Nicht nur sportlich stehen die Frauen des VfL Wolfsburg vor richtungsweisenden Wochen in drei Wettbewerben – auch neben dem Platz werden im Frühjahr traditionell wichtige Weichen gestellt. Intensive Wochen, vor allem für den Sportlichen Leiter Ralf Kellermann, der in enger Abstimmung mit Cheftrainer Tommy Stroot die perspektivische Kaderplanung vorantreibt. In Jule Brand und Merle Frohms stehen bereits hochkarätige Neuzugänge für die Saison 2022/2023 fest. Weitere Namen werden noch folgen, wenngleich es nach dem großen Umbruch im letzten Sommer eher auf eine moderate Fluktuation hinausläuft. Im Rahmen einer Medienrunde gab Kellermann Auskunft über…
…die aktuelle Personalplanung: Lotta Cordes wird den Verein nach der Saison verlassen. Wir hätten gerne weiter mit ihr zusammengearbeitet und hatten auch schon über eine langfristige Vertragsverlängerung in Verbindung mit einem Leihgeschäft gesprochen. Das alles hat sie sich gut überlegt und uns dann mitgeteilt, im Sommer etwas komplett Neues machen zu wollen. Es ist sehr schade, da sie aus unserer eigenen Jugend kommt und wir es natürlich gerne sehen, wenn ehemalige Nachwuchsspielerinnen den Weg im Verein weitergehen. Ich habe aber auch volles Verständnis, dass sie mit Blick auf die Konkurrenzsituation auf der Sechserposition einen anderen Weg geht und künftig dann vielleicht woanders regelmäßig in der ersten Elf steht. Auch mit Shanice van de Sanden gab es Gespräche und wir haben alles abgewogen – mit dem Ergebnis, dass wir getrennte Wege gehen werden. Der Wert, den sie für die Mannschaft hat, ist sensationell: neben dem Platz, in der Kabine, im täglichen Miteinander. Ich habe selten so eine positive Spielerin erlebt, die auch in vermeintlich schwierigen Zeiten ihre gute Laune behält, immer für die Mannschaft da ist und diese extrem pusht. Sportlich ist es allerdings so, dass sie nie wirklich Stammspielerin war. Wenn sie reinkam, konnte sie mit ihrer Spielweise immer etwas bewegen. Unter dem Strich haben wir uns aber entschieden, uns anders aufzustellen und ihre Position neu zu besetzen, wie man ja auch an der Verpflichtung von Jule Brand erkennen kann. Zu Anna Blässe, deren Vertrag ebenfalls ausläuft, kann ich heute noch nichts sagen. Stand jetzt wird im Sommer Anna-Lena Stolze nach ihrer Ausleihe an den FC Twente zu uns zurückkehren, hier stehen aber auch in den nächsten Wochen noch Gespräche an. Wenn man die Winterabgänge von Sara Doorsoun und Sofie Svava berücksichtigt, kann man aber eins zu eins zusammenzählen, dass wir den Kader zum Sommer noch weiter verstärken werden.
…die längerfristig verletzten Spielerinnen: Bei Alexandra Popp waren wir im ersten Moment natürlich geschockt von ihrem Rückschlag. Letztlich ist es aber – verglichen zu der ursprünglichen Verletzung – eher harmlos. Es musste noch einmal etwas im Knie entfernt werden, was den gesamten Heilungsverlauf um wenige Wochen verzögert hat. Sie befindet sich in einem guten Zustand und ich gehe davon aus, dass sie uns in naher Zukunft wieder zur Verfügung stehen wird. Dass sie nach dann zehn Monaten Pflichtspielpause noch nicht wieder gleich bei hundert Prozent sein wird, ist aber auch klar. Bei Ewa Pajor und Pia-Sophie Wolter ist es gleichermaßen so, dass die Rekonvaleszenz planmäßig verläuft, aber wir nicht mehr seriös mit ihnen in dieser Saison planen. Wenn es dann doch etwas schneller gehen sollte, haben wir natürlich auch nichts dagegen.
