Tiago Tomas im Interview: „Die beste Stadt in ganz Europa“
Für Tiago Tomas läuft es in dieser Bundesliga-Saison wie am Schnürchen: 13-mal Startelf, fünf Tore, ein Assist. Bevor sich die Wölfe am kommenden Wochenende aus der Winterpause zurückmelden, bringen sie sich im Heimatland des portugiesischen Stürmers auf Temperatur. Im Interview spricht der 22-Jährige über süße Versuchungen, zwei große Haie und die beste Stadt in Europa.
Willkommen zu Hause, Tiago! Abgesehen von Familie und Freunden: Worauf freust du dich immer am meisten, wenn du nach Portugal zurückkommst?
Tiago Tomas: Es sind hauptsächlich zwei Dinge: das Essen und das Wetter. Ich bin als Portugiese vielleicht etwas voreingenommen, aber beides finde ich in meinem Heimatland besser als in Deutschland. Es ist grundsätzlich auch einfach schön, mal wieder meine Landessprache zu sprechen. Denn ich verbringe den Großteil des Jahres damit, Englisch zu sprechen oder mich in Deutsch zu versuchen. Manchmal vergesse ich sogar einige portugiesische Wörter, wenn ich länger nicht gesprochen habe. Das fühlt sich schon etwas komisch an.
An welches Gericht denkst du konkret?
Tiago: Es gibt so viele, aber meine absolute Nummer eins ist Bacalhau a Bras von meiner Mutter. Typisch portugiesisches Essen gibt es im Teamhotel eher weniger, zum Abendessen stehen aber manchmal Pastel de Nata am Buffet bereit. Die sind weltweit bekannt und mein Lieblingsdessert, besonders mit einem Kaffee dazu. Ich lasse hier aber lieber die Finger davon, denn wenn ich einmal damit anfange, kann ich gar nicht mehr aufhören.
Wo ist deine Heimat in Portugal?
Tiago: Ich bin in Lissabon geboren und habe dort auch mein gesamtes Leben verbracht, bevor ich 2022 nach Stuttgart ausgeliehen wurde. Genauer gesagt in Carcavelos e Parede, das liegt zwischen Lissabon und Cascais. Für mich ist Lissabon die beste Stadt in ganz Europa.
Was macht Lissabon und die Umgebung für dich so besonders?
Tiago: Es gibt atemberaubende Architektur, hervorragende Restaurants, wunderschöne Strände, herzliche Menschen... Ich könnte noch einiges mehr aufzählen. Das einzige Manko ist, dass es im Zentrum viele steile Treppen gibt. Man muss schon fit sein, um die Stadt zu erkunden. Oder man ist es danach (lacht).
Seit fast drei Jahren lebst du nun in Deutschland. Was schätzt du an deiner neuen Heimat?
Tiago: Ich schätze besonders die Zuverlässigkeit und Organisation der Menschen. Wenn man sich auf eine bestimmte Uhrzeit einigt, sind alle da. Das kommt in Portugal eher selten vor (lacht). Ansonsten genieße ich die Zeit in Deutschland auch sehr.
Hierzulande bist du als Tiago Tomas bekannt, dein vollständiger Name lautet aber Tiago Barreiros de Melo Tomas. Wie setzt sich dieser zusammen?
Tiago: Der Name Barreiros ist von mütterlicher Seite, de Melo Tomas von meinem Vater. Das ist wohl ein portugiesisches Ding, weil in Deutschland darf man nicht mehr als zwei Nachnamen haben. Als mir das gesagt wurde, war ich etwas überrascht. Das ist aber auch gut, weil die Unterschriftszeilen für meinen ganzen Namen nicht lang genug wären (lacht). In Portugal gibt es aber noch deutlich längere Namen.
Du sprichst oft von deinem Vater als deinem Idol. Warum ist das so?
Tiago: Es ist sein Blick aufs Leben, der mich so inspiriert. Er hat immer ein Lächeln auf dem Gesicht und versucht, in jeder Situation das Positive zu sehen. Die Kernaussage ist, dass das Leben schön ist und wir jeden Moment genießen sollten, denn der morgige Tag ist niemals garantiert.
