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Mathematik im Schatten der Hauptstadt

Wie der FC Brentford zum Premier-League-Klub wurde.

Freitagabend, Flutlicht, London. Eine würdigere Atmosphäre kann es für einen Härtetest vor dem Saisonauftakt wohl nicht geben. Ab 20.45 Uhr deutscher Zeit sind die Wölfe beim FC Brentford im Gtech Community Stadium zu Gast. Dort wird noch nicht allzu lange Premier-League-Fußball gespielt.

Aufschwung mit Janelt

Arsenal, Chelsea, Crystal Palace, Fulham, Tottenham Hotspur, West Ham United. Ach ja, und Brentford. Die britische Hauptstadt London ist Heimat von insgesamt sieben Teams, die in der neuen Saison in der höchsten englischen Spielklasse an den Start gehen werden. Dass die Gunners und Blues in der englischen Metropole zuhause sind, ist mittlerweile hinlänglich bekannt. Wer Brentford nicht auf dieser Liste verortet hätte, muss sich nicht schämen. Denn auch für Vitaly Janelt war das eine neue Information. „Ich wusste nicht mal, wo Brentford liegt, als ich noch in Bochum war“, gestand der 26-Jährige in einem Interview mit dem kicker.

Der defensive Mittelfeldspieler wechselte vor etwa vier Jahren aus der 2. Bundesliga zum Londoner Vorstadtklub, der auf halber Strecke zwischen Stadtzentrum und Flughafen liegt. Janelt schaffte mit den Bees in der Saison 2020/2021 auf Anhieb etwas Historisches: den erstmaligen Aufstieg in die Premier League. Mittlerweile steht der ehemalige deutsche U21-Nationalspieler bei 161 Einsätzen – und Brentford hat sich im Oberhaus etabliert.

Hinter Haaland und Kane

Einen riesigen Anteil daran hat auch Ivan Toney, der mit 72 Treffern der Rekordtorschütze des 1889 gegründeten Klubs ist. Der Mittelstürmer ist nicht nur für seine kalte Schnauze, sondern auch für seine einzigartige Technik bei der Ausführung von Elfmetern bekannt. Ein verkürzter Anlauf mit zwei Schritten – und dann schlenzt er den Ball mit rechts ins Netz. Zumindest war dies in 28 von 30 Fällen (ohne Elfmeterschießen) so. Sein Blick ist dabei auf den Torhüter gerichtet, niemals auf den Ball. In der Saison 2022/2023 landete Toney hinter Erling Haaland (36) und Harry Kane (30) auf dem dritten Platz der Torschützenliste. Diese starke Performance konnte der englische Nationalspieler in der abgelaufenen Spielzeit nicht bestätigen. Denn bis zum 20. Januar 2024 stand Toney aufgrund einer achtmonatigen Sperre wegen Verstößen gegen geltende Wettregeln keine einzige Minute auf dem Rasen. Beeindruckend: In vier der fünf Partien nach Ablauf seiner Sperre hat der inzwischen 28-Jährige getroffen. Kontrahenten waren unter anderem Tottenham und Liverpool. Daher wundert es kaum, dass Toney auf dem Zettel einiger Topklubs steht, sein Abgang ist nach der Verletzung von Igor Thiago, der wohl als potenzieller Ersatz aus Brügge geholt wurde, aber fraglich.

Unberechenbar und unangenehm

Für Brentford wäre sein Verbleib ein großer Gewinn, denn der robuste Toney ist der Zielspieler im Kader von Thomas Frank. Der Däne ist ein variabler Trainer, der sein Spielsystem dem vorhandenen Kader sowie auch dem Gegner anpasst. Die Unberechenbarkeit macht die Bees zu einem so unangenehmen Gegner. Das bekam auch Ralph Hasenhüttl in seiner Zeit beim FC Southampton schon zu spüren. 4-2-3-1, 3-5-2, 4-3-3 – in allen drei Duellen wartete Frank mit einer anderen taktischen Formation auf. Mit Erfolg: Zwei Spiele gingen an Brentford, eins an die Saints.

Vater des Erfolgs

Janelt und Toney, der im Sommer 2020 von Peterborough United aus der 3. englischen Liga gekommen ist, sind die perfekten Beispiele für die Transferpolitik des Klubs. Sie waren unterbewertete Spieler, die wenige Topklubs auf dem Schirm hatten und zur Spielphilosophie der Bees passen. Ihre positive Entwicklung hat wenig mit Glück zu tun, vielmehr mit einem ausgeklügelten Scoutingsystem, das sehr stark auf Daten basiert. Für diesen Ansatz zeichnet sich Klub-Besitzer Matthew Benham verantwortlich, der Gründer und Inhaber des statistischen Analyseunternehmens Smartodds sowie der Wettbörse Matchbook ist. Benham setzt auf die Macht der Zahlen und stellte ein Team aus Experten zusammen, das die einzelnen Bereiche des Fußballs analytisch aufarbeitete. Spieler werden zunächst beispielsweise nach speziellen Indikatoren gescoutet, die weit über Passquoten und Zweikampfwerte hinausgehen. So haben einige Transfers in der Vergangenheit mit Sicherheit für Verwunderung gesorgt. Der rasante Aufschwung aber eben auch.

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