Das Thema Nachhaltigkeit hat beim VfL Wolfsburg nicht nur einen hohen Stellenwert, sondern auch verblüffend viele Facetten. Jüngstes Beispiel: Manche Zutaten für die Mahlzeiten der Profis brauchen inzwischen nicht mehr eingekauft oder angeliefert zu werden – sondern wachsen direkt auf dem Klubgelände. In zwei gewaltigen Hochbeeten, zwischen den Trainingsplätzen und dem VfL-Center errichtet, ziehen die Grün-Weißen seit einiger Zeit Kräuter und Gemüse heran. Wenn in der kommenden Woche die Saisonvorbereitung beginnt, wird Mannschaftskoch Marvin Mende bereits auf eine große Vielfalt aus frischen Zutaten aus eigener Herstellung zugreifen können. Eine Bereicherung soll die Ernte aber nicht nur für die Mahlzeiten sein.
Frühaufsteher und Kräuterprofi
Wer sich mit Mende über das Thema Hochbeet unterhält, gerät gleich mehrfach ins Staunen. „Wenn ich gegen 4.30 Uhr hier ankomme, drehe ich als erstes eine Runde ums Beet und ernte, was ich für den Tag brauche“, berichtet er zum Beispiel. Da lange Tage in seiner Branche normal sind, kommen ihm verkürzte Wege entgegen. Auch sonst betrachtet der 34-Jährige die zwei gemauerten Backsteinkästen, zehn Meter lang und einen halben Meter breit, als großen Gewinn. „Sowas habe ich mir immer gewünscht. Es gibt keine langen Lieferwege, wir wissen genau, woher alles kommt. Mehr Regionalität geht nicht.“ Was man schon ahnt: Für Liebstöckel, Sauerampfer, Bärlauch und Co. hat Mende ein Faible. „Man hat mich früher immer schon ‚Kräuterhexe‘ genannt“, sagt er lächelnd. Die Errichtung der Beete stieß der Koch, der in seine fünfte Saison bei den Wölfen geht, aus Versehen deshalb selbst auch mit an. „Ich hatte mir heimlich zwei Gewächshäuser aufgestellt. Als Jörg Schmadtke darauf aufmerksam wurde, hat er gesagt: Komm, da bauen wir etwas hin.“
Auch medizinische Effekte
Im April ging es an die Bepflanzung, im Mai waren die ersten Wildkräuter fertig. Thymian, Rosmarin, Salbei, Minze, aber auch verschiedene Salate, Radieschen, Gurken und Möhren – für seine Menüs kann sich der gebürtige Wolfsburger direkt vor der Küchentür bedienen. Wenn er die Profis bald bis zu dreimal täglich beköstigt, dann geht es nicht nur um Beilagen und die Veredelung der Gerichte. „Wir produzieren auch Erfrischungsgetränke wie Limonade und Tee und nutzen die Ernte außerdem als Heilkräuter“, erklärt Mende und nennt „Kräuteraufgüsse mit antiviraler und entzündungshemmender Wirkung, die sich auch präventiv einsetzen lassen.“ Neben dem kulinarischen ergibt sich somit gar ein medizinischer Mehrwert. „Die Vorzüge sind unheimlich vielfältig. Für Ernährung im Leistungssport bietet das Ganze hervorragende Voraussetzungen.“
Anbaufläche wird noch erweitert
Bei der Pflege der Beete unterstützen im Alltag die VfL-Greenkeeper, eine eingebaute Bewässerungsanlage kümmert sich ums Gießen. Damit der Kreislauf weitergeht, werden die Samen der Pflanzen gesichert. Mit Blick auf den Herbst freut sich Mende, der in einem Dreierteam in der Küche arbeitet, schon auf die Kohlsaison. An weiteren Ideen mangelt es ihm nicht. „Da wir noch Platz in den Beeten haben, planen wir noch mehr anzubauen. Quinoa zum Beispiel ist eine wunderbare Sättigungsbeilage. Auch weitere Wildkräuter wie Kapuzinerkresse sind noch geplant.“ Im Hause spürt Mende für das Hochbeet-Projekt viel Interesse und Zuspruch. Auch viele Spieler haben sich schon erkundigt. „Das Schöne ist: Man kann sehen, wie alles wächst und hat einen persönlichen Bezug dazu. Es macht einfach alle glücklich. Und zwar nicht nur die, die hinter dem Herd stehen.“