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„Am liebsten wäre ich im Stadion dabei“

Meisterwolf Christian Gentner über das Duell seiner Ex-Vereine am Samstag.

Mit zwei verschiedenen Klubs Deutscher Meister zu werden, von denen keiner Bayern München heißt – dieses Kunststück haben nicht viele vollbracht. Einer von diesem Schlag hat die Bundesliga kürzlich verlassen. Nämlich Christian Gentner, der nach beachtlichen 430 Einsätzen für den VfB Stuttgart, Union Berlin und natürlich die Wölfe im letzten Sommer in die Schweiz gewechselt ist. Wie er aus seiner neuen Perspektive den deutschen Fußball verfolgt, welche grün-weißen Kontakte er immer noch pflegt und wie er die Kräfteverhältnisse zwischen dem VfL und den Eisernen einschätzt, das verriet der 36-Jährige im Kurzinterview.

Christian Gentner, du bist seit diesem Sommer Profi des FC Luzern. Wie läuft es dort für dich?

Christian Gentner: Sportlich gibt es noch Luft nach oben. Der Pokalsieg im letzten Jahr, der erste Titelgewinn nach sehr langer Zeit, hatte hier große Euphorie ausgelöst. Von den ersten neun Spielen haben wir nun aber keines gewonnen, sondern nur fünf Unentschieden geholt. Dafür ist es in privater Hinsicht ein Volltreffer. Es macht riesigen Spaß mit dem Team, ich fühle mich körperlich gut, habe bis auf ein Spiel, das ich krank verpasst habe, jede Partie absolviert. Und auch als Familie fühlen wir uns richtig wohl. Eigentlich ist es sogar noch besser, als wir es uns vorgestellt hatten.

Auch wenn du noch voll im Saft stehst: Ist es taktlos, dich nach deinen Plänen für die Zeit nach der aktiven Laufbahn zu fragen? 

Christian: Überhaupt nicht. Es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass ich mich im Spätherbst meiner Karriere befinde. Ganz konkret sind meine Ideen noch nicht. Momentan absolviere ich – zusammen mit Schäfi (VfL-Sportdirektor Marcel Schäfer; Anm. d. Red.) – einen interessanten Managementkurs der DFL und des DFB. Auch eine Trainerausbildung habe ich im Hinterkopf, aber genauso kann ich mir auch andere Sachen vorstellen. Dass ich im Fußball bleiben möchte, halte ich für wahrscheinlich. Aber um mich konkret damit zu befassen, dafür bin ich momentan noch viel zu gern Spieler.

Du hast dein halbes Leben lang in der Bundesliga gespielt. Mit Ausnahme einer Zweitligasaison waren es durchgängig 16 Jahre am Stück. Wie ist es, wenn man dann plötzlich von außen auf den deutschen Fußball schaut?

Christian: Ich kann mich jetzt ganz unbefangen darauf freuen, die Spiele von Union, des VfB und des VfL zu verfolgen, ohne dass es auf meine sportliche Lage Einfluss hätte. Das ist tatsächlich neu. Trotzdem bin ich, auch wenn die Bundesliga nicht mehr mein täglich Brot ist, noch ziemlich nah dran. Der besagte Lehrgang ist ein gutes Beispiel dafür, außerdem halte ich zu vielen ehemaligen Weggefährten engen Kontakt.

Was macht es jetzt mit dir, wenn deine Ex-Klubs aufeinandertreffen

Christian: Es löst nichts Bestimmtes in mir aus, trotzdem bin ich sehr interessiert an diesem Spiel. Leider werde ich es nicht direkt verfolgen können, weil wir selbst an dem Tag im Einsatz sind. Ansonsten wäre ich live dabei, am liebsten sogar im Stadion. 

Deine Zeit bei Union Berlin ist noch nicht lange her. Welchen Bezug hast du aber noch zum VfL?

Christian: Allein durch Schäfi ist er sehr groß, weil wir wirklich eng befreundet sind. Wir tauschen uns sehr intensiv aus. Auch zu Herbie (der langjährige VfL-Zeugwart Heribert Rüttger; Anm. d. Red.) hatte ich immer einen engen Draht. Außerdem verstehen wir uns nach wie vor prima mit unseren ehemaligen Nachbarn aus Vorsfelde, die uns schon mehrfach an verschiedenen Orten besucht haben.

Ein Gutteil der Meistermannschaft 2009 hat seine Karriere beendet. Behält man als Spieler von damals im Blick, wer noch alles aktiv ist? 

Christian: Nicht nur das. Durch Social Media bekommt man heutzutage immer mal wieder mit, was die alten Kollegen so treiben, zum Beispiel Andrea Barzagli und Cristian Zaccardo in Italien oder Grafite, der jetzt beim Fernsehen arbeitet. Mit Sascha Riether habe ich regelmäßig Kontakt, Diego Benaglio habe ich neulich mal in Zürich zum Essen getroffen. Mich beeindruckt aber auch Sebastian Schindzielorz, der einen tollen Job in Bochum macht. Ich denke einfach, wenn man einen solchen Erfolg wie wir damals erlebt hat, dann bleibt man als Gruppe auf ewig dadurch verbunden.
 

Union hat gerade drei Spiele in Folge gewonnen, während bei den Wölfen die Ergebnisse zuletzt nicht mehr stimmten. Wie ordnest du beide Mannschaften momentan ein?

Christian: Stimmt, beim VfL gab es jetzt eine Delle. Trotzdem sind beide Klubs erst mal prima gestartet. Was mir an Wolfsburg aufgefallen ist, sind die sehr intelligenten Transfers. Spieler wie Dodi Lukebakio, Luca Waldschmidt und Sebastiaan Bornauw halte ich für wirklich kluge Verstärkungen, zumal der Stamm der Mannschaft erhalten worden ist. In der Breite ist das Team dadurch sehr stark besetzt. Union demgegenüber hat in den vergangenen Jahren einen ganz anderen Weg genommen. Der Kader hat sich in den letzten Jahren regelmäßig stark verändert. Es ging ständig Qualität verloren, dafür haben die Neuen aber immer sofort funktioniert. Auch jetzt kann der Verein wieder eine richtig gute Rolle spielen, wobei am Saisonende meines Erachtens aber Wolfsburg vor Union stehen wird.

Und wie wird das Spiel am Samstag ablaufen?

Christian: Darauf bin ich selbst gespannt. Die Berliner haben seit Ewigkeiten zu Hause nicht mehr verloren. Sie werden körperlich dagegenhalten, haben das Publikum im Rücken, treffen aber auf ein physisch und spielerisch sehr starkes Team. Ich schätze, ruhende Bälle werden eine entscheidende Rolle spielen. Union hat starke Standardschützen und potenzielle Verwerter wie Marvin Friedrich und Robin Knoche. Auf der anderen Seite denke ich an Wout Weghorst oder John Brooks. Ich wage da wirklich keine Prognose. In meinen Augen ist der Ausgang absolut offen.

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