Frauen

„Eine Woche im Bus unterwegs“

Alisa Vetterlein über das erste Europapokalspiel der Wölfinnen vor genau zehn Jahren.

VfL Wolfsburg Spielerin Alisa Vetterlein nimmt den Ball in der Luft an.

Ein paar Tage noch, dann wird in Nyon die Gruppenphase der UEFA Women’s Champions League ausgelost. Selbstverständlich liegt das Wappen der VfL-Frauen wieder mit in der Trommel. Dabei ist es erst eine Dekade her, dass die Wölfinnen als völlige Neulinge in den Wettbewerb starteten. RTP Unia Raciborz hieß im ersten von bislang 81 VfL-Spielen in der Königsklasse der Gegner. An das Hinspiel in Polen am 27. September 2012 hat die damalige VfL-Keeperin und heutige Torwarttrainerin im Staff von Tommy Stroot, Alisa Vetterlein, lebhafte Erinnerungen.

Ochsentour ins Nachbarland

Flutlicht, volle Tribünen, Live-Übertragung und eine Hymne, die unter die Haut geht: Wie man sich als Kind seinen Einsatz in der Champions League ausmalt, so haben es die VfL-Frauen erlebt – gegen Barcelona in der letzten Saison. Hört man Vetterlein über das Pionierspiel berichten, dann klingt das wie ein Gegenentwurf. „Das Stadion, die Kabine, das alles war recht oldschool. Insgesamt gab es wenig Glamour. Man könnte auch sagen: gar keinen. Vergleicht man es mit heute, dann hat es sich wie ein Testspiel angefühlt“, so die 33-Jährige. Was auf dem Rasen passiert ist, daran erinnert sie sich kaum. Unvergessen aber blieb in mehrfacher Hinsicht der Weg dorthin. „Zwischen den beiden Raciborz-Spielen mussten wir noch in der Bundesliga in Jena ran. Wir sind zwei Tage früher gestartet, haben in Görlitz übernachtet, sind weiter nach Polen gefahren und von dort direkt nach Jena. So waren wir fast eine Woche im Bus unterwegs fürs erste Champions-League-Spiel“, lacht Vetterlein.

Ohne Ankündigung nach Europa gezogen

Dass sie dort überhaupt antreten durften, zum internationalen Debüt gegen den polnischen Meister, war aus damaliger Warte der eigentliche Clou. Seit dem Wiederaufstieg 2006 waren die Wölfinnen dauerhaft im Mittelfeld platziert gewesen. Als Siebter der Vorsaison nahm die Elf von Ralf Kellermann mit einem Mal aber in der Bundesliga Fahrt auf wie noch nie, schien in der Rückrunde 2011/2012 Turbine Potsdam sogar zeitweilig ein Konkurrent um den Titel zu sein. Zum ganz großen Wurf reichte es dann zwar noch nicht. Trotzdem gab es, als der VfL erstmals in der Klubgeschichte als Zweiter in der Abschlusstabelle das Ticket für die Königsklasse löste, kein Halten mehr. „Das war überragend, eine richtig große Nummer. Ich weiß noch, wie ich nach dem letzten Spiel mit einem Megaphon auf dem Zaun stand und mit den Fans gefeiert habe“, schwärmt Vetterlein. „Als ich 2009 gekommen bin, war an sowas nicht zu denken gewesen. Die Champions League war für mich da noch meilenweit entfernt.“

„Irgendwann wussten wir: Uns kann nichts passieren“

Die Rheinfelderin blieb am Elsterweg noch für eine Saison – nicht ahnend natürlich, dass das kommende Spieljahr für die bis dato titellosen Wölfinnen mit dem Triple enden würde. Auch sie selbst war noch nie international zum Einsatz gekommen. Dass es mit Unia Raciborz unschillernd losging, konnte die Freude daher nicht trüben. „Ich habe mich sogar fitspritzen lassen, weil ich eigentlich angeschlagen war, aber unbedingt dabei sein wollte. Der Stellenwert dieses Spiels war riesig für mich“, so Vetterlein, die insgesamt 69 Bundesligaspiele im VfL-Trikot bestritt. In der Champions League wurden es neun. „Die haben sich natürlich mehr als gelohnt. Ich habe Gänsehaut, wenn ich daran denke, wie es noch weiterging. Das Finale in London war zweifellos das größte Erlebnis meiner Karriere.“ Ob an dergleichen am Abend in Raciborz schon zu denken war? „Irgendwann später in der Saison hat sich ein Selbstverständnis entwickelt, das uns alle getragen hat. Da hat man sich angesehen auf dem Rasen und wusste: Uns kann nichts passieren“, weiß Vetterlein noch genau. „Aber an diesem Abend habe ich mich, wenn ich das Ergebnis jetzt so sehe, sicherlich eher geärgert. Denn natürlich wäre ich im ersten Champions-League-Spiel lieber ohne Gegentor geblieben.“
 

Das erste Europapokalspiel der VfL-Frauen im Stenogramm:

RTP Unia Raciborz: Antonczyk – Konsek, Mika, Lesnik – Bojdova, Pavlak (72. Sykorova), Pozerska (86. Istokova), Chudzik – Wisniewska, Tarczynska (85. Jaszek), Chinasa

Ersatz: Wilk (TW), Sosnowska, Krupa, Wieczorek

VfL Wolfsburg: A. Vetterlein – Wensing, Henning, Goeßling, Faißt – Odebrecht, Keßler – Blässe (70. Pohlers), Jakabfi – Popp (46. Bunte), Müller (82. Magull)

Ersatz: Burmeister (TW), L. Vetterlein, Hartmann, Omilade-Keller

Tore: 0:1 Müller (22.), 0:2 Müller (46.), 1:2 Chinasa (47.), 1:3 Jakabfi (67.), 1:4 Pohlers (71.), 1:5 Pohlers (78.)

Gelbe Karten: Pozerska, Mika / Popp

Schiedsrichterin: Rhona Daly (Irland)

Zuschauende: 5.125 am Donnerstagnachmittag im Stadion OSiR in Raciborz