichne gerne, aber das wichtigste war, dass ich beim Team sein konnte. In der Reha arbeitet man die meiste Zeit alleine und es war sehr schwierig für mich, weil ich neu in der Mannschaft war. Aber bei diesem Team-Event haben wir alle zusammen etwas gemacht und das war total schön und hat viel Spaß gemacht.
 
Wie unterstützen dich deine Mitspielerinnen und das Trainerteam?
Lynn: In der Reha-Gruppe unterstützen wir uns gegenseitig sehr. Ich arbeite immer mit Poppi (Anm. d. Red. Alexandra Popp) im Kraftraum. Wir sind Reha-Buddys. Das hilft mir sehr. Auch die Trainer fragen mich fast täglich, wie es mir geht und sie freuen sich sehr mit mir, dass ich wieder auf dem Platz trainieren kann. Das gibt mir ein gutes Gefühl. Und auch wenn die Mannschaft sehr beschäftigt ist mit all den großen Herausforderungen, unterstützen mich die Mädels sehr. Wir bauen uns gegenseitig auf. Das tut total gut.

Bist du schon voll und ganz in Wolfsburg angekommen?
Lynn: In Wolfsburg bin ich auf jeden Fall gut angekommen, aber noch nicht ganz im Team. Das wird erst passieren, wenn ich voll mittrainieren und spielen kann. Aber die Stadt gefällt mir sehr gut. Ich bin hier zu Hause.
 
Warum hast du dich für einen Wechsel nach Wolfsburg entschieden?
Lynn: Mehrere Klubs waren an mir interessiert, aber ich wollte immer unbedingt nach Wolfsburg gehen. Ich mag es einfach, wie hier Fußball gespielt wird – sehr offensiv, modern, mit viel Ballbesitz. Und auch dass die Abwehrspielerinnen oft angespielt werden, gefällt mir natürlich besonders. Ich wusste auch vom FC Twente, mit welcher Einstellung Tommy spielen lässt. Auch wenn wir mit 6:0 geführt haben, wollten wir einfach nicht aufhören zu treffen. Wir hatten nie genug, wollten immer mehr. Diese Mentalität und auch das Familiäre beim VfL hat mich überzeugt. Ich hatte in Wolfsburg sofort das Gefühl, dass ich hier hingehöre.
 
Ralf Kellermann, der Sportliche Leiter der VfL-Frauen, war sich bei der Vertragsunterzeichnung sicher, dass du das Potenzial für eine sehr erfolgreiche Karriere besitzt. Welche Ziele verfolgst du nun in Wolfsburg?
Lynn: Ich kann mein Debüt natürlich kaum erwarten. Aber erst einmal möchte ich mit dem Team trainieren und dann Minuten sammeln. Ich will allen zeigen, was ich kann. Und auch wenn diese Ziele sehr groß sind: Ich möchte gerne Titel gewinnen – die Meisterschaft, den Pokal und die Champions League.
 
Zur Vorfreude auf dein Debüt, dass hoffentlich nicht mehr allzu lange auf sich warten lässt: Was für ein Spielerinnen-Typ bist du?
Lynn: Ich würde mich als moderne Verteidigerin beschreiben, ich kann auf der kompletten rechten Seite spielen. Ich verteidige gerne, aber schalte mich auch gerne in die Offensive ein. Ich schieße auch Ecken und lege gerne auf. Ich möchte immer wichtig für das Team sein. Und ich bin mit viel Emotion und Leidenschaft dabei, investiere sehr viel Energie ins Spiel. Wenn ich auf dem Platz bin, hört man mich wahrscheinlich (lacht).
 
Und wie tickst du privat?
Lynn: Ich habe sehr gerne viele Leute um mich herum, hänge ab mit Freunden. Ich lache sehr viel und mache Witze. Ich habe einfach gerne Spaß. Und ich habe einen großen Hund. Er ist mein bester Freund.