Männer

„Wir haben noch viel vor“

Der ägyptische Wolf Omar Marmoush vor dem Gladbach-Spiel im Interview.

Die VfL Wolfsburg-Spieler jubeln nach dem Spiel zusammen.

Der VfL verpflichtete Omar Marmoush 2017 vom ägyptischen Klub Wadi Degla FC, der sich dann über Einsätze im Nachwuchsbereich der Wölfe für die Profis empfehlen konnte, wo er 2020 seine Bundesliga- und Europa-League-Debüts feierte. Nach zwei erfolgreichen Leihen zum VfB Stuttgart und zum FC St. Pauli ist der heute 23-Jährige zu Saisonbeginn wieder zu den Grün-Weißen zurückgekehrt und stand seitdem in jedem Pflichtspiel auf dem Rasen. Über seine persönliche und fußballerische Entwicklung fernab der Heimat, seinen weltberühmten Sturmpartner in der ägyptischen Nationalelf sowie die sportliche Situation der Wölfe steht Marmoush im Interview Rede und Antwort.

Omar Marmoush, zunächst einmal Kompliment für deine beeindruckenden Deutschkenntnisse. Wo hast du unsere Sprache so gut gelernt?

Omar Marmoush: Als ich 18 war, habe ich ja hier in der zweiten Mannschaft gespielt und ich habe schon nach einer Woche direkt mit Deutschunterricht angefangen – das habe ich zwei- bis dreimal die Woche für eineinhalb Stunden durchgezogen. Zudem haben wir natürlich viel unter den Spielern gesprochen. Ich war sozusagen gezwungen, Deutsch zu reden. Das hat mir sehr geholfen.

Und wie hast du dich generell in Deutschland eingelebt?

Omar: Ich habe mich gut eingelebt, auch wenn es am Anfang natürlich schwierig war. Ich kam ja aus Ägypten und damit aus einer ganz anderen Kultur, zum Beispiel auch mit ganz anderem Essen. Vor allem fiel es mir anfänglich nicht so leicht, allein zu leben. Wenn man bei seinen Eltern wohnt, macht man ja nicht so viel im Haushalt. Als ich gekommen bin, musste ich deshalb erstmal lernen, zu kochen und zu waschen. Ägypten ist ja eine sehr stark familiär orientierte Gesellschaft, ich war es aus der Heimat gewohnt, mich jede Woche mit meiner großen Familie zu treffen oder auch mit meinen Freunden rauszugehen. Deshalb war es am Anfang schon schwer, von Familie und Freunden, zu denen ich ein sehr enges Verhältnis hatte, getrennt zu sein. Aber ich wollte immer diesen Weg gehen und in Europa spielen dürfen.

Du bist Anfang dieser Saison nach einer erfolgreichen Zwischenstation bei den Kiezkickern wieder zum VfL zurückgekehrt. Wie wichtig waren die Leihen zu St. Pauli und zuvor zum VfB Stuttgart für dich und deine Entwicklung?

Omar: Die waren sehr, sehr wichtig für mich. Als ich zu St. Pauli gegangen bin, hatte ich hier nicht so große Chancen, in der Startelf zu sein und viel zu spielen. Ich wurde immer mal wieder eingewechselt, aber ich wollte den nächsten Schritt gehen und ein gestandener Bundesliga-Spieler werden. Manchmal muss man einen Schritt zurück machen, um danach zwei Schritte nach vorne zu gehen. Manche sagen, es sei ein Risiko, in die zweite Liga zu gehen, wenn du schon Bundesliga spielst. Aber ich wusste, was für eine Qualität ich habe und ich wollte einfach jede Woche spielen, um das zu zeigen. Das hat mir letztlich also geholfen. Auch die Leihe nach Stuttgart war ein guter Schritt für mich, es ist schon etwas anderes, in der Bundesliga Leistung zu zeigen als in der zweiten. Ich denke, da habe ich mich auch beweisen können, ich war ein paar Spiele sehr gut drauf. Wenn man die Liga kennt und dann zu einem großen deutschen Verein wie dem VfL zurückkehrt, hat man viel bessere Chancen, es in die Startelf zu schaffen und seine Einsatzzeiten zu bekommen.

