Geschichte

Kicken fürs Studium

Seine einzige VfL-Saison war sportlich kein Glanzstück. Für Bernhard Kulla lief dennoch alles nach Plan.

Kulla.

Zumindest ist er ordentlich rumgekommen. Köln, St. Pauli, Berlin - die Auswärtsreisen der Spielzeit 1976/1977 boten den Wölfe-Spielern reichlich spannende Ziele. Auch wenn die Ausbeute meistens mager ausfiel. „Es war immer das Gleiche. Wenn wir mit unseren Bullis in Wolfsburg losgefahren sind, haben wir an Bord noch große Schlachtpläne gemacht“, schmunzelt Bernhard Kulla. „Um auf der Rückfahrt dann doch wieder nur bedröppelt aus der Scheibe zu starren.“ Der heute 60-Jährige spielte genau eine Saison für Grün-Weiß, und zwar in jenem Jahr, an dessen Ende der VfL als Tabellenletzter aus der Zweiten Liga aussortiert wurde. Wesentlich höher wollte Kulla aber ohnehin nie hinaus. Vielmehr nutzte er den Fußball als Chance, sich beruflich etwas aufzubauen.    

Direkt am Elsterweg gewohnt

Was er will, das wusste Kulla immer genau. Geboren in Bremen, empfahl er sich als Fußballer bei der DJK Germania und beim Blumenthaler SV. Nach starken Partien in der Bremer Landesauswahl klopften wie der VfL auch die Werder-Amateure bei ihm an. „Ich wollte aber lieber weiter weg von zu Hause. Somit bin ich nach Wolfsburg gegangen.“ Kulla, ganz pragmatisch, suchte sich eine Bleibe direkt am Elsterweg. Und mischte als 21-jähriger Neuzugang im Wölfe-Team mit, als hätte er nie dort gefehlt. „Ich wusste mit meinen jungen Jahren schon, wie der Hase läuft. Aber ich habe auch sehr von den Etablierten profitiert. Ingo Eismann zum Beispiel ist mir eine große Stütze gewesen.“ Die Elf von Paul Kietzmann, überraschend direkt wieder aufgestiegen und runderneuert mit Talenten, kam die komplette Saison aus der Abstiegszone nicht raus. Offensivallrounder Kulla machte mit 35 Einsätzen und drei Treffern dennoch ordentlich Dampf. „Hätten wir die Klasse gehalten, wäre ich wohl auch geblieben. Doch wollte ich gern Architektur studieren, deshalb ging ich nach Oldenburg.“

Im Werk Karossen umgehängt

Mit seinem Wechsel zum VfB, mit dem er drei Jahre später noch einmal zweitklassig spielte, endete auch Kullas kurze Episode im Werk. Als Abiturient startete er 1976 bei Volkswagen ins Berufsleben, hängte in der Montage zunächst Karossen um und wechselte dann in die Werkzeugausgabe. Sein letztes Drittel verbrachte er im Fahrdienst, was nicht nur ihm, sondern auch seinem Trainer gefiel. „Kietzmann war es viel lieber, dass ich nicht mehr körperlich arbeiten musste. Denn Frühschicht in der Produktion und im Anschluss noch Training – das hat man abends gespürt.“ Heute arbeitet Kulla als Architekt, in Oldenburg hat er sich selbstständig gemacht. Seine Rechnung ging somit voll auf. „Dass es für die Bundesliga nicht reichen würde, war mir ohnehin klar. Zumindest konnte ich mit dem Fußball aber etwas dazuverdienen und mir so einen Grundstock fürs Studium schaffen.“

Abendbrot bei Onkel Franz

Wolfsburg also ist mittlerweile weit weg. Was indes nicht heißen soll, dass ihm die Zeit, als er „Otto“ Wallek, Manni Mattes oder Ralph Speh mit Flanken fütterte, nichts bedeuten würde. „Ich hatte beim VfL zwar eine kurze Zeit, aber eine sehr gehaltvolle. Auch wenn wir regelmäßig auf die Mütze bekommen haben“, lacht Kulla, der sich vor allem an einen Wolfsburger sehr gern erinnert. „Unser Betreuer Franz Harmeling, den wir nur ‚Onkel Franz‘ nannten, war rund um die Uhr für uns da. Bei dem konnte man auch spontan zum Abendbrot aufschlagen“, schwärmt Bernhard Kulla. „Und genau das mochte ich immer beim VfL: Das Klima war zwar leistungsbezogen, aber auch sehr familiär.“

Veröffentlicht in „Unter Wölfen“ am 2. Mai 2015.