- Home
- /
- DER VfL
- /
- Geschichte
- /
- Chronik
- /
- 2000 bis 2009
- /
- Fußballmärchen in Grün-Weiß
Angekommen auf dem Thron – Deutsche Meisterschaft 2009
„Vorne mitspielen und sich in der Spitze etablieren“. Zwar wolle man in nicht allzu ferner Zukunft auch ein Wörtchen im Meisterkampf mitreden, so hieß es, zum ganz großen Wurf sahen sich die Wölfe ob der großen Konkurrenz aus München, Bremen oder Schalke jedoch noch nicht befähigt. So lautete die Zielstellung rund um die Volkswagen Arena vor der Saison 2008/2009, die nach 34 atemberaubenden Spieltagen später als „Wolfsburger Meisterstück“ in die Bundesligageschichte eingehen sollte.
Alles begann im Sommer 2007 mit der Verpflichtung des zweifachen Double-Gewinners Felix Magath, der in München ausrangiert wurde und den VfL nach zwei Spielzeiten am Rande des Abstiegs wieder nach oben führen sollte. Von vielen aufgrund seiner harten Trainingsmethoden als „Quälix“ verschrien, läutete der gebürtige Aschaffenburger gleich in seiner ersten Saison mit den Grün-Weißen die Trendwende ein. Der fünfte Tabellenplatz war nicht nur gleichbedeutend mit der besten Platzierung in der Vereinsgeschichte, er berechtigte den VfL zudem zur Teilnahme am UEFA-Pokal.
In einem wahren Vorbereitungsmarathon aus einem Dutzend Testspielen und drei Trainingslagern auf Usedom, im schweizerischen Spiez sowie in Flachau, Österreich, schwitzten die Wölfe unter Fußballlehrer Magath für eine besondere Saison in drei Wettbewerben. Von den in der Spielerschaft gefürchteten Medizinbällen und Sprungseilen, über Strandläufe im tiefen Ostseesand bis hin zu Einheiten morgens um halb acht – das Training bedeutete stets harte Arbeit für den Erfolg. Überhaupt hatte der mit einer bis dato nie dagewesenen Machtfülle ausgestattete Chef-Trainer – daneben gleichzeitig als Geschäftsführer, Sportdirektor und Nachwuchskoordinator für den VfL im Einsatz – bisweilen andere Vorstellungen. Zahlreichen Abgängen standen fast ebenso viele Neuverpflichtungen gegenüber – Felix Magath verpasste der Mannschaft im wahrsten Sinne des Wortes ein neues Gesicht. Die Erwartungshaltungen in der Autostadt waren gestiegen. „Wir wollen uns dauerhaft an der Bundesligaspitze festsetzen, und dafür trage ich die Verantwortung“, gab der Wölfe-Coach bereits im Vorfeld der Saison mit klaren Worten die Marschroute vor. Schon bald sollten ihnen auch Taten folgen.
Auswärts zunächst noch ohne Biss
Hellwach gingen die Wölfe in die neue Saison, verloren keines ihrer ersten vier Spiele und stießen am fünften Spieltag sogar den HSV, den damaligen Tabellenführer, vom Thron. Die anschließende Niederlage in Karlsruhe war saisonübergreifend die erste nach zuvor 13 unbesiegten Pflichtspielauftritten in Serie. Die restliche Hinrunde glich einer Achterbahnfahrt: Begeisternden Auftritten vor heimischem Publikum folgte oftmals die Ernüchterung am nächsten Wochenende. Bisweilen hatte es den Anschein, als habe die junge Wolfsburger Mannschaft zwei verschiedene Gesichter. Aus den verbliebenen fünf Heimpartien vor der Winterpause holten die Wölfe 15 Punkte, erzielten 16 Tore und mussten nur drei Gegentreffer hinnehmen. Auswärts dagegen wollte sich der Erfolg (noch) nicht so recht einstellen. In München wurde nach einer Zwei-Tore-Führung noch mit 2:4 verloren, gegen Hoffenheim reichte auch eine starke spielerische Vorstellung nicht aus, um die 2:3-Niederlage noch abzuwenden. Und in Bremen standen sich die Wölfe beim Hinrundenfinale selbst im Weg und ließen beim 1:2 in der Hansestadt weitere Punkte liegen. Somit stand der VfL zur Saisonhälfte, trotz der ligaweit besten Heimbilanz, auf einem durchschnittlichen neunten Tabellenplatz – blieb mit sechs Punkten Rückstand auf Rang fünf und gar neun auf Überraschungs-Spitzenreiter Hoffenheim noch weit hinter seinen Möglichkeiten zurück.