Unter Niko Kovac hast du dir einen Stammplatz erobert, du standest in jedem Pflichtspiel der Wölfe auf dem Rasen. Wie ist deine Gefühlslage derzeit?

Omar: Die ist natürlich gut, ich bin mit meinem Treffer im Pokal gut reingekommen in die Saison. Dann hatten wir eine schwierige Phase, wir mussten die Spielidee des Trainers verstehen und versuchen, sie umzusetzen. Jetzt sieht man immer mehr, wie wir spielen wollen, auch wenn natürlich noch nicht alles gut ist. Ich versuche immer das zu machen, was der Trainer von mir möchte und was die Mannschaft von mir braucht. Momentan bin ich glücklich, meine Einsätze zu haben. Ich versuche weiter, der Mannschaft mit Torbeteiligungen zu helfen, damit wir erfolgreicher werden.

Ich versuche immer das zu machen, was der Trainer von mir möchte und was die Mannschaft von mir braucht. Momentan bin ich glücklich, meine Einsätze zu haben. Ich versuche weiter, der Mannschaft mit Torbeteiligungen zu helfen, damit wir erfolgreicher werden.

Zuletzt warst du sogar zweimal als zentrale Spitze in der Startelf, während Lukas Nmecha von der Bank kam. Du kannst aber auch flexibel auf den offensiven Flügelpositionen spielen. Wo kannst du deine Stärken am besten ausspielen?

Omar: Genau, ich bin flexibel, was die Positionen in der Offensive angeht. Ich fühle mich im Sturmzentrum oder auf dem linken Flügel etwas wohler, als Mittelstürmer hat man viel mehr Platz, da kann man gut aufdrehen und einfach in den Aktionen sein. Auf den Flügeln ist das Spiel laufintensiver, weil man ein Teil des Mittelfelds ist. Aber wo ich am Ende spiele, ist mir relativ egal.  Hauptsache, ich stehe auf dem Platz, bringe Leistung und helfe der Mannschaft damit.

Mit der ägyptischen Nationalelf musstet ihr zuletzt zwei bittere Niederlagen gegen den Senegal hinnehmen. Ihr unterlagt sowohl im Finale des Afrika-Cups als auch im entscheidenden Play-off-Spiel zur WM jeweils im Elfmeterschießen. Wie sehr schmerzen dich diese Niederlagen noch? 

Omar: Klar, das war sehr enttäuschend. Für uns als Spieler, aber auch für das ganze Land. Man hat auf den Afrika-Cup gehofft und natürlich auch die WM-Qualifikation erwartet. Ich selbst sehe das etwas differenzierter: Es war der erste Afrika-Cup, bei dem ich dabei war und ich habe direkt alle Spiele von Anfang an gemacht. Aber natürlich, wenn man im Finale ist und das mit Ägypten, das mit sieben Titeln die erfolgreichste Nation in diesem Wettbewerb ist, erwarten die Fans von uns, dass wir den Pokal nach Hause holen. Deshalb war es natürlich sehr enttäuschend und es hat bei mir auch ein wenig gedauert, das abzuschütteln. Wir hatten uns dann vorgenommen, das mit der WM-Qualifikation wieder gutzumachen – für unsere Fans und unser Land. Das haben wir auch nicht geschafft. Das war ebenfalls sehr schmerzhaft. Aber man lernt daraus, es waren wichtige Erfahrungen für mich und wir alle wissen, was wir das nächste Mal besser machen müssen. Und es wird sicherlich ein nächstes Mal geben.

Hättest du vielleicht besser einen der Elfmeter geschossen?

Omar: (lacht) Ich wurde immer eingewechselt und hatte nicht das Glück, einen Elfmeter zu schießen. Natürlich ist das in einer solchen Situation auch sehr stressig, aber ich hätte geschossen. Ich weiß, was für Abschlussqualitäten ich habe. Ich hätte den hoffentlich reingemacht, auch wenn es selbstverständlich immer auch mal schiefgehen kann.