…die Verpflichtungen von Jule Brand und Merle Frohms: Beide Spielerinnen wollten in Deutschland bleiben, aus unterschiedlichen Gründen. Merle Frohms möchte weiter im Blickfeld der Nationalmannschaft bleiben, sie hat sich hier ein Standing aufgebaut. Bei Jule Brand war es so, dass der Schritt ins Ausland sicher irgendwann kommen wird. In den Gesprächen mit ihr und ihrem familiären Umfeld wurde aber ebenso schnell klar, dass dieser Schritt in ihrer aktuellen Entwicklungsphase noch zu früh käme. Sportlich kann sie für alle Mannschaften der Welt eine Verstärkung sein. Wir haben aber mehr zu bieten als man auf den ersten Blick denkt, wie etwa ein familiäres Umfeld. Bei uns in Wolfsburg gibt es kurze Wege, da unternimmt man auch schon mal was außerhalb des Platzes. Das ist in London oder Barcelona nicht so einfach. Wir haben in der Vergangenheit nachhaltig bewiesen, dass der Schritt nach Wolfsburg der richtige sein kann, bevor man etwa zum FC Barcelona geht. Wir sind in der Lage, Spielerinnen sportlich und charakterlich auf den richtigen Weg zu bringen.
…die Bedeutung des 4:0-Erfolgs gegen Chelsea mit Blick auf die Neuverpflichtungen: Ich würde es gerne trennen, denn Merle Frohms und Jule Brand verpflichtet man nicht von heute auf morgen. Aber natürlich hat dieser Sieg ein Ausrufezeichen in Europa gesetzt, in der Deutlichkeit und in der Art und Weise. Dies hatte uns damals nicht wirklich jemand zugetraut. Es hilft uns in Wolfsburg, in Deutschland und Europa. Ich war jetzt für einige Tage beim Algarve Cup und habe in meinen Gesprächen dort wahrgenommen, dass das Chelsea-Spiel deutliche Spuren hinterlassen hat.
…das UWCL-Viertelfinal-Rückspiel gegen Arsenal in der Volkswagen Arena: Mir ist wichtig zu betonen, dass die Entscheidung für den Umzug in die Arena unabhängig von einer zu erwartenden Zuschauerzahl getroffen wurde. Selbst im Falle eines Geisterspiels, wovon wir jetzt nicht ausgehen, hätten wir so entschieden. Und wir werden es nicht als Misserfolg betrachten, wenn wir eine bestimmte Marke nicht erreichen. Es war der ausdrückliche Wunsch der Mannschaft an den Verein, unter Berücksichtigung der perfekten Terminlage – also dem Spielplan der Männer – eine Austragung in der Volkswagen Arena zu prüfen. Ich bin sehr glücklich darüber, dass diesem Wunsch entsprochen wurde. Ähnlich wie ein 4:0 gegen Chelsea hilft uns dies in der Außenwahrnehmung und zeigt, dass der VfL Wolfsburg voll hinter dem Frauenfußball steht. Die Spielerinnen empfinden es als verdienten Lohn, als Wertschätzung.
…die Ausgangsposition für den Rest der Saison: Wir haben vor der Saison bewusst keine Ziele genannt und das werde ich auch jetzt nicht. Tatsache ist, dass wir gehofft haben, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt so gut dastehen – damit gerechnet haben wir jedoch nicht. Der Umbruch mit einem neuen Trainerteam, dazu die langfristigen Ausfälle von Ewa Pajor und Alexandra Popp, später noch Pia-Sophie Wolter – das war schon eine große Herausforderung. Wenn wir die einzelnen Wettbewerbe dennoch durchgehen wollen, ist klar, dass im DFB-Pokal alles andere als das Erreichen des Halbfinals eine Enttäuschung wäre. Dann entscheidet natürlich auch immer das Los, aber klar wollen wir erneut nach Köln und auch wieder den Pokal holen. Wir haben in den letzten Jahren bewiesen, dass wir in diesem Wettbewerb eine große Fokussierung an den Tag legen können. In der Champions League haben wir unser Ziel mit dem Erreichen des Viertelfinals erreicht. Schon in die neue Gruppenphase zu kommen, war eine große Herausforderung – und ein Scheitern in dieser Gruppe wäre natürlich enttäuschend gewesen. Jetzt legen wir aber nicht die Füße hoch. Bei der realistischen Einschätzung ragt für mich der FC Barcelona als aktuell beste Vereinsmannschaft der Welt heraus. Bei allen anderen Teams ist die Tagesform entscheidend. In der Liga wollen wir uns in jeder Saison für die Champions League qualifizieren. Aber jetzt haben wir schon einen ordentlichen Puffer nach hinten und ich kann nicht sagen, dass wir Dritter werden wollen. Im März kann viel passieren, gerade rund um die Champions-League-Spiele. Dennoch wollen wir so lange wie möglich um die Meisterschaft mitspielen!