Auf internationaler Bühne konnten die Wolfsburger derweil vollends überzeugen. Nachdem in der ersten Runde Rapid Bukarest ausgeschaltet wurde, sorgte der VfL mit Siegen gegen Heerenveen, Sporting Braga und den FC Portsmouth sowie einem 2:2-Unentschieden beim großen AC Mailand für eine (erste) kleine Sensation und zog als Gruppenerster ins Sechzehntelfinale des UEFA-Cups ein. Torhüter Diego Benaglio zeigte sich zur Saisonhälfte für das Erreichen der angestrebten Ziele schon sehr guter Dinge: „Wir sind ein junges Team und müssen noch viel lernen, aber ich sehe uns auf einem guten Weg und bin optimistisch was das Erreichen des fünften Platzes betrifft. Letztes Jahr hatten wir zu dieser Zeit neun Punkte Rückstand und zogen am Ende noch in den UEFA-Cup ein. So soll es wieder kommen.“
Weit gefehlt. Was kam, übertraf alle Erwartungen und konnte in dieser Form selbst von kühnsten Optimisten und Fußball-Träumern nicht vorhergesehen werden. Mit einem krachigen 5:1-Heimerfolg gegen Hansa Rostock im Achtelfinale des DFB-Pokals starteten die Wölfe ins „Meisterjahr 2009“. Auf das 1:1 in Köln am ersten Rückrundenspieltag folgte ein souveräner 2:0-Sieg vor heimischer Kulisse, ehe am 20. Spieltag mit einem 2:0 bei Eintracht Frankfurt endlich auch auswärts der Knoten platzte. Spätestens jetzt war klar: Die Wölfe hatten zum Angriff geblasen. In der Liga nahm sie freilich zu dieser Zeit noch niemand richtig für voll. Doch sollte sich eben dies auch bald als enormer Vorzug erweisen. Wie mit Absicht strich der VfL dann auch in beiden Pokalwettbewerben die Segel – und hatte somit freie Bahn für eine gigantische Serie, wie sie die Liga bis dahin noch nicht gesehen hatte. Fußballdeutschland erlebte sein grün-weißes Wunder.
Die VfL-Fans waren zu dieser Zeit bereits völlig aus dem Häuschen. Kamen zu Saisonbeginn die Anhänger noch recht vereinzelt zum neu entstandenen Trainingsgelände, boten sich den Spielern zum Saisonende hin beim Verlassen des Übungsplatzes zunehmend farbenfrohere Bilder. In dichten Trauben drängten sich große und kleine VfL-Fans um die neuen Stars aus der Autostadt, die weiterhin jeden Foto- und Autogrammwunsch geduldig erfüllten.
Bayern-Sieg als Signal für die Liga
Spätestens am 26. Spieltag dann hatte auch das restliche Fußballdeutschland die jungen Wölfe auf dem Schirm - mit einer Fußball-Gala gegen den amtierenden Deutschen Meister aus München übernahmen die Grün-Weißen die Spitze. Grafites Tor zum 5:1-Endstand ging um die Welt und wurde später mit überwältigender Mehrheit zum „Tor des Jahres 2009“ gewählt. Vom Meistertitel wollte in der Autostadt auch jetzt noch niemand etwas wissen. Zumindest offiziell. Bis zuletzt hielt man sich beim VfL mit offensiven Äußerungen zurück – Kampfansagen überließ Felix Magath, der vier Spieltage vor Saisonschluss seinen Wechsel zum FC Schalke verkündete, stets den anderen. Erst als auch der Herbstmeister aus Hoffenheim mit 0:4 in der Arena unter die Räder kam, nannte der Wölfe-Trainer das Kind auch beim Namen: „Jetzt gilt es die Tabellenführung bis zum Schluss zu verteidigen und die erste Meisterschaft nach Wolfsburg zu holen.“
Gesagt, getan. Trotz der 1:4-Niederlage beim direkten Konkurrenten aus Stuttgart ließen sich die Wölfe nicht beirren und meldeten sich mit einem überzeugenden 3:0 gegen Dortmund sofort wieder im Rennen zurück. Fast schon zur Pflichtaufgabe wurde da das Auswärtspiel beim Rivalen in Hannover, und auch hier spielten die Wölfe Fußball vom Feinsten: 5:0 bei den Roten – was für ein gewaltiges Ausrufezeichen.
Und dann kam er, der Tag, der sich für immer in die Wolfsburger Herzen brennen sollte: der 23. Mai 2009. Mit Werder Bremen musste auf dem Weg zur ersten Meisterschale noch eine letzte schwere Hürde genommen werden. Kein leichtes Unterfangen eigentlich, hatten die Hanseaten doch noch im DFB-Pokal gleich mit 5:2 in der Arena triumphiert. Doch die Wölfe waren nicht mehr dieselben, hatten sich mittlerweile derart mit Selbstbewusstsein aufgepumpt, dass sich ihnen nichts und niemand mehr in den Weg stellen konnte. „Fünfzueins“ lautete schließlich das letzte und vielleicht eindrucksvollste Wort des VfL in einer Saison, wie man sie sich in den kühnsten Träumen nicht ausgemalt hätte. Alle, die Fans, die Liga und ganz Deutschland verneigten sich vor dem VfL, der nicht nur mit seinem historischen Angriffsduo Grafite und Edin Dzeko, sondern überhaupt mit seiner ganzen Art Fußball zu spielen, die Nation im Sturm erobert hatte. Über 100.000 grün-weiße Fans feierten am Rathaus ein Freudenfest gigantischer Dimension. „Deutscher Meister 2009“ – auch am nächsten Morgen musste sich mancher VfL-Fan bei diesem Gedanken noch einmal kneifen.