In der Nationalmannschaft spielst du an der Seite von Weltstar Mo Salah. Was kannst du dir von einem solchen Stürmer-Weltstar abschauen?

Omar: Es kommt selten vor, dass man einen solchen Weltstar an seiner Seite erlebt und von diesem lernen kann. Ich musste in meinen ersten zwei, drei Länderspielen erstmal damit klarkommen, dass er, zweifellos einer der besten Spieler der Welt, in der Nationalmannschaft neben mir spielt und mit mir trainiert. Aber es hat mir natürlich sehr geholfen, da ich mir vieles abschauen konnte, was er auf und abseits des Platzes macht. Denn abgesehen von den Trainingsleistungen sind es auch wichtige Erfolgsfaktoren, wie man sich ernährt, wie man schläft und wie man mit Regeneration umgeht. An vielen kleinen Details sieht man schon einen Unterschied zwischen normalen Profispielern und einem solchen Weltstar. Kleine Details eben, die den nächsten Entwicklungsschritt bringen.

Was würdest du als deine Stärken bezeichnen? Wo gibt es noch Entwicklungspotenzial?

Omar: Ich würde sagen, meine Stärken sind mein Tempo, meine Abschlüsse und auch meine Dribblings, Aber ich kenne auch meine Schwächen und weiß um viele Dinge, an denen ich arbeiten muss. So muss ich lernen, wie ich mich in der Defensivbewegung auf dem Platz bewege. Offensiv habe ich immer meine Aktionen, aber ich muss auch meinen defensiven und taktischen Teil für die Mannschaft erfüllen, um ihr noch mehr zu helfen. Und auf jeden Fall gehört auch mein linker Fuß zu den Dingen, wo es noch Verbesserungspotenzial gibt.

Welche Ziele hast du mit dem VfL und persönlich?

Omar: Unser Ziel ist ganz klar, einen europäischen Platz zu erreichen. Jetzt sieht es gerade nicht so aus, wie wir uns das vorgestellt haben. Aber im Fußball kann alles passieren und wir arbeiten jeden Tag hart daran, damit wir unsere Ziele als Mannschaft erreichen. Ich glaube auch, dass wir das schaffen, wir brauchen nur ein wenig Zeit. Wir sind nicht so gut gestartet in die Saison, aber das Geile am Fußball ist ja, dass man das immer aufholen kann.

Nach schwierigem Saisonstart habt ihr zuletzt gegen Stuttgart und in Augsburg immerhin vier Punkte holen können. Wie bewertest du die derzeitige sportliche Situation?

Omar: Gegen Stuttgart in den letzten Minuten das Siegtor zu schießen, hat uns gepusht. In Augsburg war das dann sicher ein schwieriges Spiel, was deren intensive Art, aber auch das Drumherum mit den Fans angeht. Aber wir konnten dort auch eine andere mannschaftliche Seite zeigen, also einfach mit allen Mitteln gegen den Ball zu kämpfen und uns durchzusetzen – auch wenn das nicht unser Fußball ist. Aber das sah schon gut aus und wir arbeiten weiter an unseren Schwächen. Denn wir haben noch viel vor. Um auf einem europäischen Platz zu stehen, muss man einfach in jedes Spiel reingehen, um zu gewinnen – und nichts anderes.

Nun kommt mit Borussia Mönchengladbach ein Gegner, der sich nach einem 1:5 in Bremen zuletzt mit dem 5:2 im rheinischen Derby gegen Köln eindrucksvoll zurückgemeldet hat. Was für ein Spiel erwartest du? Wie könnt ihr die Fohlen knacken?

Omar: Ich glaube, dass das ein geiles Spiel wird – und ein ganz anderes als gegen Augsburg. Denn die Gladbacher wollen, wie wir auch, von hinten rausspielen, beide Mannschaften wollen Fußball spielen. Man wird am Wochenende dann sehen, wer am Ende zielstrebiger, aber auch zielgenauer ist. Wir freuen uns darauf und sind auf jeden Fall bereit.

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