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„Ich hoffe, dass es regnet wie Sau“

Makkabi-Cheftrainer Wolfgang Sandhowe im Interview vor dem ersten Pokalauftritt der Wölfe.

TuS-Makkabi-Trainer Sandhowe im Interview vor dem Spiel gegen den VfL Wolfsburg.

Er ist der Vater des Erfolges. Wolfgang Sandhowe (69), der 2019 den Cheftrainer-Posten beim ersten VfL-Pokalgegner TuS Makkabi Berlin (Anstoß des Duells ist am Sonntag, 13. August, um 15.30 Uhr im Berliner Mommsenstadion) übernahm, gilt als ehrgeizig und zielorientiert. Ein Jahr zuvor stand der gebürtige Münsterländer und frühere Profispieler mit dem Berliner SC bereits im Landespokal-Finale, mit Türkiyemspor Berlin hatte er sich schon 1991 diesen Titel gesichert. Im Interview spricht Sandhowe nicht nur über den Weg des Oberligisten in den DFB-Pokal und das bevorstehende Duell mit den Wölfen, sondern auch über seine besondere Beziehung zu Hermann Gerland, Jupp Derwall und den beiden Kovac-Brüdern, auf die er sich am Pokalspieltag besonders freut.

Wolfgang Sandhowe, beschreiben Sie doch mal Ihre Gefühlslage, als am 18. Juni die Losfee Sarah Vogel (Junioren-Europameisterin im Stabhochsprung) in die Kugeln griff, um die 1. Runde des DFB-Pokals auszulosen.

Wolfgang Sandhowe: Unsere Equipe, die im Dortmunder Sportmuseum war, war voller Erwartungen. Jeder Amateurverein möchte Bayern München oder eine andere attraktive Mannschaft ziehen. Für uns wäre das an erster Stelle natürlich auch ein Stadtderby gegen Hertha oder Union gewesen. Wichtige Kriterien sind ja, dass das Stadion voll wird, die Emotionen hochleben und dass man sich zudem vielleicht eine kleine Chance ausrechnen darf. Ich persönlich fand das Los VfL Wolfsburg aber super – vor allem auch, weil ich die beiden Kovac-Brüder kenne. Robert habe ich beim 1. FC Nürnberg betreut und Niko wollte ich mal zu den Reinickendorfer Füchsen holen, der ist dann aber lieber zu Hertha gegangen. Ich freue mich also sehr darauf, die beiden wiederzusehen.

Zwei Wochen zuvor ist Ihrem Team mit dem 3:1 nach Verlängerung gegen Sparta Lichtenberg der große Coup gelungen: Erstmalig zog mit Makkabi Berlin ein jüdischer Klub in die Hauptrunde des DFB-Pokals ein. Zuvor wurde im Halbfinale mit Regionalligist Viktoria Berlin auch ein höherklassiges Team und gleichzeitig der Titelverteidiger aus dem Wettbewerb gekegelt. Wie haben Sie den diesjährigen Berliner Landespokal erlebt?

Sandhowe: Der Landespokal hat immer gewisse Reize. Man spielt gegen ganz Berlin und mit ein bisschen Losglück kann man relativ weit kommen. Aber man muss auch eine gute Mannschaft haben, die haben wir für Amateur-Verhältnisse. Als es gegen Viktoria Berlin ging, waren wir gewappnet und haben auch verdient gewonnen. Dann folgte das Finale gegen Sparta Lichtenberg – eine Mannschaft, die auf Kunstrasen hochrangige Konkurrenten wie BFC Dynamo ausgeschaltet hatte. Aber auf Rasen haben wir sie geschlagen und damit ist es uns gelungen, als erste jüdische Mannschaft in den DFB-Pokal einzuziehen. Isaak Koblenz und ich lagen uns in den Armen und haben die eine oder andere Träne vergossen. Denn wir haben damit Geschichte geschrieben. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, läuft mir schon wieder ein Schauer über den Rücken. Es war einfach ein wunderbares Erlebnis.

Und die Feier nach dem Finalsieg?

