Akademie

„Spannende und intensive Zeit“

Interview mit VfL-Akademie-Direktor Michael Gentner.

Michael Gentner steht auf dem Balkon der VfL-Akademie. Im Hintergrund sieht man die Trainingsplätze der Nachwuchsmannschaften des VfL Wolfsburg.

Seit Februar letzten Jahres begleitet Michael Gentner die Position des Akademie-Direktors beim VfL Wolfsburg. In einem ersten Fazit blickt der 40-Jährige auf die knapp zwölf Monate zurück, sagt, was schon sehr gut lief und wo es noch Reserven gibt. Sowohl sportlich als auch infrastrukturell bewertet er seine erste Zeit beim Wölfe-Nachwuchs.

Michael Gentner, du bist jetzt seit Februar letzten Jahres beim VfL. Wie sieht dein erstes Fazit aus?

Michael Gentner: Ich kann feststellen, dass ich bislang auf eine spannende und intensive Zeit zurückblicke, in der wir schon an verschiedenen Stellschrauben gedreht haben und sehr effektiv und erfolgreich waren. Wir stehen aktuell mit vielen Mannschaften tabellarisch sehr gut da. Auch inhaltlich haben wir im letzten Jahr große Fortschritte gemacht. Ich bin sehr zufrieden, wie das vergangene Jahr hier vonstattengegangen ist und freue mich auf 2023.

Gibt es eine Mannschaft, bei der du besonders stolz darüber bist, wie sie dastehen?

Michael: Grundsätzlich bin ich erst einmal mit dem gesamten Personal hier in der Akademie sehr zufrieden. Ich habe schon versucht, hier einen neuen Spirit reinzubringen. Aus dem Schwabenland habe ich mitgebracht, dass wir viel arbeiten, und ich versuche das vorzuleben. Alle Mitarbeiter gehen den Weg auch mit. Dadurch war es möglich, sehr erfolgreich zu spielen, wobei sicherlich die U17 herausragt. Zwölf Siege in Folge, wie in der bisherigen Saison 2022/2023, habe ich auch in meinen 20 Jahren beim VfB Stuttgart nicht erlebt. Auch mit der U19 bin ich zufrieden, auch wenn es zwischenzeitlich eine leichte Schwächephase gab. Die U16 hat noch gar kein Spiel verloren und steht völlig zurecht auf Platz eins. Auch die U15, U14 und U13 leisten viel, wir machen sportlich gesehen unsere Hausaufgaben. Wir freuen uns über die Zwischenstände, wobei die Chance bei der U17, um die Deutsche Meisterschaft mitzuspielen, zum Greifen nahe ist. Das ist schon sehr beeindruckend.

Bei der U19 in der Ligastaffel hat Spitzenreiter Hertha BSC aktuell sieben Punkte Vorsprung, wenn der VfL sein Nachholspiel gewinnt. Was denkst du, können wir da noch einmal angreifen?

Michael: Wenn es so ist und wir haben noch die Möglichkeit, dann freue ich mich. Natürlich liegt unser Hauptaugenmerk darauf, dass wir U19-Spieler unserer Profiabteilung anbieten wollen. Das hat in den letzten Wochen sehr gut funktioniert mit toller Kommunikation und regelmäßigem Austausch. Da denke ich an Akteure wie Lukas Ambros, Manuel Braun oder auch David Odogu, welche alle gerade mit den Profis im Trainingslager weilen. Aber auch Joao Pinto und Vin Kastull kamen schon bei den Profis zum Einsatz. Das sind die Dinge, mit denen wir vor allem den A-Junioren-Bereich messen.

Wie wichtig ist das, auch wenn man bedenkt, dass bereits in der Sommervorbereitung U19-Spieler wie Felix Lange und Kofi Amoako oben waren?

Michael: Das ist unser Job als Akademie, immer wieder Akteure gut weiterzuentwickeln und anzubieten. Erstens werden wir daran gemessen, wie gut wir Spieler ausbilden. Zweitens müssen wir natürlich immer auch wieder Fenster bekommen, um unsere Talente im Profibereich des VfL anbieten zu können. Das hat in letzter Vergangenheit sehr gut funktioniert und daher sind wir auch sehr dankbar, dass die Profiabteilung mit uns auch den Austausch sucht und wir Spieler immer wieder platzieren können.

Gibt es Spieler, denen es gelingen kann, grundsätzlich bei den Profis zu bleiben?

