Der „Tormann im leuchtend roten Pullover“ bekam in den Zeitungen besonders viel Lob. Von überragenden Reflexen war zu lesen, mit denen Helmut Bräutigam dem VfL Wolfsburg zum Start in die Spielzeit 1954/1955 bei Altona 93 ein Unentschieden sicherte. Für das Team von Ludwig Lachner war das 2:2 ein gewaltiger Erfolg, zumal im allerersten Erstligaspiel der Vereinshistorie. „Die Jahre in der Oberliga Nord waren schon toll, aber auch davor und danach hatte ich beim VfL eine wunderbare Zeit“, so Bräutigam, der zehn Jahre – von 1951 bis 1961 – bei den Wölfen im Tor stand.
Flucht und Neuanfang im Westen
Wer zu seiner aktiven Zeit alles vor seinem Kasten vorstellig wurde, beeindruckt: Uwe Seeler natürlich, Charly Dörfel, Pico Schütz und sogar Pele. Noch lebhaft vor Augen hat der 82-Jähríge aber auch ein Spiel mit der Stadtauswahl Plauen. Gegner war der Dresdner SC, für den der spätere Bundestrainer Helmut Schön auf dem Platz stand. Dort, in Plauen, wurde Bräutigam geboren und nahm auf spektakuläre Weise nach Ende der Nazi-Zeit sein Leben selbst in die Hand, als er sich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in den Westen aufmachte. „Das war nicht ungefährlich, ich bin einfach in den Zug gestiegen. Meine Familie habe ich erst Jahre später wiedergesehen“, erinnert er sich. Über einen Kontaktmann landete Bräutigam 1948 in Minden, wo er bei den örtlichen 05ern wieder mit dem Fußballspielen begann. Bis es ihn zwei Jahre später aus beruflichen Gründen weiter nach Niedersachsen zog.
Wolfsburg statt Löwenstadt
Eintracht Braunschweig hieß die Zwischenstation. Schon jetzt war Bräutigam damit in der ersten Liga angekommen und fand vor Ort zudem bei Volkswagen Arbeit. Ganz zufrieden aber war er noch nicht. „Mein Wunsch war eine Anstellung als Elektro-Maschinenbauer, denn das hatte ich in Plauen gelernt. Und diese Chance bekam ich in Wolfsburg.“ Ein Doppelwechsel also: von der Eintracht zum VfL sowie zeitgleich ins Volkswagen Mutterhaus. An beiden Orten schlug Bräutigam Wurzeln. Im Werk stieg er bis zum Industriemeister auf; die Reparaturen großer Maschinen für alle Außenwerke, etwa von Turbinen und Trafos, gehörten zu seinem Alltag. Als er 1993 in den Ruhestand ging, hatte er die Leitung über eine 60 Mitarbeiter starke Abteilung.