Frauen

„Ein großer Schauplatz“

VfL-Torhüterin Julia Kassen reist mit der DFB-Auswahl zur U20-WM nach Costa Rica.

Die VfL Wolfsburg-Spielerin Julia Kassen rollt hockend den Ball aus dem Tor.

Nach der EM ist vor der WM – genauer formuliert vor der U20-WM: Zwischen dem 10. und 28. August wird in Costa Rica der zehnte „FIFA U-20 Women`s World Cup“ ausgetragen – pandemiebedingt zwei Jahre später als zunächst geplant. Gleichzeitig wird mit einer Tradition gebrochen: Seit 2010 galt dieses Turnier stets auch als Testlauf für die „große“ WM und wurde entsprechend im WM-Gastgeberland ausgetragen, zuletzt 2018 in Frankreich. Die deutsche Auswahl ist eines von vier europäischen Teams im Feld der 16 Teilnehmer. Einzige Akteurin des VfL Wolfsburg im deutschen Kader ist Julia Kassen. Im Interview spricht die 20-jährige Torhüterin über ihre Erwartungen an das Turnier im fernen Mittelamerika. 

Julia Kassen, die U20-WM findet mit zwei Jahren Verspätung in Costa Rica statt. Warst du schon einmal in Zentralamerika?

Julia Kassen: Nein. Ich habe Europa noch nie verlassen. Es ist schon ein Erlebnis, ein anderes Land und eine andere Kultur kennenzulernen. Darauf freue ich mich – unabhängig von der Tatsache, dass wir ja dort sportlich etwas vorhaben – sehr.

Eine U20 ist immer nur über einen relativ kurzen Zeitraum zusammen. Wie gut seid ihr eingespielt und wie ist der Zusammenhalt im Team?

Julia: Wir hatten tatsächlich nicht allzu viele Maßnahmen im Vorfeld, aber ich finde, dass wir dennoch eine richtig gute Truppe sind. Der Zusammenhalt ist auf alle Fälle spürbar und ich bin davon überzeugt, dass wir ein erfolgreiches Turnier spielen können.

Ihr spielt in eurer Gruppe gegen Kolumbien, Neuseeland und Mexiko – Teams, die man von außen betrachtet schwer einschätzen kann. Wie schätzt du diese Gegner ein?

Julia: Die detaillierten Gegneranalysen werden kurz vor den Spielen stattfinden. Gegen Mexiko haben wir im letzten November bei einem Vier-Nationen-Turnier in Spanien mit 4:0 gewonnen, Kolumbien und Neuseeland sind hingegen absolutes Neuland.

Mit nur vier europäischen Teams im Feld der 16 Teilnehmer fühlt sich eine U20-WM grundsätzlich etwas exotisch an. Macht gerade das auch den Reiz aus?

Julia: Ja, genauso ist es. Es geht ja nicht nur darum, dass man gegen Teams spielt, die man noch nicht kennt. Vielmehr sind es die unterschiedlichen Spielstile der Nationen, die dieses Turnier auszeichnen. Es ist eine einmalige Erfahrung, sich mit Mannschaften aus unterschiedlichen Kontinenten zu messen.

Ein Turnier mit vielen Unbekannten also. Mit welcher Zielsetzung geht ihr diese Herausforderung an?

Julia: Wir haben noch kein konkretes Ziel definiert. Aber klar ist auch, dass wir alle so lange wie möglich in Costa Rica bleiben und am liebsten mit dem Titel im Gepäck nach Deutschland zurückkehren wollen.


Im Viertelfinale könnte es möglicherweise gegen Spanien gehen – sicherlich keine Wunschkonstellation. Ein Grund mehr, die Gruppe zu gewinnen und diesem Duell aus dem Weg zu gehen?

Julia: Wir wollen ohnehin jedes Spiel gewinnen – und wenn uns das gelingt, sind wir ja zwangsläufig Gruppensieger. Und außerdem befindet sich ebenso Brasilien in der Parallelgruppe, die nicht zu unterschätzen sind. Von daher sollten wir nicht in Konstellationen denken, sondern alles daransetzen, die Gruppe mit neun Punkten abzuschließen. Und dann schauen wir, was uns im Viertelfinale erwartet.

Immerhin zwei ehemalige Wolfsburgerinnen sind ebenfalls in Costa Rica dabei – neben der ehemaligen Co-Trainerin Ariane Hingst auch deine langjährige Mitspielerin Lisanne Gräwe. Hilft dir das?

Julia: Auf alle Fälle. Zum einen kenne ich Lisanne natürlich schon sehr lange, wir sind auch befreundet. Zum anderen weiß ich sehr genau, wie sie spielt – und das ist im Spiel durchaus von Vorteil. Ich weiß genau, was sie auf der Sechs macht. Es ist einfach schön, wieder mit ihr zusammenzuspielen.

U20-Weltmeisterschaften haben eine gewisse Tradition im deutschen Frauenfußball. Unvergessen der Titelgewinn 2010 im eigenen Land – unter anderem mit Marina Hegering, Svenja Huth, Alexandra Popp und Almuth Schult. Ist das auch eine Motivation, in die Fußstapfen dieser großen Namen treten zu können?

Julia: Absolut. Diese Spielerinnen haben gezeigt, was für eine Karriere nach einer U20-WM folgen kann. Dieses Turnier ist einfach ein großer Schauplatz – und warum sollte man es im Erfolgsfall nicht auch irgendwann in die A-Nationalmannschaft schaffen? 

Es ist zu befürchten, dass die U20-WM aufgrund der Zeitverschiebung und fehlender TV-Präsenz nicht annähernd so wahrgenommen werden wird wie zuletzt die EM in England. Kann die EM-Euphorie dennoch ein wenig auf dieses Turnier abstrahlen?

Julia: Ich glaube schon, dass wir einen gewissen Rückenwind von der EM mit nach Costa Rica nehmen können. Wir haben ja gesehen, was in England los war und was auch in Deutschland durch die tollen Leistungen der deutschen Elf gewachsen ist. Von daher hoffe ich einfach, dass man auch unser Abschneiden nun genau verfolgen wird.