Männer

„Immer in meinem Herzen“

Abschied nach neun Jahren in Grün-Weiß: Abschlussinterview mit Koen Casteels.

274-mal ist Koen Casteels im Trikot des VfL Wolfsburg aufgelaufen. Als der Belgier 2015 zu den Niedersachsen kam, duellierte er sich mit Meister-Torwart Diego Benaglio um die Nummer eins im Tor der Grün-Weißen. In der folgenden Spielzeit hatte er sich dann seinen Stammplatz erkämpft – bis heute. Nach neun Jahren verlässt der Schlussmann die Wölfe nach dieser Saison. Der 31-Jährige blickt auf eine bewegende Zeit am Mittellandkanal zurück.

Koen Casteels, lass uns in das Jahr 2015 zurückversetzen – warum hast du dich damals für den VfL Wolfsburg entschieden?

Koen: Bevor ich zum VfL kam, spielte ich für Hoffenheim. Im April 2014 hatte ich eine schwere Verletzung. Ich fiel mit einem Beinbruch lange aus und es dauerte bis Oktober, bis ich wieder fit war. Bis Dezember spielte ich jedoch nicht. Ich war damals 22 Jahre alt und wollte natürlich unbedingt spielen. Schließlich kam das Interesse von Wolfsburg im Winter. Das war für mich insgesamt sehr interessant, weil ich mir mit dem Wechsel mehr Spielzeit erhoffte und der VfL eine sehr starke Saison spielte. Mein Ziel war es, im Sommer Teil des Kaders zu sein. Ich spielte in der Rückrunde auf Leihbasis für Werder Bremen, um wieder Spielpraxis zu sammeln. Rückblickend ist es für mich und Wolfsburg genauso aufgegangen, wie wir es uns damals vorgestellt hatten.

Die erste Saison war dann nicht einfach für dich. Wie fühlte sich diese Situation für einen jungen, ambitionierten Torwart an?

Koen: Es war für mich von vorneherein klar, als ich nach Wolfsburg kam, dass ich nicht direkt die Nummer eins sein werde. Mit Diego Benaglio war ein Torwart bei uns, der eine absolute VfL-Legende ist. Nichtsdestotrotz hatte ich einen sehr guten Start und durfte das erste Pflichtspiel der Saison im Supercup gegen die Bayern spielen. Es war sehr schön, dass wir es gewinnen konnten. Mir war jedoch bewusst, dass es die Mannschaft verdient hat zu spielen, die im Jahr zuvor den Weg in die Champions League gegangen war.

Es gab auch etwas schwierigere Phasen. So musste der VfL sowohl in der Saison 2015/2016 als auch 2016/2017 in die Relegation. Wie schaust du darauf zurück?

Koen: Es war sicherlich keine einfache Phase für den Verein. Nichtsdestotrotz war es eine Lehre, denn es sind viele Dinge schiefgelaufen. In diesen Phasen ist es dann nicht immer einfach, den Schalter umzulegen. Beide Spielzeiten waren sehr schwer. Das Gute ist, dass wir daraus gelernt haben und allen klar geworden ist, dass es so nicht weitergeht. Wir haben die richtigen Schlüsse gezogen und es ging danach in die richtige Richtung. Solche Situationen wünscht sich keiner – die Mannschaft ebenso wenig wie die Fan und die Mitarbeitenden. Es ist nie angenehm, bis zum Ende zu zittern und die Relegation spielen zu müssen. Das Positive ist, dass wir es zweimal geschafft haben.

Schließlich warst du dann auch die unangefochtene Nummer eins im Tor der Wölfe. Wie wichtig war das für dich?

Koen: Diese Spielzeit war sehr wichtig für mich. Der Trainer vertraute mir und ich war seine Nummer eins. Dieses Vertrauen muss man dann auch mit Leistungen bestätigen. Rückblickend würde ich sagen, dass ich das gemacht habe. Wir mussten am Ende die Relegation gegen Kiel spielen. Insgesamt war es für mich persönlich eine gute Saison und ab diesem Moment ging es nur noch bergauf.   

