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„Eines der ganz großen Highlights in meiner Karriere“

Tobias Rau erzielte das erste Länderspieltor eines VfLers für Deutschland.

Der ehemalige VfL Wolfsburg-Spieler Tobias Rau läuft im Nationaltrikot über den Rasen der Volkswagen Arena.

Erstmals gastierte die deutsche Nationalmannschaft für ein Länderspiel im Jahr 2003 in Wolfsburg. Am 1. Juni bestritt die DFB-Elf gegen Kanada ein Freundschaftsspiel. Vor 25.000 Zuschauern setzte sich das von Rudi Völler trainierte Team 4:1 durch. Den Endstand markierte kein geringerer als Tobias Rau. Der damalige VfLer lief vor 20 Jahren für sein Heimatland auf – es war sein drittes Länderspiel – und traf als erster „Wolf“ im ersten Länderspiel in Wolfsburg für den DFB. Grund genug, sich mit dem Ex-Profi vor dem Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Japan, an dieses besondere Ereignis zu erinnern.

Kennen sie noch das Ergebnis aus der letzten Begegnung zwischen Deutschland und Japan?

Tobias Rau: Ich weiß, dass es bei der Weltmeisterschaft in Katar gewesen sein muss, aber kann mich nicht mehr an das genaue Ergebnis erinnern.

Sie haben verloren, oder?

Rau: Ja, genau – zum Auftakt gab es im vergangenen Jahr gegen Japan eine 1:2-Niederlage.

Was wissen Sie über den aktuellen Gegner?

Rau: Ehrlich gesagt, wenig Konkretes. Außer, dass Japan wirklich eine gute Mannschaft hat. Aber welches Nationalteam ist heute nicht mehr gut? Die Japaner sind in der aktuellen Situation auf jeden Fall ein schwieriger Gegner. 

Sie sprechen es an. Zuletzt blieben die guten Leistungen der DFB-Elf immer häufiger aus. Wie kann das Team wieder zurück in die Erfolgsspur kommen?

Rau: Das DFB-Team erlebt gerade eine schwierige Situation, in der viele Faktoren mit hineinspielen: einerseits der Fußball an sich, der durch die Kommerzialisierung immer mehr Glanz verliert, andererseits natürlich auch die ernüchternden Ergebnisse der deutschen Nationalmannschaft. Ich glaube, es müsste einen Aha-Moment geben, der vielleicht durch gute Leistungen initialisiert werden kann. Und dann brauchen wir natürlich auch eine Gesellschaft, die nicht immer nur auf Fehlersuche ist, sondern sich auf die schönen Sachen des Fußballs konzentriert. Viele wollen gerne Fehler suchen – und dann findet man natürlich auch welche.

Könnte diese Initialzündung dem DFB-Team in Wolfsburg schon gelingen?

Rau: Es könnte natürlich ein erster Schritt sein, um Euphorie für die Europameisterschaft im nächsten Jahr zu bekommen. Einen kompletten Turnaround hinzubekommen, schätze ich schwierig ein. Aber es wäre schön, wenn die Mannschaft einen Schritt in die richtige Richtung macht.

Wie sehr sind Sie selbst noch Fan?

Rau: Fan ist ein großes Wort. Ich bin interessiert. Früher war es noch anders, da hat man sich mit Freunden im Garten getroffen, gegrillt und die Spiele angesehen. Das mache ich jetzt nicht mehr, was viele verschiedene Gründe hat.

Was verbinden Sie persönlich mit den Stichwörtern Volkswagen Arena, Nationalmannschaft und Kanada?

Rau: Das sind für mich unvergessliche Schlagworte, denn das Länderspiel in Wolfsburg zählt für mich zu einem der ganz großen Highlights in meiner Karriere. Da kam in wenigen Wochen so viel zusammen: das Angebot von Bayern München, der Abschied aus Wolfsburg, wo ich wirklich zwei perfekte Jahre hatte, die für mich nur schön waren. Zum Abschluss in der Volkswagen Arena ein Tor zu schießen, war unbeschreiblich.

Um es noch einmal zusammenzufassen. Sie waren der erste VfLer, der für Deutschland getroffen hat – und das beim ersten Länderspiel einer deutschen Nationalmannschaft in Wolfsburg. Mehr Klischee geht nicht, oder?

Rau: Ja, das stimmt. Es ist jetzt 20 Jahre her und es kam so viel zusammen, dass ich mich für immer daran erinnern werde.

Denken Sie gern an diese Zeit zurück?

