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„Fast immer oben mitgespielt“

Wie stand es um den VfL, als die Bundesliga eingeführt wurde? Ex-Wolf Uwe Funke erinnert sich.

Der VfL Wolfsburg in der Saison 1966/1967 als Mitglied der Regionalliga Nord, der höchsten Spielklasse unterhalb der Bundesliga. Ganz rechts ist Cheftrainer Imre Farkaszinksi zu sehen. Ganz links: Uwe Funke.

In knapp der Hälfte aller Spielzeiten haben die Wölfe tatsächlich schon mitgewirkt. Und zwar ununterbrochen. Als am heutigen Donnerstag vor genau 60 Jahren nach langem Vorlauf die Fußball-Bundesliga startete, da lag das Oberhaus für Grün-Weiß noch ziemlich weit entfernt. Wie er den Stapellauf damals als VfL-Spieler wahrgenommen hat, warum ihn der Berufsfußball anfangs gar nicht lockte und inwiefern der VfL Wolfsburg vom Betriebsbeginn der Belletage profitierte, darüber sprach Uwe Funke (80) – Verteidiger der Grün-Weißen von 1958 bis 1972 – im Interview.

Uwe Funke, vor genau 60 Jahren ging die Bundesliga an den Start. Wie war das damals?

Uwe Funke: Die Einführung war ja lange im Gespräch gewesen. Aber so richtig greifen konnte ich, als es nun so weit war, das Ganze noch nicht. Natürlich habe ich die Spiele dann trotzdem verfolgt. Zu dieser Zeit hieß das vor allem: Ich habe die Berichte in der Zeitung gelesen.

Seit dem Ende seiner fünfjährigen Erstligazeit 1959 war der VfL Amateuroberligist und damit logischerweise kein Kandidat für einen Platz unter den 16 Gründungsmitgliedern. Wären Sie trotzdem gern dabei gewesen?

Funke: Ehrlich gesagt: nein. Die Gründung zog ja automatisch die Einführung des Profußballs mit sich, auch wenn die meisten Spieler anfangs nur Halbprofis waren. Früher oder später hätte man also seinen Beruf aufgeben müssen. Und das wäre zu diesem Zeitpunkt für mich nicht in Frage gekommen. Mein Schwerpunkt lag eindeutig da, wo ich verlässliches Geld verdiente, nämlich auf meinem Arbeitsplatz im Werk.

Ihr Interesse am Oberhaus war also nicht nur ein allgemeines, sondern auch ein persönliches.

Funke: Ganz genau. Wie für den Fan war das Produkt Bundesliga für mich als Spieler durchaus reizvoll. Ich verbinde mit den Anfängen vor allem aber diese gedankliche Abwägung, ob ich mich – mit dem VfL oder einem anderen Klub – auf das Wagnis einlassen und diese Sicherheit aufgeben würde. Im Falle einer Verletzung hätte man vor großen Problemen stehen können. Dass ich diese Entscheidung nicht treffen musste, darüber war ich froh, auch wenn ich Wolfsburg die Bundesliga damals natürlich gewünscht hätte. Vielen meiner Mitspieler ging es ganz ähnlich, denke ich.

Auch um die Wölfe herrschte trotzdem Euphorie seinerzeit. Was war los im Verein?

Funke: Für uns gab es den positiven Effekt, dass wir nun nicht mehr in der Amateuroberliga, sondern in der neuen Regionalliga spielen durften. Denn unterhalb der Bundesliga wurden die Spielklassen ebenfalls umstrukturiert. Das passierte im besten Moment: Wir konnten uns durch unseren guten Tabellenplatz (1962/1963 errang der VfL in der Amateuroberliga Niedersachsen die Meisterschaft und sicherte sich damit sein Ticket für die Regionalliga-Qualifikation, in der er sich dann durchsetzen konnte; Anm. der Redaktion) für die neue zweithöchste Spielklasse qualifizieren. Das bedeutete für uns Spieler erstens neue Vertragsvereinbarungen mit dem Verein und zweitens Gegner, mit denen wir vorher kaum jemals zu tun hatten wie St. Pauli, Osnabrück oder Arminia Hannover. Neuerdings gegen solche Teams anzutreten, war spannend und hat Spaß gemacht.


Außerdem schafften es die Wölfe zum ersten und einzigen Mal ins Finale um die Amateur-Meisterschaft. Welchen Stellenwert hatte dieses Ereignis?