Die Saison 2020/2021 unter Oliver Glasner war eine sehr erfolgreiche, denn der VfL qualifizierte sich nach längerer Zeit wieder für die Champions League. War das die sportlich schönste Saison?

Koen: Ohne Frage. Wir sind Vierter geworden und haben uns somit für die Champions League qualifiziert. Allein aus diesem Grund muss man von der sportlich schönsten Saison reden. Es war aber insgesamt auch eine eigenartige Saison – mit Corona und ohne unsere Fans im Stadion. In dieser ungewohnten Situation haben wir es dennoch richtig gut durchgezogen, waren erfolgreich und haben attraktiven Fußball gespielt. Dann haben wir uns am Ende mit dem Champions-League-Platz belohnt. Das war für uns Spieler ein Meilenstein.

Du hast viele Trainer bei uns miterlebt – unter anderem Dieter Hecking, Bruno Labbadia, Oliver Glasner. Wer war der prägendste in dieser Zeit?

Koen: Ich habe in meiner Zeit beim VfL einige Trainer gehabt. Man muss natürlich sagen, dass wir mit Bruno Labbadia und Oliver Glasner sehr erfolgreich waren und uns schließlich für Europa qualifiziert haben. Wenn man am Ende der Saison dort oben steht, hat man seine Aufgaben herausragend gemacht. Das waren sehr schöne Jahre. Nichtsdestotrotz hatte ich auch andere sehr gute Trainer, die sich bei anderen Klubs beweisen haben, aber vielleicht nicht im richtigen Moment beim VfL waren oder wo es aus anderen Gründen nicht gepasst hat.

Bereits im September hast du bekannt gegeben, dass du den VfL verlassen wirst. Was waren deine Beweggründe dafür?

Koen: Es gab für mich verschiedene Faktoren. Nach neun Jahren bei einem Verein muss man sich natürlich überlegen, ob man den Vertrag verlängert oder etwas anderes ausprobiert. Bei mir war es so, dass ich sportlich eine neue Herausforderung annehmen möchte. Ich weiß, dass ich diese Entscheidung jetzt treffen musste und nicht mit 35. Bei dieser Entscheidung musste ich vieles berücksichtigen. Ich habe Familie und habe intensiv mit meiner Frau gesprochen. Wir haben zwei kleine Kinder, auch das spielt eine wichtige Rolle bei einer so großen Entscheidung. Letztlich haben wir zusammen beschlossen, dass wir gerne woanders hinziehen würden. So ist die Entscheidung früh gefallen, beim VfL nicht zu verlängern und eine neue Herausforderung anzugehen.

Wie geht es jetzt weiter für dich? Steht dein neuer Verein schon fest?

Koen: Einen neuen Verein habe ich bisher nicht. Es ist der Branche üblich, sich ab Januar mit anderen Vereinen auszutauschen, wenn man einen auslaufenden Vertrag hat. Somit gab es bereits erste Gespräche, aber es steht noch nicht zu hundert Prozent fest, bei welchem Verein ich in der nächsten Saison spielen werde.

Wie wirst du in Zukunft auf Wolfsburg zurückblicken?

Koen: Die Verbindung zu Wolfsburg ist auf jeden Fall groß. Mein Sohn ist in Wolfsburg geboren. Dadurch wird der Bezug zur Stadt und zum Verein immer bleiben. Wenn ich nach meiner aktiven Zeit als Profi auf meine Karriere zurückblicke, wird Wolfsburg auf jeden Fall meine längste Station gewesen sein und jene, die es mir ermöglicht hat, von einem jungen zu einem gestandenen Bundesliga-Torwart zu werden. Ich glaube nicht, dass ich jetzt noch zehn Jahre bei einem Verein auf diesem Niveau spielen werde. Wolfsburg wird immer das Größte in meiner Karriere sein. Ich werde für immer dankbar sein und werde den Klub und die Stadt immer in meinem Herzen tragen.