Sandhowe: Ich habe nach dem Spiel zu unserem Präsidenten gesagt: Herr Koblenz, ich trinke fast nie – es sei denn, Hermann Gerland kommt. Dann trinke ich schonmal einen Whiskey Cola mit ihm. Aber heute Abend werde ich saufen bis zum Umfallen. Denn wir haben etwas erreicht, was noch keine nicht-israelische Mannschaft zuvor erreicht hat, die den Davidstern auf dem Trikot trägt. Darauf muss man einfach stolz sein. Die Feier war einfach toll.

Gibt es eine besondere Botschaft, die Sie mit diesem Sensations-Coup verbinden?

Sandhowe: Wichtig ist: Auch wenn wir unter dem jüdischen Stern spielen, sind wir eigentlich eine Multikulti-Truppe mit 16 verschiedenen Nationalitäten. Wir sind stolz darauf, dass uns daher etwas ganz Besonderes gelungen ist. Die politische Botschaft heißt ganz klar: Wir schaffen es, mit unheimlich vielen Nationalitäten, Religionszugehörigkeiten, Emotionen und Ansichten eine echte Mannschaft zu bauen. Ich habe in meiner eigenen Zeit bei Makkabi nicht einmal irgendeine antisemitische Entgleisung gegen uns erlebt. Egal wo, wir wurden überall so höflich empfangen, wie es sich gehört.

Sein Spruch war immer ‚Malochen, Malochen‘ und das haben wir dann auch gemacht. Ich würde sagen: Er war hart, aber fair – genauso wie Hermann Gerland. Als Menschen waren sie top, sie haben einem aber auch viel abverlangt. Heute würden viele Spieler da wahrscheinlich gar nicht richtig mitziehen wollen. Zu der Zeit waren die Trainer einfach anders gestrickt, sie waren harte Hunde. Aber sie haben einen auch gelobt, wenn man etwas richtig gut gemacht hat.
Robert Kovac über Wolfgang Sandhowe

Wie sehen die Zielvorgabe und die Hoffnungen für das Spiel gegen die Wölfe aus?

Sandhowe: Ich kenne die Kovac-Brüder ja, ihre Mannschaften sind immer gut trainiert und fit. Trotzdem wollen wir die klitzekleine Chance, die wir haben, ergreifen. Ich fasse unsere Hoffnungen mal so zusammen: Ich wünsche mir als Trainer für dieses Spiel einen Scheißplatz, der uneben ist und holprig. Wir haben vielleicht sogar das Glück, dass einen Tag vorher ein American-Football-Spiel im Mommsenstadion stattfindet. Ich hoffe somit, dass der Rasen fast unbespielbar ist und dass es dazu auch noch regnet wie Sau. Und ich hoffe, dass alle denken: Wer ist Makkabi? Die hauen wir mit links weg! Wir wollen als Amateurverein so auftreten, dass alle sagen: Mensch, es war doch gar nicht so einfach, gegen uns zu spielen! Wir wollen alles in die Waagschale werfen und mit Herz agieren, auch wenn der VfL natürlich klarer Favorit ist.

Unter Ihnen zeigt die sportliche Entwicklung von Makkabi steil nach oben: 2022 Aufstieg in die Oberliga, dort sofort Dritter und dann der historische Erfolg, der nun mit dem Spiel am Sonntag gegen den VfL Wolfsburg seine Krönung findet. Was geben Sie Ihren Schützlingen, zu denen ja auch ihr Sohn Leon gehört, mit auf den Weg?

Sandhowe: Wir haben diesen Verein aus dem Dornröschenschlaf erweckt und sind jetzt nicht nur in Berlin bekannt, sondern auch darüber hinaus. Zu Leon möchte ich kurz sagen, dass er den Großteil der Spieler, die dafür gesorgt haben, dass wir so gut sind, herangeholt hat. Aber auch Herr Koblenz spielt eine enorm wichtige Rolle für den Erfolgsweg. und blickt voll durch, was fußballtaktische Dinge angeht. Egal, ob es beim Spiel gegen die Wölfe nun regnet oder nicht: Wir wollen das Spiel, dem wir alle entgegenfiebern, annehmen, so wie es ist. Wir freuen uns unheimlich darauf.