Rau: Auf jeden Fall. Ich denke eh gern an meine Karriere zurück, weil ich mich an die schönen Sachen erinnere. Damals gab es wirklich nur Positives – es war einfach eine richtig tolle Zeit. 

Was war so besonders? 

Rau: Es gab eine extrem positive Atmosphäre, die mir gerade als junger Spieler geholfen hat. Ich hatte somit beim Fußballspielen richtig viel Spaß. Das war ein sehr gutes Zeichen, denn das ist im Profi-Fußball nicht selbstverständlich.

Wie war das damals, als der ehemalige Bundestrainer Rudi Völler Sie nominierte?

Rau: Der erste Kontakt wurde zum Verein gesucht. Wolfgang Wolf hat dann mit mir gesprochen und anschließend hatte ich das Gespräch mit Rudi Völler und in dem Moment hat sich ein Jugendtraum erfüllt. Mein erstes Länderspiel habe ich dann auf Mallorca gegen Spanien bestritten.

Wie war Ihre Beziehung zu Rudi Völler?

Rau: Sehr gut. Ich halte extrem viel von ihm. Er ist eine der wenigen Personen, die nach ihrer aktiven Karriere noch so lange im Fußballgeschäft arbeitet und dabei trotzdem immer menschlich geblieben ist. Das sieht man nur ganz selten. Aus verschiedenen Gründen haben wir ab und zu Kontakt und dann ist es wie immer – sehr angenehm. Das letzte Mal habe ich ihn gesehen, als ich noch für die Traditions-Nationalmannschaft gespielt habe. Inzwischen bin ich nicht mehr dabei, weil mein Körper nicht mehr mitmacht.

Insgesamt haben Sie sieben Mal das Trikot der mit dem Adler auf der Brust getragen. Für die Europameisterschaft in Portugal 2004 wurden Sie nicht nominiert. Damals eine herbe Enttäuschung?

Rau: Nein, das war abzusehen, nachdem ich mich bei Bayern schwer verletzt hatte und ein halbes Jahr ausfiel. Es war schade, allerdings bin ich sehr stolz auf meine sieben Einsätze. Wenn ich nominiert worden bin, war ich auch immer Stammspieler. Klar, es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte ein großes Turnier mitgespielt. Aber es ist auch eine Lebenseinstellung, wie man darüber denkt: Ist das Glas halb voll oder halb leer?

Wissen Sie noch, wer Sie auf Ihrer Position als Linksverteidiger beerbt hat?

Rau: Das war Philipp Lahm – bei Bayern München wie auch in der Nationalmannschaft. Das konnte ich gut hinnehmen.

Seit zwei Jahren betreut Hansi Flick die Mannschaft. Hatten Sie in Ihrer Karriere jemals mit ihm zu tun?

Rau: Nein, tatsächlich kennen wir uns nicht persönlich. 

Welche Verbindungen gibt es noch nach Wolfsburg?

Rau: Mit Roy Präger habe ich noch oft in der Traditionsmannschaft gespielt. Zudem hatte ich lange Kontakt zu Heribert Rüttger und Manfred Kroß. 

Wie verfolgen Sie die Entwicklung der Grün-Weißen?

Rau: Ich habe im Keller meine ehemaligen Trikots und Mannschaftsfotos hängen und mein älterer Sohn ist sehr interessiert, wenn meine ehemaligen Teams spielen. Dann schalten wir auch mal den Fernseher an und beim VfL ist es nochmal etwas Besonderes, weil ich ja aus der Region komme und weil ich dort zwei perfekte Jahre hatte.

Was denken Sie, ist diese Saison für den VfL drin?

Rau: Ich finde, die Wölfe sind erstmal stabil in ihren Leistungen. Deswegen ist vieles möglich. Allerdings sehe ich auch viele gute Konkurrenten. Sich fürs internationale Geschäft zu qualifizieren, wäre ein großer Erfolg. Ich wünsche es dem Verein.

Zu guter Letzt für jene Fußballfans, die nicht wissen, was Sie nach der Beendigung ihrer aktiven Karriere machen: Wie sieht Ihr Alltag heute aus?

Rau: Ich bin Lehrer für Sport und Biologie an einer Gesamtschule. Und mein Alltag sieht genauso so aus, wie ich es mir immer vorgestellt habe, als ich die Entscheidung getroffen habe. Ich genieße es total, habe viel Freizeit und Privatsphäre. Die Zeit in der Schule macht mir Riesenspaß.