Michael: Wenn wir es schaffen, aus jedem Jahrgang einen Spieler so auszubilden, dass er mit in den Kader rutscht, dann wären wir schon sehr froh. Wenn ich auf unseren älteren Jahrgang schaue, haben wir mit Lukas Ambros einen Akteur, dem wir es zutrauen, im kommenden Jahr dort mit dabei zu sein. Er hat jetzt die Möglichkeit, sich dauerhaft im Training der Profis zu zeigen. Es ist wichtig, dass er sich mit den Lizenzspielern messen kann. Mit Dzenan Pejcinovic haben wir einen weiteren U19-Akteur, der eh schon fest zum Profi-Trainingskader gehört. Beide haben auch international bereits viel an Erfahrung sammeln können – Dzenan beim DFB und Lukas bei der tschechischen Auswahl. Aber sicherlich verfügen wir hier in der Akademie noch über weitere Talente, die den Sprung nach oben dauerhaft schaffen könnten.

Die Kommunikation zwischen Profis und Akademie ist gut. Bekommt ihr vom Profi-Cheftrainer Niko Kovac auch ein Feedback?

Michael: Da gibt es mit Co-Trainer Robert Kovac, mit dem ich im ständigen Austausch stehe, eine direkte Kontaktperson zu mir. Der Austausch ist sehr eng und eine gute Basis, das gegenseitige Feedback steht da an erster Stelle. Auch zu unserem Partner, der Eichendorffschule, gibt es einen engen Draht, gerade wenn es zu Trainingsabstellungen unserer Spieler für die Profiabteilung kommt und die Talente vom Unterricht freigestellt werden müssen.

Maximilian Arnold hat kürzlich geäußert, dass den Spielern in der Akademie sehr viel ermöglicht wird. Siehst du darin vielleicht auch ein Problem?

Michael: Maximilian hat auf jeden Fall Recht damit, dass man nicht alle Widerstände aus dem Weg räumen darf. Das ist trotzdem ein zweischneidiges Schwert. Man muss auch eine gewisse Infrastruktur schaffen, dass die guten Talente den Weg in die VfL-Akademie finden. Wir vergleichen uns schon mit den Top-NLZs in Deutschland. Daher müssen wir auch über dieses Level verfügen, um die Top-Talente für uns gewinnen zu können. Sie müssen von unserem Weg überzeugt werden. Gleichzeitig gebe ich aber Maxi insofern Recht, weil die Jungs es verstehen müssen, gegen Widerstände anzukämpfen.

U19-Trainer Daniel Bauer hat seinen Vertrag langfristig verlängert. Wie wichtig war dieser Schritt?

Michael: Das war keine kurzfristige Entscheidung, mit Daniel zu verlängern, weil ich schon in der letztjährigen Rückrunde ein sehr gutes Gefühl hatte, das sich in der Herbstserie noch stabilisiert hat. Auch weil er die Motivation hatte, hier weiterzuarbeiten, sind wir schnell auf einen gemeinsamen Nenner gekommen. Wir haben als Akademie auch den Auftrag, neben Spielern Trainertalente auszubilden und zu fördern. Wir verfügen insgesamt über hochmotivierte Coaches, auch außerhalb der U19.

Wie wäre es, irgendwann einen Jugendtrainer bei den Profis platzieren zu können?

Michael: Dagegen würden wir uns natürlich nicht wehren, irgendwann einmal einen Jungendcoach im großen Stadion sehen zu können. Es muss nicht unbedingt gleich ein Cheftrainer sein, sondern vielleicht auch jemand, der zum Trainerteam dazustößt. In meiner Zeit in Stuttgart konnte ich das mehrfach erleben, dass vormalige Jugendcoaches zum Cheftrainer der Profis aufgestiegen sind. 

Wenn du die Nachwuchsabteilungen des VfB Stuttgart und VfL Wolfsburg vergleichst, wo liegen da die Unterschiede?

Michael: Zuallererst infrastrukturell. Wolfsburg hat natürlich mit 130.000 Einwohnern deutlich weniger als Stuttgart mit seinen 600.000 Bewohnern. Daher gibt es dort numerisch sicherlich mehr Talente. Das ist ein sehr großer Unterschied, so dass wir hier in Wolfsburg schauen müssen, wo wir innerhalb der Stadt unsere Hausaufgaben machen müssen. Wir müssen hier früher über den Tellerrand hinausschauen, das heißt, wir generieren früher Talente aus Berlin, Hamburg, Hannover und dem Osten. Ein großer Unterschied ist zudem, dass beim VfL mehr Internats- und WG-Plätze vorhanden sind, einfach auch deshalb, da in Stuttgart viele Spieler noch zu Hause wohnen können.

Wie wichtig für die Akademie ist die Scoutingabteilung?

Michael: Wir beginnen ja mit unseren vier regionalen Kooperationspartnern, im unteren Altersbereich zu arbeiten, also der U10 bis zur U13, um auch da schon gute Talente aus der Stadt und Region sichten zu können. Ab dem C-Junioren-Bereich wird dann überregional gesichtet. Im Scoutingbereich sind wir aktuell mit unserer Manpower schon sehr gut aufgestellt. Auch mit dem Scoutingbereich der VfL-Profis herrscht ein reger Austausch, gerade wenn es um internationale Sichtungen geht.