Frauen

„Top-Spielerinnen entwickeln“

Der neue Sportliche Leiter Nachwuchs und U20-Cheftrainer Daniel Kraus im Interview.

Der neue sportliche Leiter Nachwuchs und U20-Cheftrainer beim VfL Wolfsburg Daniel Kraus geht über den Trainingsplatz.

Die Meldung kam für viele Experten des Frauenfußballs sehr überraschend, als der VfL Wolfsburg am 18. März verkündete, dass der bisherige Cheftrainer der Frauen des SC Freiburgs, Daniel Kraus, in der neuen Saison die Sportliche Leitung Nachwuchs und den Trainerposten der U20-Frauen der Grün-Weißen annehmen wird. Wieso? Weil Kraus als einer der erfahrensten und hochgeschätzten Trainer in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga sich von nun an voll und ganz der Nachwuchsarbeit widmen wird. Ein Rückschritt? Für den 38-Jährigen auf keinen Fall – ganz im Gegenteil. Über seinen Wechsel zu den Jungwölfinnen, seine Ziele mit dem weiblichen VfL-Nachwuchs und seinen Start in Wolfsburg spricht der ehemalige Torwart vom FC Carl Zeiss Jena im Interview.

Daniel Kraus, für die Aufgabe als Sportlicher Leiter Nachwuchs und U20-Trainer bei den VfL-Frauen haben Sie einen Bundesliga-Posten aufgegeben. Wieso?

Daniel Kraus: Ich hatte den Wunsch, beim VfL Wolfsburg zu arbeiten, weil der VfL eine große Strahlkraft im Frauenbereich hat. Die Professionalität, die Philosophie, die Mentalität – das möchte ich erleben und aufsaugen. Dazu reizt mich die Aufgabe sehr. Es geht darum, Top-Spielerinnen zu entwickeln. Ich bin jetzt eine ganze Weile lang Bundesliga-Trainer gewesen, war im Abstiegskampf, im Mittelfeld und jetzt habe ich nach einer neuen Herausforderung gesucht. Ich habe mich immer gerne mit der Ausbildung von Nachwuchsspielerinnen beschäftigt und deshalb ist das die perfekte Aufgabe für mich.

Mit welcher Zielsetzung sind Sie nach Wolfsburg gekommen?

Kraus: Wir wollen den kompletten Nachwuchs so strukturieren, dass wir es schaffen, im Idealfall Spielerinnen für unsere Profimannschaft auszubilden. Das ist unser klares Ziel. Es ist uns aber auch bewusst, wie schwierig diese Aufgabe ist, immerhin sprechen wir hier von einer europäischen Top-Mannschaft. Wir müssen also auch unsere Ausbildung auf dieses Level heben. Das wird Zeit brauchen, ist aber das klare Ziel. Wir arbeiten dafür auch eng mit dem Trainerteam der Profimannschaft zusammen. Die Mädels müssen wissen, wo sie stehen und dabei unterstützt uns das Trainerteam der Ersten. Ich bin dort auf große Offenheit gestoßen.

Wie realistisch ist es, Spielerinnen aus dem Nachwuchs in die Profimannschaft zu hieven?

Kraus: Joelle Wedemeyer ist ein super Beispiel dafür, dass es klappen kann. Einen anderen Weg hat Merle Frohms gezeigt, die erst einmal zu anderen Vereinen gegangen ist und nun als erste Torhüterin zurückkehren wird. Auch das funktioniert beim VfL Wolfsburg.

Neben ihren Aufgaben als Sportlicher Leiter im Nachwuchs sind Sie nun auch Cheftrainer der U20-Wölfinnen. Seit zwei Wochen trainieren Sie mit dem Team. Welchen Eindruck haben Sie bisher von der Mannschaft?

Kraus: Einen sehr positiven. Die Mannschaft ist sehr lernwillig, sehr ehrgeizig und macht zudem ordentlich Tempo auf dem Platz. Aber natürlich sind mir auch einige Dinge aufgefallen, an denen wir arbeiten müssen. Es macht mir Freude, mit den Mädels zu arbeiten.

Worauf legen Sie besonders Wert im Training?

Kraus:  Intensität, Tempo, Passspiel, Aktionen, Zielstrebigkeit – das sind alles Sachen, die – auch durch die individuelle Qualität der Spielerinnen – bei den Wölfinnen sehr ausgeprägt sind. Da gilt es, unsere Spielerinnen heranzuführen. Tempo kann ich auch beim Nachwuchs haben, man braucht aber eine gute Basis, um das im Spiel auch umsetzen zu können. Deshalb ist es wichtig, die Mannschaften gegeneinander spielen zu lassen, was jetzt Anfang der Woche zum ersten Mal der Fall war. Dort können wir sehen, wo wir aktuell stehen und wo wir hinwollen.

In den letzten beiden Spielzeiten standen die U20-Wölfinnen am Ende nur denkbar knapp über dem Strich.

Kraus: Und genau das wollen wir nun vermeiden. Das will keiner – nur gegen den Abstieg spielen. Die Qualität wird in der 2. Frauen-Bundesliga in den kommenden Jahren steigen. Das bedeutet auch, dass die Anforderungen an Zweitvertretungen der Erstliga-Vereine höher werden. Am wichtigsten ist für uns aber, dass wir jede einzelne Spielerin an die Anforderungen der Bundesliga heranführen. Wir gehören zum VfL Wolfsburg. Und in der 2. Liga möchten wir genauso auftreten wie die Profis in der 1. Liga. Das wird ein langer Weg, aber es ist auch der einzige, um die Richtung einzuschlagen, dass hier Spielerinnen für die Bundesliga ausgebildet werden.

In der U20 gibt es seit der letzten Saison einen großen Umbruch. Insgesamt 12 neue Spielerinnen, viele aus der U17, sind neu im Team dabei. Wie fließend sollen die Übergänge zwischen den Jugendmannschaften sein?

Kraus: Sehr fließend. Es wird keinen Automatismus geben. Jede Spielerin muss sich empfehlen, um eine Stufe höher zu kommen. Das gilt für die U17, aber auch für die U15 und die U13. Die Mannschaften sollen enger verzahnt sein, um Top-Talente stärker fördern zu können. Es muss klar sein: Wir sind leistungssportorientiert, wir wollen Leistungssportlerinnen ausbilden. Wir haben Verantwortung für die Spielerinnen und das heißt auch, klar zu sagen, dass es nicht jede Spielerin schaffen wird. Wir werden alles dafür tun, den Mädels bestmöglich zu helfen. Manchmal ist es aber besser, gemeinsam nach einem neuen Weg zu suchen. Es gibt etliche Wege nach oben und für die sollte man auch offen sein.