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„Da staune ich immer wieder“

Transparenz und Geheimzahl: Sportdirektor Sebastian Schindzielorz im Interview.

Wenn die Telefon-Flatrate ausgereizt wird und die Bildschirmzeit in die Höhe schießt, ist klar, dass sich Sebastian Schindzielorz und der VfL Wolfsburg gerade in der Transferphase befinden. Im Interview spricht der Sportdirektor über den Spaß am Stress, die Rückrunde in der Bundesliga und seine Geheimzahl.

Sebastian Schindzielorz, in der Politik steht nach 100 Tagen im Amt traditionell ein erstes Fazit an. In etwa drei Wochen feiern Sie Ihr einjähriges Jubiläum als Sportdirektor beim VfL Wolfsburg. Wie bewerten Sie die ersten zwölf Monate Ihrer Amtszeit?

Sebastian Schindzielorz: Anders als es in der Politik der Fall ist, blicke ich nicht auf einen zusammenhängenden Zeitraum zurück, sondern auf einen Teil der vergangenen Saison und einen der aktuellen. Deshalb ist es sehr schwierig, ein sportliches Fazit zu ziehen. Mein persönliches Resümee fällt allerdings sehr positiv aus. Ich bin hervorragend in die VfL-Familie aufgenommen worden. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal bei allen Kolleginnen und Kollegen bedanken, die mir den Einstieg so leicht gemacht haben.

Sind Sie inzwischen eingespielt oder gibt es noch regelmäßig Dinge, die neu sind?

Schindzielorz: Auch wenn ich schon einige Jahre in Wolfsburg gespielt habe, war natürlich vieles neu für mich, ob Personal oder Prozesse. Mittlerweile würde ich sagen, dass ich die meisten Gesichter kenne und alle wichtigen Abläufe einmal miterlebt habe. Wir arbeiten aber in einem sehr dynamischen Bereich, deshalb gehe ich davon aus, dass es immer wieder zumindest kleine Neuerungen geben wird. Das macht es aber umso interessanter.

Auf dem Posten des Sportdirektors haben Sie Marcel Schäfer beerbt, der nach viereinhalb Jahren zum Geschäftsführer ernannt wurde. Wie läuft die Zusammenarbeit?

Schindzielorz: Unser Verhältnis ist wirklich von einer sehr guten Kommunikation, Vertrauen und Transparenz geprägt. Das gilt auch für die Arbeit mit dem Team um uns herum. Marcel war einer der ausschlaggebenden Faktoren, warum ich zum VfL Wolfsburg zurückgekehrt bin. Bislang gab es noch kein Thema, bei dem einer von uns eine völlig andere Sicht hatte als der andere. Trotzdem diskutieren wir oft kontrovers, um am Ende die beste Lösung für den Verein zu finden.

Unser Verhältnis ist wirklich von einer sehr guten Kommunikation, Vertrauen und Transparenz geprägt. Das gilt auch für die Arbeit mit dem Team um uns herum. Marcel war einer der ausschlaggebenden Faktoren, warum ich zum VfL Wolfsburg zurückgekehrt bin.
Sebastian Schindzielorz

Wie kann man sich die tagtägliche Arbeit eines Sportdirektors vorstellen?

Schindzielorz: Im Moment befinden wir uns mitten in der Transferphase, kurz vor dem Re-Start der Bundesliga. Deshalb liegt der Fokus derzeit auf Gesprächen mit Spielerberatern und Abstimmungen auf sportlicher Ebene. Man muss stets auf dem neuesten Stand sein, deshalb hole ich mir regelmäßig Updates. Zum Beispiel: Wie sehen die Trainer die aktuelle Entwicklung der Mannschaft? Anhand dieser Informationen werden dann Entscheidungen für die Zukunft getroffen. Wenn das Transferfenster geschlossen ist, sieht es etwas anders aus. Dann widme ich mich vermehrt internen Themen, schaue, wo ich in der Mannschaft, im Trainerteam oder im Staff unterstützen kann. Doch es dauert nicht lange, bis es schon wieder mit den Vorbereitungen auf die nächste Transferphase losgeht.

Die Schlagzahl wird in Zeiten wie diesen sicherlich etwas höher sein. Macht die Transferphase trotzdem am meisten Spaß?

Schindzielorz: Es gibt tatsächlich keine Aufgabe, die mir keinen Spaß bereitet. Der Job ist immer spannend, bringt immer wieder neue Themen. Der Schwerpunkt liegt selbstverständlich auf den Transfers, dort entsteht auch die meiste Dynamik. Der Informationsfluss und das Tempo, in dem sich Situationen verändern, sind extrem schnell. Auch wenn es manchmal sehr kräftezehrend ist, könnte ich mir nichts Besseres vorstellen.

Haben Sie eine grobe Idee, wie oft Sie am Tag telefonieren?

Schindzielorz: Das nicht, aber jeden Montag bekomme ich eine Übersicht meiner Bildschirmzeit der vergangenen Woche. Da staune ich immer wieder, wie oft und lange ich auf dieses Display starre. Aber das gehört dazu, das Handy ist ein unverzichtbares Medium, durch das man mit Menschen auf der ganzen Welt vernetzt ist.

Wie hoch ist Ihre durchschnittliche Bildschirmzeit?

Schindzielorz: Diese Zahl behalte ich lieber für mich (lacht). Ich versuche, die Bildschirmzeit meiner Kinder etwas zu begrenzen. Wenn ich jetzt meine offenbare, gerate ich möglicherweise in einen internen Konflikt.

Auf den Wetterbericht schaut man in diesen Tagen eher ungern. Anders hat das noch vor einer Woche beim Trainingslager im portugiesischen Almancil ausgesehen. Gibt es einen Spieler, der Sie dort besonders überrascht hat?

Schindzielorz: Ich bin jemand, der gerne das große Ganze sieht. Auch wenn es natürlich mal vorkommt, dass ein Spieler in einem Zeitraum einen größeren Sprung macht als andere. Grundsätzlich bin ich mit der Wintervorbereitung sehr zufrieden. Wir hatten optimale Bedingungen und bis auf die Erkrankung von Ridle Baku vor der Abreise keine neuen Ausfälle zu verzeichnen. Jetzt stehen wir vor dem entscheidenden Punkt, an dem wir das umsetzen müssen, woran wir in den vergangenen Wochen intensiv gearbeitet haben.

Mit dem Auswärtsspiel in Mainz am Samstag endet die Hinrunde der Bundesliga-Saison 2023/2024. Was erwarten Sie von der zweiten Halbserie?

Schindzielorz: Wir haben in der Nachbetrachtung der ersten 16 Spiele klar und deutlich gesagt, dass wir nicht zufrieden sind. Weil wir nach einem guten Start in eine Phase gekommen sind, in der wir einfach zu viele Punkte liegen gelassen haben. Wir haben beispielsweise auswärts in Hoffenheim, Stuttgart und Augsburg sowie zuhause gegen Bremen geführt, letztlich stand nach diesen vier Spielen aber nur ein Punkt auf der Habenseite. Jeder Einzelne muss in den kommenden Wochen und Monaten alles geben, damit wir deutlich besser abschneiden als im bisherigen Verlauf der Hinrunde. Und ich möchte betonen, dass ich damit wirklich jeden meine – Team, Staff, Mitarbeitende, Fans. Wir wollen unsere Wagenburg-Mentalität stärken und gemeinsam die Dinge angehen.

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