Frauen

„Das Maximale erreichen“

Almuth Schult blickt vor dem Saisonfinale auf ihre letzte Spielzeit in Grün-Weiß zurück.

Ihr 180. Bundesliga-Einsatz dürfte ein besonders emotionaler werden – weil vorläufig kein weiterer hinzukommen wird: Im abschließenden Saison-Heimspiel der VfL-Frauen gegen Bayer 04 Leverkusen am kommenden Sonntag, 15. Mai (Anstoß um 14 Uhr/live im NDR und auf Magenta Sport), wird Almuth Schult  zum letzten Mal vor heimischem Publikum das Tor der Wölfinnen hüten. Die 31-Jährige wird nach der Europameisterschaft in die US-amerikanische Profiliga NWSL wechseln und ihre Karriere bei Angel City, einem neugegründeten Klub aus Los Angeles, fortsetzen. Im Interview spricht Schult über das bevorstehende Saisonfinale und ihre zu Ende gehende Zeit im grün-weißen Rudel.

Almuth Schult, du wirst am Sonntag zum letzten Mal im AOK Stadion zwischen den Pfosten stehen. Überwiegt die Vorfreude auf die Meisterfeier oder doch die Wehmut?

Almuth Schult: Eher die Wehmut, auch wenn ich mich natürlich auf die Meisterfeier freue. Wir haben die Meisterschaft in der letzten Woche klargemacht, sodass der ganz große Druck nicht mehr vorhanden ist. Wenn wir noch einen Sieg benötigen würden, wäre es etwas anderes. Ich habe viele Tickets für Familie und Freunde besorgt, weil die alle bei meinem letzten Heimspiel dabei sein wollen. Und klar kann ich das jetzt auch nicht mehr ausblenden.

Für dich ist es bereits die sechste Deutsche Meisterschaft. Welchen Stellenwert hat dieser Titelgewinn für dich?

Almuth: Das kann ich schwer sagen. Ich hatte jedes Jahr das Ziel, mit dem VfL Wolfsburg Deutscher Meister zu werden. Und es war immer eng. Mir war auch dieses Jahr klar, dass wir um den Titel spielen werden, weil wir einfach eine große Motivation hatten, uns den Titel vom FC Bayern München zurückzuholen. Ein besonderer Titel ist immer auch der erste – und das war bei mir auch so. Das Endspiel am Elsterweg 2014 war schon ein Highlight in meiner Zeit hier. Aber nochmal: Eine Einordnung der Titel finde ich schwierig.

Vor der Saison war der FC Bayern München von vielen favorisiert. War das vielleicht das Besondere an der Meisterschaft 2021/2022?

Almuth: Klar war Bayern Favorit. Aber wir sind der VfL Wolfsburg und unser Verständnis ist es, immer das Maximale erreichen zu wollen. Spielerinnen, die schon länger hier sind, verkörpern diesen Siegeswillen und tragen ihn auch in die Mannschaft. Das ist die Mentalität, die den VfL seit nunmehr einem Jahrzehnt auszeichnet. Und natürlich kam in dieser Saison noch ein Stück Motivation dazu, gegen die Einschätzung von außen anzukämpfen.


Sportlich geht es nicht mehr um alles, das gilt auch für Gegner Bayer 04 Leverkusen. Was ist die Zielsetzung für das Saisonfinale?

Almuth: Unser Ziel ist es, in allen Statistiken vorne zu sein. Wir wollen die meisten Tore geschossen, die wenigsten Gegentore kassiert und die meisten Siege eingefahren haben. Genau deshalb wollen wir auch dieses Spiel gewinnen. Am liebsten zu Null und mit mehr als einem Tor Abstand.

Du hast dich in Jena sichtbar über den Gegentreffer geärgert, dabei stand es zu diesem Zeitpunkt bereits 7:0. Ist das sinnbildlich für die Mentalität dieser Mannschaft?

Almuth: Auf jeden Fall. Ich habe mich ja nicht nur geärgert, sondern meine Vorderleute auch angemeckert. Das gehört aber dazu. Jedes Gegentor ist ärgerlich, erst recht, wenn es in einem unkonzentrierten Moment passiert. Wir haben den Anspruch, unser Spiel über 90 Minuten durchzuziehen – nur so gewinnt man hoch. Wir hätten ja bei 2:0 aufhören und uns zurücklehnen können. Souveränität ist ein hohes Gut, das man sich erarbeiten muss und da haben Nachlässigkeiten keinen Platz.