Wie bereits im Landespokal-Finale wird wieder im Mommsenstadion gespielt. Ein gutes Omen also?

Sandhowe: (lacht) Ja, ich hoffe. Aber ich weiß nicht, ob wir so gut sind, um das Omen umzusetzen. Die Spieler haben gesagt: Trainer, wir trainieren jeden Abend, wir können rennen wie die Hasen, wir stehen hinten gut und haben vorne ein, zwei schnelle Leute. Trotzdem muss ich meinen Jungs ja auch die Wahrheit sagen, die lautet: Wenn vieles zusammenkommt, haben wir eine kleine Chance, aber eigentlich sind wir glasklarer Außenseiter.

Ihre Vita ist spannend: Sie selbst gingen in den 80er Jahren als Offensivkraft über 100-mal in der 2. Liga auf Torejagd. Nach der aktiven Karriere holte Sie Ihr Kumpel Hermann Gerland zu den Amateuren vom VfL Bochum, ehe Sie unter Jupp Derwall Co-Trainer von Galatasaray Istanbul wurden…

Sandhowe: Von Jupp Derwall habe ich gelernt, wie man mit den Spielern umgeht. Er war immer sehr höflich, ohne jemanden zu beleidigen. Ich habe in den 40 Jahren Trainerdasein noch nie jemanden beleidigt und will auch nicht beleidigt werden. Ich habe eine humanistische Ausbildung, für mich stehen ethische Werte im Vordergrund. Doch wenn wir auf dem Platz stehen, sagen die Jungs, bin ich ein anderer Mensch und bin dann ein Tier und versuche alles, um zu gewinnen und Feuer zu entfachen. Auch von Hermann habe ich gelernt. Er war in der Kabine wie ein Tiger, daher ja auch sein Spitzname.

Welchen Stellenwert hat der Pokalerfolg und das folgende Highlight gegen einen Bundesligisten im Baukasten ihrer gesamten Trainerlaufbahn?

Sandhowe: Das Höchste war, als wir mit Galatasaray 1988 als erste türkische Mannschaft im Halbfinale des Pokals der Landesmeister gegen Steaua Bukarest – mit Gheorghe Hagi und Co – standen, nachdem wir vorher Monaco ausgeschaltet hatten. Danach wurden wir zum damaligen türkischen Staatspräsidenten eingeladen. Wir sind in Istanbul am Flughafen gelandet, da habe ich den Boden gar nicht berührt, weil wir getragen wurden. Das sind Erlebnisse, die man nie vergisst. Gleich danach an zweiter Stelle kommt natürlich das jetzige Erlebnis mit Makkabi dem besonderen historischen Hintergrund. Wenn Präsident und Trainer sich weinend in den Armen liegen, hat das natürlich einen sehr hohen Stellenwert in meiner Laufbahn.

Unter Hermann Gerland waren Sie auch Co-Trainer beim 1. FC Nürnberg, einer Ihrer Schützlinge war der jetzige VfL-Assistenzcoach Robert Kovac, mit dem Sie nach der Auslosung auch telefonierten. Welche Erinnerungen haben Sie noch an die damalige Zeit und Robert?

Sandhowe: Hermann sagte, ich solle irgendeinen Manndecker aus Berlin mitbringen, der etwas kann. Ich sagte: Hermann, ich weiß da einen bei Zehlendorf, der kann noch nicht viel, aber der ist relativ schnell und der geht in den Zweikampf. Also habe ich den Robert Kovac nach Nürnberg mitgebracht und habe jeden zweiten Tag 40 Kopfbälle am Kopfballpendel. Hinterher war er ein Kopfball-Ungeheuer und wurde dann noch kroatischer Nationalspieler.

Dieses Interview findet sich auch in der Sonderausgabe des Makkabi-Stadionhefts „am start“ zum Pokalduell gegen die Grün-Weißen, das im Matchcenter zum Spiel zu lesen ist.

Matchcenter: Alle Infos zur Partie gegen Makkabi