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„Ich freue mich auf das, was das Leben noch mit sich bringt“

Wölfin Tabea Sellner über ihren anstehenden Abschied aus dem Sport.

Am Mittwoch hat VfL-Spielerin Tabea Sellner bekannt gegeben, ihre aktive Karriere im Sommer zu beenden. Im Interview spricht sie über ihre Entscheidung, ihre Zeit bei den Wölfinnen und ihre Erfahrungen als Mutter im Spitzensport.

Tabea Sellner, es sind nur noch wenige Wochen bis zu deinem Karriereende beim VfL Wolfsburg. Wie fühlt sich das für dich an? Denkst du schon viel darüber nach oder liegt der Fokus noch mehr auf dem Hier und Jetzt?

Tabea Sellner: Es ist ein Mix. Im Training ist man voll dabei, hat Spaß mit der Mannschaft und den vollen Fokus auf dem Fußball. Aber zwischendurch kommen natürlich Gespräche auf, in denen einem bewusst wird: Es sind nur noch 21 Einheiten oder so. Ich versuche, das alles bewusst zu genießen und Spaß zu haben. Mal schauen, wie emotional es zum Schluss wird.

War die Entscheidung für das Karriereende ein längerer Prozess?

Tabea: Auf jeden Fall. Viele sagen, man würde spüren, wenn der richtige Moment gekommen ist – und ich konnte mir nie vorstellen, wie genau man das spüren soll. Aber dann war da plötzlich dieses Bauchgefühl, das immer wieder aufkam. Natürlich habe ich überlegt, ob ich mit meiner Familie und unserem Kleinen noch einmal ins Ausland gehen oder andere Erfahrungen sammeln will. Doch am Ende ist das Bauchgefühl geblieben. Ich bin sehr stolz auf meine Karriere und hätte nie gedacht, dass ich so viel erleben darf. Und ich finde es schön, dass ich selbst die Entscheidung treffen konnte. Mir geht es gut, ich hätte auch weitermachen können – aber so fühlt es sich genau richtig an. Jetzt freue ich mich auf das, was das Leben noch so mit sich bringt.

Hast du schon Pläne für die Zeit nach dem Fußball, die du teilen magst?

Tabea: Wir wollen erst einmal ein bisschen reisen und nicht direkt von einem ins nächste Projekt springen. Mir ist wichtig, Zeit zu haben, um alles zu verarbeiten und sacken zu lassen. Danach möchten wir näher in Richtung Heimat ziehen und ins normale Berufsleben einsteigen. Meine Doktorarbeit habe ich vor einem Monat abgegeben – mal sehen, was jetzt noch alles kommt.

Worauf freust du dich in der verbleibenden Zeit beim VfL besonders?

Tabea: Es ist ein Privileg, sein Hobby zum Beruf machen zu dürfen. Ich freue mich darauf, das alles noch einmal zu genießen – mit den Fans im Stadion, auf dem Platz, beim Fußballspielen. Und dann freue ich mich aber auch auf freie Wochenenden, darauf normal Urlaub nehmen zu können und flexibler zu sein.

Wenn du auf deine Zeit beim VfL zurückblickst – welche Momente sind dir besonders in Erinnerung geblieben?

Tabea: Meine erste Saison hier war schon krass. Ich glaube, für uns alle. Niemand hätte damit gerechnet, dass es so gut läuft. Ich hätte vorher nicht gedacht, dass ich so viel spiele. Das Spiel gegen Chelsea, das wir mit 4:0 gewonnen haben, war dann ein absolutes Highlight. Aber natürlich auch das Spiel gegen Barcelona, bei dem über 91.000 Zuschauer waren. Die Meisterschaften und Pokalsiege waren ebenfalls unglaublich. Besonders war außerdem das Florenz-Spiel, es geschafft zu haben, mit Kind zurück auf den Platz zu kommen. Insgesamt war alles dabei: schöne und auch schwierige Phasen. Beides gehört zum Fußball dazu.

Gerade deine letzte Saison hier war sicher besonders – auch wenn du weniger gespielt hast, oder?

Tabea: Auf jeden Fall. Ich finde es immer noch faszinierend, wozu der weibliche Körper in der Lage ist. Es ist wirklich beeindruckend und schön zu erleben, dass eine Rückkehr in den Leistungssport nach der Schwangerschaft mit dem entsprechenden Rückhalt möglich ist und auch so schnell. Dass ich wieder auf ein Top-Niveau zurückkommen konnte, macht mich stolz. Natürlich war die Situation für mich zum Ende der Saison hin teilweise auch frustrierend. Man möchte mehr spielen, mehr zeigen, wozu man in der Lage ist. Aber im Leistungssport ist die Konkurrenz groß und man kann letztlich nur trainieren und sich anbieten – entscheiden tun dann andere.

Was wünschst du dir in Zukunft für Spielerinnen, die einen ähnlichen Weg gehen möchten wie du?

Tabea: Ich hoffe sehr, dass sich die Bedingungen im deutschen Frauenfußball in dieser Hinsicht noch weiter verbessern und mehr Verantwortliche sehen, dass die Rückkehr auf den Platz möglich ist. Es ist möglich, wieder fit zu sein und auf einem sehr hohen Niveau zu spielen. Ja, man ist ein Jahr oder so raus, was für die Vereine natürlich erstmal nicht so toll ist. Gleichzeitig bringt diese Erfahrung aber auch Vorteile, von denen die Klubs profitieren können. Man wird zum Beispiel reifer und erwachsener.

Spürst du gleichzeitig, dass sich in den letzten ein oder zwei Jahren schon etwas bewegt hat?

Tabea: Ja, man merkt, dass sich etwas tut. Gleichzeitig muss noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden. Viele Klubs haben sich bisher kaum mit dem Thema beschäftigt. Inzwischen hört man aber immer öfter von Spielerinnen, die schwanger sind und zurückkehren. Und genau diese Spielerinnen braucht es, damit Klubs und Verbände sehen, dass es funktioniert und wie. Wir mussten diesen Weg ein Stück weit bereiten, damit es für andere in Zukunft einfacher wird.

War es dir wichtig, ein Vorbild zu sein?

Tabea: Es war in dem Sinne nie mein Ziel, Vorbild zu sein. Aber ich freue mich natürlich, wenn ich für zukünftige Spielerinnen, die während ihrer Karriere Mutter werden wollen, ein Vorbild sein darf. Das ist etwas sehr Schönes.

Ein großer Teil deiner Karriere fand bei der TSG Hoffenheim statt. Das wollen wir an dieser Stelle nicht ausklammern. Denkst du noch oft an die Zeit zurück?

Tabea: Auf jeden Fall. Ich bin dort groß geworden. Ich weiß gar nicht, ob man heute noch so einen Weg gehen kann, wie ich ihn damals gegangen bin. Ich durfte mich in Ruhe entwickeln, habe über die zweite Mannschaft den Sprung geschafft. Es sind Freundschaften entstanden, die bis heute halten. Dafür bin ich dem Fußball sehr dankbar – das bleibt ein Leben lang.

Und wie sieht es mit der Nationalmannschaft aus? Da war sicher die EM 2022 ein ganz besonderes Kapitel, oder?

Tabea: Absolut. Das bleibt für immer. Es war eine einzigartige Zeit – und das, was wir da ausgelöst haben, ist fast immer noch nicht zu begreifen. Wir haben einfach Fußball gespielt, und plötzlich war da dieser riesige Hype. Aber auch sonst: Die Gänsehaut, die man bekommen hat, wenn man die Nationalhymne gehört hat – das war ein echtes Privileg und bleibt für immer in Erinnerung.

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