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„Diesen Moment werde ich nie vergessen“

Werder- und VfL-Legende Naldo im Interview vor dem Auswärtsspiel bei Werder Bremen.

Naldo muss man nicht vorstellen. Er ist eine absolute Legende der Bundesliga. Mit 254 Einsätzen für Werder Bremen und 163 für den VfL Wolfsburg ist der Brasilianer der perfekte Experte, um im Vorfeld über das bevorstehende Nordduell zu sprechen. Der zweimalige DFB-Pokalsieger, den wir in seiner Wahlheimat Monaco telefonisch erreichen, spricht im Interview über seine beiden Ex-Klubs, den neuen Wölfe-Coach Ralph Hasenhüttl und seinen schönsten Moment beim VfL Wolfsburg. Zudem verrät er das Rezept einer erfolgreichen Mannschaft und warum derzeit so wenige Brasilianer in der Bundesliga spielen.

Naldo, du hast für Bremen und Wolfsburg gespielt – für wen schlägt am Samstag dein Herz?

Naldo: Ich empfinde eine enorme Zuneigung zu beiden Vereinen und verfolge sie intensiv. Ich trage beide Klubs in meinem Herzen. Somit sage ich immer diplomatisch, dass die bessere Mannschaft am Ende den Sieg verdient hat.

Werder Bremen spielt eine Saison ohne Abstiegssorgen. Wie bewertest du ihre Spielzeit? 

Naldo: Bremen spielt eine sehr konstante Saison. Werder hatte einen guten Saisonstart und zu keinem Zeitpunkt Sorgen um den Abstieg. Die letzten Resultate verliefen allerdings nicht so positiv. Dadurch haben sie etwas den Anschluss an die europäischen Plätze verloren. Insgesamt spielen die Bremer aber eine sorgenfreie Saison und haben einen guten Abstand zu den Abstiegsplätzen. 

Werder Bremen spielte 2010/2011 zuletzt international. Wie schätzt du die Chancen der Bremer im Kampf um Europa ein?

Naldo: Es ist immer alles möglich. Die Hoffnung der Fans war vor einigen Spieltagen aber noch ein Stück weit größer. Die letzten fünf Spiele verliefen nicht wie erhofft und andere Mannschaften sind aktuell in besserer Form. Ich würde es mir natürlich wünschen, dass Werder wieder international spielt, insbesondere da man schon länger nicht mehr auf europäischer Bühne präsent war.

Der VfL Wolfsburg spielt dagegen eine Saison unter seinen Erwartungen. Nach dem letzten Ligaspiel gegen Augsburg trennte man sich von Niko Kovac. Ralph Hasenhüttl ist der neue Trainer. Wie bewertest du diese Entscheidung?

Naldo: Beim VfL Wolfsburg hat man immer den Anspruch, international zu spielen. Die aktuelle Saison lässt zu wünschen übrig. Es fehlt die Konstanz und die Mannschaft wartet jetzt schon seit längerer Zeit auf einen Sieg. Mit dem neuen Trainer ändert sich nun einiges. Die Spieler, die nur wenige Chancen erhalten haben, können sich jetzt neu beweisen und dem Verein ihren Wert zeigen. Der VfL muss so früh wie möglich den Klassenerhalt sichern und die Saison dann schnell abhaken. 

Du hast in deiner aktiven Karriere einige Trainerwechsel erlebt. Wie stellt sich so ein Trainerwechsel aus Spielerperspektive dar? 

Naldo: Als Spieler ist es immer frustrierend, wenn ein Trainer gehen muss. Denn es liegt nie allein am Trainer. Auch die Spieler stehen in der Pflicht, in einer schwierigen Situation ihre Qualität zu zeigen. Ein neuer Trainer gibt aber zweifellos einen neuen Impuls. Das Ziel muss sein, dass die Spieler wieder an sich glauben und ihre Qualitäten auf den Platz bringen. Ich hatte einige Trainerwechsel in meiner Karriere und diese waren im Nachgang stets positiv, da im Anschluss immer eine gewisse Entwicklung zu sehen war. Daher hoffe ich sehr, dass der Trainerwechsel auch beim VfL funktioniert. Ralph Hasenhüttl ist ein sehr erfahrener Coach mit vielen Erfolgen bei seinen bisherigen Stationen. Ich hoffe, dass er den Verein dort hinbringt, wo er hingehört. 

Ein neuer Trainer gibt aber zweifellos einen neuen Impuls. Das Ziel muss sein, dass die Spieler wieder an sich glauben und ihre Qualitäten auf den Platz bringen. Ich hatte einige Trainerwechsel in meiner Karriere und diese waren im Nachgang stets positiv, da im Anschluss immer eine gewisse Entwicklung zu sehen war.
Naldo

Du warst bei Wolfsburg ein wichtiger Bestandteil einer sehr erfolgreichen Mannschaft. Was ist für dich entscheidend, damit eine Mannschaft erfolgreich ist?