Ich müsste sogar der erste Fußballer in meiner Familie sein. Es war wohl Liebe auf den ersten Blick. Denn seit ich mich erinnern kann, habe ich einen Ball am Fuß gehabt.
Tiago TomasHast du von ihm auch die Leidenschaft für den Fußball?
Tiago: Tatsächlich nicht, er war Basketballer und hat bis Anfang 20 sogar professionell bei Benfica Lissabon gespielt. Ich müsste sogar der erste Fußballer in meiner Familie sein. Es war wohl Liebe auf den ersten Blick. Denn seit ich mich erinnern kann, habe ich einen Ball am Fuß gehabt.
Du bist im Alter von zwölf Jahren in den Nachwuchs von Sporting Lissabon gewechselt. Wie hat das deinem Vater gefallen? Immerhin hat er mal das Benfica-Trikot getragen, wenn auch in einer anderen Sportart…
Tiago: Das hat ihn nicht groß gestört. An erster Stelle stand für ihn, dass ich glücklich bin. Und als ich dort zu spielen begann, wurde er zum Sporting-Fan.
Wie schwer fiel dir die Entscheidung?
Tiago: Sporting und Benfica sind neben dem FC Porto die zwei großen Haie im portugiesischen Fußball. Wenn ein Nachwuchsspieler talentiert ist, wird er zwangsläufig eine Einladung von beiden Teams erhalten. So war es auch bei mir. Sporting hatte zu der Zeit die mit Abstand beste Akademie in Portugal und einige meiner Freunde waren auch dort. Rückblickend habe ich die richtige Entscheidung getroffen und bin stolz darauf, ein Teil von Sporting gewesen zu sein. Ich habe hin und wieder noch Kontakt zu Mitarbeitenden, Trainern oder Spielern aus der Zeit.
Wen davon könnte man kennen?
Tiago: Nuno Mendes sollte jedem ein Begriff sein. Er spielt aktuell bei Paris Saint-Germain. Wir haben in der Saison 2020/2021 zusammen die portugiesische Meisterschaft gewonnen. Das ist auch meine Lieblingserinnerung an die Zeit bei Sporting. Wir hatten viele junge Spieler im Kader und haben nach 19 Jahren die Meisterschaft zurückgebracht. Mit diesen Jungs werde ich immer verbunden bleiben.
Mit fünf Toren hast du aktuell mehr Treffer auf deinem Konto, als du jemals in einer Spielzeit als Profifußballer erzielt hast. Würdest du sagen, dass du die beste Saison deiner Karriere spielst?
Tiago: Ich war zumindest noch nie so konstant. Wenn man Tore erzielt, ist es immer leichter zu sagen, dass es gerade gut läuft. Ich habe auch in den Jahren zuvor meine Qualität gezeigt, aber eben nicht über eine ganze Saison hinweg. Ich arbeite immer an meinen Stärken und Schwächen und hoffe, eines Tages ein Topspieler zu werden.
Gestern seid ihr offiziell in die Trainingswoche vor dem Auswärtsspiel bei der TSG Hoffenheim gestartet. Mit welchem Gefühl?
Tiago: Es ist ehrlich gesagt etwas komisch, weil wir so weit von Wolfsburg entfernt sind und die Routine dadurch eine andere ist. Mir gefällt es aber, da wir hier im Hotel alles haben, was wir uns vorstellen können. Massage, Essen, Fitnessraum – alles ist schnell zu erreichen. Bessere Bedingungen für die Vorbereitung auf ein hartes Spiel kann es nicht geben.
Wie sieht die Zielsetzung für den ersten Auftritt im neuen Jahr aus?
Tiago: Abgesehen von den letzten beiden Spielen hatten wir zum Ende des vergangenen Jahres einen richtig guten Lauf. Wir haben unter Beweis gestellt, dass wir ein Top-Team sein können. Das müssen wir auch am Samstag zeigen. Wir wollen 2025 mit einem Sieg starten und nah an den europäischen Rängen dranbleiben.