Akademie

„Emotionen gehören einfach dazu“

Im Interview: Wann bei Rainer Widmayer der Schwabe durchkommt – und wieso Felix Magath sein Mentor ist.

Talentkoordinator des VfL Wolfsburg, Rainer Widmayer, unterhält sich.

Nach über 20 Jahren als Co-Trainer bei verschiedenen Klubs im deutschen und schweizerischen Profifußball ist Rainer Widmayer im September vergangenen Jahres als Talentkoordinator beim VfL Wolfsburg gestartet. Im Interview spricht der 56-Jährige über große Namen, schwäbische Emotionen und seine Anfänge, die ihn schon damals mit Wolfsburg verbunden haben.

Rainer Widmayer, was hat dich an der Aufgabe in der VfL-Akademie so gereizt, dass du dafür eine Stelle als Co-Trainer in der 2. Bundesliga aufgegeben hast? 

Rainer Widmayer: Ich war schon etwas länger mit Michael Gentner im Austausch, weil ich das Thema unfassbar spannend finde, Talente auf ihrem Weg in den bezahlten Fußball zu begleiten. Durch meine langjährige Erfahrung weiß ich, was bei den Profis verlangt und vorausgesetzt wird. Mit ein wenig Fantasie kann man in den U19- und U17-Bereichen dann vielleicht auch mal ein Talent erkennen, das viele wegschicken würden, obwohl es mit der richtigen Unterstützung womöglich eine realistische Chance hätte, seinen Traum zu verwirklichen.

Wie kann man sich eigentlich den Job eines Talentkoordinators vorstellen? Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?

Rainer: Den Großteil meiner Zeit verbringe ich damit, die jungen Spieler zum Training der Profis zu begleiten und dort Eindrücke zu sammeln, die ich dann mit Niko Kovac, den Jungs und ihren Mannschaftstrainern in der Akademie bespreche. Sie steuern anhand meines Feedbacks die Inhalte des Trainings, um die Talente weiterzuentwickeln.

Beim Auswärtsspiel in Heidenheim sind sowohl Dzenan Pejcinovic als auch Kofi Amoako zum Einsatz gekommen. Ist das auch ein Verdienst von dir?

Rainer: Es wäre vermessen zu sagen, dass ich einen Anteil daran habe. Ich betreue Kofi und Dzenan erst seit Kurzem auf ihrem Weg. Wenn wir es schaffen, dass die Jungs in der Bundesliga auf dem Platz stehen, auch wenn es nur wenige Minuten sind, können wir alle stolz darauf sein. In erster Linie haben aber sie selbst und ihre Jugendtrainer einfach einen guten Job gemacht.

Der Begriff Talent wird inzwischen fast schon inflationär verwendet. Was braucht es, um in deinen Augen als Talent zu gelten?

Rainer: Viele Spieler verfügen über ein gewisses Talent. Auf dem langen Weg zum Profi gibt es aber immer wieder Rückschläge und Probleme. In solchen Situationen sind wichtige Tugenden wie Mentalität und Disziplin gefordert. Wenn es mal nicht so läuft, gibt ein Talent mit einer nicht ganz so harten Schale schon mal auf. Weil es vielleicht Genialität mitbringt, aber nicht das nötige Durchhaltevermögen.

Du giltst als kultiger Co-Trainer, hast über 20 Jahre in dieser Rolle fungiert und schon unter Coaches wie Markus Babbel, Pal Dardai, Pellegrino Matarazzo und Tim Walter gearbeitet. Wie unterscheidet sich dein alter von deinem neuen Job?

Rainer: Als Co-Trainer im Profifußball geht es einzig und allein um die Ergebnisse. Du bist davon abhängig, der Druck ist jedes Spiel da. Das ist ein riesiger Unterschied, denn im Nachwuchsbereich liegt mein Fokus voll und ganz darauf, die Jungs individuell weiterzubringen.

Welche Stars hast du in deiner illustren Karriere bereits betreut?

Rainer: Sami Khedira, Vincenzo Grifo, Salomon Kalou, Mario Gomez, Kevin Kuranyi oder Andreas Hinkel – in der Zeit sind schon so einige zusammengekommen. An jeder meiner bisherigen Stationen haben wir jungen Spielern geholfen, den Sprung in den bezahlten Fußball zu schaffen. Die Kunst ist es aber, sich langfristig dort zu etablieren, denn die Luft da oben ist wesentlich dünner. Alle sind gierig und wollen ihre Position verteidigen. Diese Aufgabe müssen sie jedoch alleine bewältigen.

Ebenso kultig wie dein Status als Co-Trainer ist dein schwäbisches Idiom. Hat es schon mal Probleme mit der „Sprachbarriere“ gegeben?

Rainer: Ich bin der Meinung, dass man immer ein Problem hat, wenn man sich verstellt. Die Spieler müssen natürlich verstehen, was man von ihnen möchte. Das ist klar. Aber da reicht meistens schon die Gestik und Mimik. Auf dem Trainingsplatz gehören Emotionen einfach dazu – und in diesen Momenten kommt das Schwäbische oft durch. Die Jungs wissen schon, was gut und schlecht ist, auch wenn sie manche Wörter eventuell nicht verstehen (lacht).

Ich bin der Meinung, dass man immer ein Problem hat, wenn man sich verstellt. Die Spieler müssen natürlich verstehen, was man von ihnen möchte. Das ist klar. Aber da reicht meistens schon die Gestik und Mimik. Auf dem Trainingsplatz gehören Emotionen einfach dazu – und in diesen Momenten kommt das Schwäbische oft durch.
Rainer Widmayer

Eine große Gemeinsamkeit in der Geschichte des VfL Wolfsburg und deiner persönlichen ist ein gewisser Felix Magath. Was für eine Bedeutung hat er für dich? 

Rainer: Viele in unserem Business erzählen immer nur, er ist ein Mann der Worte und Taten. Felix ist mein Mentor. Damals war ich als Entwicklungsmechaniker bei Mercedes angestellt und habe nebenbei die U23 des VfB Stuttgart als Co-Trainer betreut. Eines Tages ist Felix auf mich zugekommen und hat mich gefragt, ob ich meine Mannschaft und den Fußball eigentlich nicht lieben würde. Ich war völlig verwundert. „Du kommst immer kurz vor dem Training und bist kurz danach wieder weg“, meinte er. Ich entgegnete daraufhin, dass ich eben noch berufstätig bin. Und dann hat er mir kurzerhand eine Vollzeitstelle beim VfB verschafft. Das macht er nicht für jeden. Ich habe ihm vieles zu verdanken und denke, dass ich ihm in den vergangenen Jahrzehnten bewiesen habe, dass es die richtige Entscheidung war.

Die zweite Parallele hatte vier Räder, denn dein erstes Auto war…

Rainer: … ein Volkswagen Jetta. Mein Vater, der Schichtarbeiter bei Mercedes war, hat auf dem Mitarbeiterparkplatz einen top erhaltenen weißen Flitzer gesehen, den ich mir dann von meinem ersten VfB-Gehalt finanziert habe. Der Jetta ist es zwar nicht mehr, aber ich fahre wieder einen Volkswagen (lacht).