Naldo: Meiner Meinung nach ist es entscheidend, dass es in einer Mannschaft Führungspersönlichkeiten gibt. Die erfahrenen Spieler haben die Aufgabe, Verantwortung zu übernehmen und den jungen Spielern den gemeinsamen Weg zu vermitteln. Deshalb ist der tägliche Austausch innerhalb der Mannschaft sehr wichtig. Zu meiner Zeit haben die Spieler die Dinge in der Kabine diskutiert – natürlich auch und vor allem nach Niederlagen. Was in der Kabine besprochen wird, sollte dann auch in der Kabine bleiben. Dieser interne Austausch ist essenziell, er entlastet den Trainer darüber hinaus bei seiner Arbeit. Der Coach ist dafür zuständig, dass die Mannschaft auf dem Platz funktioniert und den gemeinsamen Weg mitgeht.

Wenn du deine Zeit mit der heutigen vergleichst: Reagieren Spieler heutzutage empfindlicher, wenn es um Kritik geht? Welche Rolle spielen für dich die Sozialen Medien?

Naldo: Es gibt gute und schlechte Seiten, was die Sozialen Medien angeht. Ein negativer Aspekt ist die größere Transparenz von Kritik. Früher kamen die kritischen Kommentare hauptsächlich aus den klassischen Medien. Heutzutage hat sich das mit den verschiedenen Plattformen der Sozialen Medien geändert. Das ist eine neue Herausforderung für heutige Spieler. Nichtsdestotrotz bieten die Sozialen Medien auch viele Möglichkeiten: Ein Spieler kann seine Reichweite steigern und gleichzeitig seine Nähe und Beziehung zu den jüngeren Fans ausbauen. 

Früher spielten viele Brasilianer wie z.B. Diego, Dante oder auch du für den VfL bzw. in der Bundesliga. Heutzutage gibt es immer weniger Brasilianer im deutschen Oberhaus. Siehst du einen Grund für diese Entwicklung?

Naldo: Zu meiner Zeit hatte fast jeder Bundesligist einen Brasilianer in der Mannschaft. Mit der Zeit hat sich das geändert. Man sieht immer mehr, dass viele Brasilianer den Schritt direkt in die Premier League wagen. Früher musste man als Brasilianer zunächst in einer anderen europäischen Liga Fuß fassen, bevor man nach England wechselte. Meiner Meinung nach sollten die Bundesliga-Klubs jungen Spielern aus Brasilien vertrauen und sie entwickeln. Ab einem gewissen Zeitpunkt ist es für die meisten deutschen Vereine zu spät, diese jungen Spieler zu verpflichten, weil diese dann schlichtweg zu teuer sind. Ich weiß durch meine jetzige Tätigkeit als Spielerberater, dass in den letzten Jahren genug junge Brasilianer nach Deutschland hätten wechseln können. Die Vereine haben sich oft dagegen entschieden, so dass die Spieler schließlich in England landeten. Ich bin fest davon überzeugt, dass deutsche Vereine ihr Scouting-Netzwerk in Brasilien erweitern müssen, um junge Brasilianer in die Bundesliga zu bekommen.

Du hast über 14 Jahre in Deutschland gespielt und gelebt. Was ist deiner Meinung nach „typisch deutsch“?

Naldo: (lacht) Pünktlichkeit ist auf jeden Fall typisch deutsch. Das ist eine Eigenschaft, die für mich persönlich bereits in Brasilien sehr wichtig war, obwohl der Brasilianer im Allgemeinen nicht für Pünktlichkeit steht. Diese Eigenschaft ist meiner Meinung nach eine Form des Respekts. Darüber hinaus gelten die Deutschen als sehr korrekt. Damit meine ich, dass das Gesagte gilt und man sich auf ein Versprechen verlassen kann. In Brasilien habe ich immer wieder das Stereotyp gehört, dass die Deutschen kühl und reserviert seien. Auch wenn das kulturell bedingt sein mag, ist meine eigene Erfahrung: Viele Menschen in Deutschland sind am Anfang zurückhaltend und öffnen sich, wenn man sich besser kennenlernt. Deutschland wird immer einen Platz in meinem Herzen einnehmen. 

Du hast in deiner Karriere auch einige Tore für den VfL erzielt. Gibt es ein Tor, an das du dich gerne erinnerst?

Naldo: Ich denke sehr gerne an mein Tor gegen Frankfurt zurück. Es war ein Schuss aus gut 35 Metern. Es war besonders schön, weil es in den Schlussminuten fiel und es der Siegtreffer war. Ich erinnere mich noch, wie Ricardo Rodriguez mir die Vorlage gab und ich den Ball in den Winkel schoss. Diesen Moment werde ich nie vergessen.

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