Wenn man von Schlüsselspielen in dieser Saison spricht, wird oft Chelsea genannt. Trainer Tommy Stroot sagt, auch die Rückschläge wie die Niederlagen gegen Hoffenheim und Turin waren Schlüsselmomente. Wie siehst du das?

Almuth: Genauso. Ein Sportler wächst durch Niederlagen. Man lernt am meisten aus Fehlern und das ist bei Niederlagen der Fall. Man bekommt direkt ein Feedback, was nicht gut gelaufen ist. In der nächsten Situation weiß man dann, was man besser machen muss. Übertragen auf uns bedeutet das, dass nicht nur das 1:5 in Barcelona wichtig war, sondern mehr noch die Niederlagen in der Hinrunde oder auch die Punktverluste in Freiburg und Leverkusen. Diese Erfahrungen haben uns definitiv weitergebracht.

Woran hat es denn in der Hinrunde konkret noch gefehlt?

Almuth: Man muss einfach sehen, dass die erste Saisonhälfte diesmal viel intensiver und auch anstrengender wie sonst war. So viele englische Wochen zu so einem frühen Zeitpunkt kannten wir nicht. Auch Bayern hat in dieser Phase Punkte liegengelassen, Hoffenheim als Champions-League-Teilnehmer ebenso. Wenn man das noch nicht mitgemacht hat, kann man es nicht nachvollziehen, wie anstrengend es ist, alle drei, vier Tage zu spielen. Man hat in der Hinrunde auch gesehen, dass die Frauen-Bundesliga im Laufe der Jahre ausgeglichener geworden ist. Vor ein paar Jahren hätte man Spiele beim Tabellensiebten einfach trotzdem mit 5:0 gewonnen. Da gab es in der Champions League auch mal Rückspiele, in denen man sich etwas zurücklehnen konnte, weil das Hinspiel schon deutlich ausging. Jetzt war von Anfang an Feuer drin.


Beim Feiern nach dem Spiel wurde wie üblich nach dir gerufen, als es darum ging, die Humba anzustimmen. Hast du schon eine Nachfolgerin eingearbeitet, die diesen Job in der neuen Saison übernehmen kann?

Almuth: Es wird sich schon jemand finden – mein erster Gedanke ist, dass es Poppi machen könnte. Dass ich die Humba anstimme, hat sich von Anfang an etabliert. Vielleicht lag es an meiner lauten Stimme. Oder weil ich auch gerne feiere. Ich habe es gerne gemacht und ab der neuen Saison darf es jemand anderes machen.

Vielleicht darfst du deine Abschluss-Humba in Köln anstimmen, nach einem erfolgreichen DFB-Pokalfinale. Das wäre doch der perfekte Abschluss, oder?

Almuth: Ja, absolut. Dann hätten wir mit dem neunten DFB-Pokalsieg den Rekord des 1. FFC Frankfurt eingestellt, diese Titel aber in einem deutlich kürzeren Zeitraum gewonnen. Das wäre tatsächlich ein perfekter Abschluss!

Zum Abschluss noch ein Blick voraus: Mit dem Engagement in den USA erfüllst du dir einen Traum. Was reizt dich gerade an der NWSL und dem Projekt Angel City?

Almuth: Die NWSL ist eine sehr ausgeglichene Liga, was besonders für eine Torhüterin interessant ist. Man bekommt einfach mehr zu tun. Normalerweise gibt es in Europa zwei, drei Top-Klubs, die um den Titel spielen. In den USA weiß man nie, wer Meister wird, weil das System dort ein völlig anderes ist. Die Spielerinnen sind bei der Liga angestellt, in jedem Team gibt es sechs internationale Plätze, man draftet College-Spielerinnen. Ich wollte auch mal die andere Fußballkultur kennenlernen – und der amerikanische Fußball ist anders. Es wird nicht so technisch versiert gespielt, dafür wird öfter aus der zweiten Reihe geschossen. Es werden mehr Bälle in den Strafraum geflankt und mehr in die Tiefe gespielt. Das ist etwas anderes als der taktisch-technische Fußball in Europa. Ich freue mich sehr auf diese Erfahrung.

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