Hast du mal darüber nachgedacht, wie dein Leben verlaufen wäre, wenn du beim VfL geblieben wärst?
Merle: Schwer zu sagen. Ich denke nicht, dass es falsch gewesen wäre, weil ich mich beim VfL sehr wohlgefühlt habe. Meine Familie kommt hier aus der Gegend, ich wäre wahrscheinlich noch etwas heimatverbundener gewesen. Ich hätte die vier Jahre mit meinen Freunden hier sehr viel intensiver verbringen können. Vielleicht hätte ich auch mehr Zeit in andere Dinge außerhalb des Fußballs investiert. Aber das ist alles spekulativ.
Wie war es denn für dich, als du zum ersten Mal gegen den VfL Wolfsburg gespielt hast?
Merle: Es war schon etwas Besonderes, gegen die ehemaligen Teamkolleginnen zu spielen – gerade weil ich so lange beim VfL war und mich mit dem Verein identifiziert habe. Das war schon etwas anderes als ein normales Bundesliga-Spiel.
Nach zwei Jahren in Freiburg bist du dann zu Eintracht Frankfurt gewechselt. Was waren die Beweggründe für diesen Schritt?
Merle: Der Wechsel nach Frankfurt erfolgte mit dem klaren Ziel, dass ich mich weiterentwickeln möchte. Dort herrschten nochmal andere Bedingungen. Es ging dort professioneller zu, ich hatte einen hauptberuflichen Torwarttrainer, was mir sehr wichtig war.
War der Wechsel zurück zum VfL Wolfsburg schon damals Teil deines Karriereplans?
Merle: Nein, so kann man es nicht sagen. Ich hatte es aber auch nie ausgeschlossen, weil ich immer das Gefühl hatte, beim VfL willkommen zu sein. Niemand hatte mir den Wechsel übelgenommen. Ganz im Gegenteil gab es eher Verständnis für diese Entscheidung.
Machen wir einen Sprung in den letzten Sommer, deiner Rückkehr zum VfL Wolfsburg. Du bist aufgrund der EM später eingestiegen, hattest dann auch noch Corona. Wie hast du diese Zeit empfunden?
Merle: Ich hatte schon nach den ersten Tagen das Gefühl, als ob ich nie weggewesen wäre. Man merkt sofort, dass hier ein besonderes Teamgefühl herrscht. Klar gab es einige neue Gesichter, das Team um das Team herum ist größer geworden, was der allgemeinen Entwicklung im Frauenfußball geschuldet ist. Die neuen Kabinen kannte ich noch nicht, aber die Plätze am Elsterweg sind noch ähnlich wie damals.
Seit Januar ist Marcel Schulz, mit dem du bereits in Frankfurt zusammengearbeitet hast, neben Alisa Vetterlein dein Torwarttrainer. Wie wichtig ist die Beziehung zwischen Torhüterin und Torwarttrainer?
Merle: Sehr wichtig. Grundsätzlich kommt es darauf an, was für ein Torwarttyp man ist und wie selbständig man arbeitet. Manche haben ihr Spiel gefunden, wollen davon nicht abweichen und lassen eher wenig Input zu. Andere benötigen etwas mehr Unterstützung und sind darauf angewiesen, dass sie gut trainiert werden. Ich hatte mit Marcel in Frankfurt zwei super Jahre, wir haben extrem gut trainiert und beide voneinander profitiert. Er hat mir den Input gegeben, der zu mir gepasst hat. Ich habe mich als Torhüterin noch einmal neu definiert und wusste genau, was ich in welchen Situationen zu tun habe. Vorher war es einfach viel Intuition, wie ich entschieden habe. Mit Marcel habe ich begonnen, einen Plan zu entwickeln. Warum mache ich was in welcher Situation? Das hat mir sehr gutgetan und ich bin sehr dankbar, dass ich jetzt wieder die Möglichkeit habe, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Hast du noch Drähte zum SC Freiburg?
Merle: Klar habe ich noch Kontakte nach Freiburg und wenn ich dort bin, kann es auch sein, dass man den einen oder anderen trifft. Mit Kim Fellhauer bin ich gut befreundet, wir stehen – wenn auch nicht regelmäßig – im Austausch. Wenn Spiele anstehen, wie jetzt, melde ich mich schon öfter bei ihr.
Was macht den SC Freiburg aus, wo siehst du die Stärken dieser Mannschaft?
Merle: Ich finde es schon auffällig, dass viele Spielerinnen schon lange dort sind. Obwohl die Mannschaft nicht zu den ältesten der Liga gehört, verfügt sie über Erfahrung. Es ist eine eingeschworene Truppe, die haben eine super Atmosphäre im Team. Sie machen auch viel außerhalb des Platzes zusammen. Was die Strukturen angeht, hat sich einiges verändert, seit ich gegangen bin. Sie sind komplett ans Dreisamstadion gezogen, haben jetzt bessere Trainingsbedingungen. Was ich so höre, läuft es auch mit Trainerin Theresa Merk sehr gut, alle sind sehr zufrieden. Das sind alles Faktoren, die sich auf dem Platz widerspiegeln.
Wie blickst du auf die erste Hälfte deiner Comeback-Saison im VfL-Trikot?
Merle: Sie war sehr anspruchsvoll, sehr herausfordernd. Der Rhythmus mit den englischen Wochen war für mich neu, ich habe weder mit Freiburg noch mit Frankfurt Champions League gespielt. Stattdessen hatte ich immer den Luxus, mich eine Woche lang auf ein Bundesliga-Spiel vorbereiten zu können. Hier ist alles enger getaktet und meistens steht die Regeneration im Vordergrund. Ein weiterer Unterschied: Beim VfL bin ich ganz anders ins Offensivspiel eingebunden. Vorher ging es nur darum, mein Tor zu verteidigen und ab und zu mal als Notlösung anspielbar zu sein. Hier bin ich die erste Position, die den Spielaufbau gestaltet. Es macht aber sehr viel Spaß, vor allem, wenn man unsere Entwicklung als Team erkennt. Ich denke auch, dass ich mich selbst mehr und mehr gefunden habe.
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