Funke: Das war eine große Sache für den Verein und die Stadt. Das Endspiel wurde ja in Kassel ausgetragen, trotzdem gab es für uns enorme Unterstützung von den Rängen, was auch am Volkswagen Werk vor Ort gelegen hat. Eigentlich haben wir das Spiel auch diktiert, durch einen Sonntagsschuss hat der VfB Stuttgart aber mit 1:0 gewonnen. Hinterher gab es in Wolfsburg dennoch einen großartigen Empfang. Wer dabei gewesen ist, der wird sich gern daran erinnern.

Auch ohne Bundesliga-Teilnahme war das Jahr 1963 also für den VfL Wolfsburg ein gutes.

Funke: Definitiv. Wir hatten eine junge, starke Mannschaft zusammen, die bei den Leuten gut angekommen ist. Es war eine gewisse Begeisterung zu spüren, zumal die Neueinteilung der Spielklassen uns auch die Chance eröffnet hat, viel schneller ganz oben anzukommen.

Wie weit blieb in den folgenden Jahren die Bundesliga für Wolfsburg weg?

Funke: Wir haben zu den besten norddeutschen Mannschaften gehört und in der Regionalliga fast immer oben mitgespielt. Unsere Spieler stammten zum Großteil aus dem Einzugsgebiet. Wenn doch mal jemand von außerhalb kam, dann hat er sich möglicherweise auch ausgemalt, mit dem VfL aufsteigen zu können. Allerdings muss man klar sagen: In der Regel kamen die Spieler nach Wolfsburg, weil es bei Volkswagen gutes Geld zu verdienen gab. 

Im Jahr 1970 hätte es fast funktioniert: Unter Imre Farkaszinski konnte sich der VfL als Ligazweiter für die Aufstiegsrunde qualifizieren.

Funke: Ja, da war die Bundesliga zum Greifen nah. Ich selbst gehörte da nicht mehr zum Team, denn kurz zuvor hatte ich mich reamateurisieren lassen. Auch als Spieler der zweiten Mannschaft habe ich davon aber natürlich viel mitbekommen.

 


Sie haben die kompletten 60er hindurch bis 1972 für die Wölfe gespielt. Gab es in der Zeit mal ein Angebot aus dem Oberhaus?

Funke: Mitte der 60er wäre ich fast zu Holstein Kiel gewechselt. Es scheiterte aber, weil die Störche sich dann in der Aufstiegsrunde nicht durchsetzen konnten. Mit Hertha BSC stand ich auch mal in Kontakt. Doch dann kam es zum großen Bundesligaskandal, woraufhin die Berliner absteigen mussten. Und auch mit 1860 München war es zwischendurch mal konkret.

In diesen Fällen hätten Sie Ihre Stelle im Werk dann also doch aufgegeben.

Funke: Das stimmt wohl. Gedanklich habe ich in diesen Momenten zumindest alles wieder durchspielen müssen. Wenigstens im Fall von 1860 München habe ich mich bewusst dagegen entschieden. Meiner Philosophie, dass Fußball ein Hobby bleiben sollte, bin ich letztlich treu geblieben und habe es nie bereut. Im Gegenteil: Die gesamte weitere Entwicklung des Profifußballs habe ich immer relativ kritisch gesehen.

Heute spielt der VfL seine 27. Bundesliga-Saison hintereinander. Hätten Sie das Ihrem Verein und dem Standort Wolfsburg damals zugetraut?

Funke: Dem Standort mit Volkswagen im Hintergrund vielleicht schon. Auch zu meiner Zeit gab es immer mal wieder Leute im Umfeld des Vereins, die sich mit einer professionelleren Ausrichtung beschäftigt und Möglichkeiten im Werk dazu ausgelotet haben. Aber unterm Strich: Nein, an eine solche Erfolgsgeschichte hätte ich damals nicht geglaubt.


„Aktionstag der Fußballgeschichte“: Der 24. August 1963 ist für den deutschen Fußball ein historisches Datum. Nach jahrzehntelangen Vorbereitungen rollte an diesem Tag erstmals in einer einheitlichen deutschlandweiten obersten Spielklasse der Ball. Die Bundesliga war geboren – und wurde zum einmaligen Erfolgsprodukt. Zum 60. Geburtstag der Liga hat das Netzwerk deutschsprachiger Fußballmuseen und Vereinsarchive, zu dem auch der VfL Wolfsburg zählt, erstmals einen „Aktionstag der Fußballgeschichte“ organisiert. Museen und Archive zahlreicher angeschlossener Vereine beteiligen sich mit vielfältigen Beiträgen und Veranstaltungen daran. Im Rahmen des Aktionstages wurde auch dieses Interview produziert.