Männer

„Bildung ist der Schlüssel zu allem“

VfL-Nationalspieler Ridle Baku spricht über sein Sozialprojekt „Improved after“ in der DR Kongo.

VfL-Wolfsburg-Spieler Ridle Baku grinst auf dem Trainingsplatz in die Kamera.

Der VfL Wolfsburg gilt als Vorreiter im Bereich Sozialprojekte. Bereits seit vielen Jahren nutzt der Klub seine Strahlkraft als Fußball-Bundesligist und setzt sich in besonderem Maße dafür ein, gesellschaftsrelevante Themen sichtbar zu machen. Auch zahlreiche Spielerinnen und Spieler engagieren sich als Botschafter oder Paten für Stiftungen oder gemeinnützige Vereine. So auch der deutsche Nationalspieler Ridle Baku, dessen Wurzeln in der Demokratischen Republik Kongo liegen, dem früheren Zaire. Vor allem die Region Nord-Kivu im Osten des flächenmäßig zweitgrößten Staates des afrikanischen Kontinents leidet neben der großen Armut unter immer wieder aufflammenden bewaffneten Konflikten zwischen Regierungstruppen und mehr als 100 Rebellengruppierungen, die auch viele zivile Opfer fordern. Vor allem die weibliche Bevölkerung ist Willkür und sexualisierter Gewalt ausgeliefert, auch Zwangsrekrutierungen von Kindern sind keine Ausnahme. Umso wichtiger sind geschützte Räume und die Sicherung von Bildung – gerade für Mädchen. Genau an dieser Stelle setzt das Projekt „Improved after“ an, das Baku mit Unterstützung des Kinderhilfswerks „World Vision“ ins Leben gerufen hat. Der 25-Jährige spricht im Interview über die persönlichen Beweggründe, seine erste Reise in die Heimat seines Vaters und gibt einen Ausblick über mittel- und langfristige Ziele seines Engagements.  

Ridle Baku, was gab den Anstoß, um sich gemeinsam mit der Kinderhilfsorganisation World Vision für Mädchen und Jungen in der Demokratischen Republik Kongo zu engagieren?

Ridle Baku: Die Idee hatte ich schon seit Längerem. Zudem hatte ich das Glück, dass Josh Guilavogui, als er noch beim VfL war, mir mit seinem Projekt in seinem Heimatland ein wenig den Anstoß gegeben hat. Er hat ja – genauso wie Dodi Lukebakio – schon einiges in dieser Richtung gemacht. Dann bin ich mit meiner Familie erstmals in den Kongo gereist, um mir selbst einen ersten Eindruck zu machen. Denn ich mag es nicht zu helfen, ohne zu wissen, um was es geht. Daher waren die Reise und die damit verbundenen Eindrücke schon sehr wichtig.

Wer aus deiner Familie ist mit dorthin gereist?

Ridle: Mein Vater, meine Mutter, mein Zwillingsbruder Makana, mein älterer Bruder Dali und meine beiden Schwestern – wir waren auf jeden Fall eine große Gruppe. Wir waren für vier, fünf Tage in der Hauptstadt Kinshasa. Uns Kindern war es wichtig, mal die Familie meines Vaters, der regelmäßig dort ist, kennenzulernen: seinen Bruder und seine Eltern. Als wir uns der Familie vorgestellt haben, war das ein schöner Moment, wir hatten uns ja noch nie live gesehen und konnten es im ersten Moment kaum glauben.

Und was habt ihr ansonsten vorgefunden und empfunden?

Ridle: Wir haben uns angeguckt, wie die Lebensverhältnisse und -umstände dort sind. Hier in Deutschland ist fließendes Wasser völlig normal. Man braucht sich keine Sorgen ums Essen machen und hat Jobmöglichkeiten, im Kongo ist das nicht so selbstverständlich. Aber die Menschen waren extrem herzlich – und es war natürlich auch schön, die Verwandten kennenzulernen. Deshalb soll es Tradition für uns werden, sie dort jedes Jahr zu besuchen.

Und nach deiner Reise bist du auf World Vision zugegangen?

Ridle: Genau. Ich wollte die Menschen vor Ort unterstützen, habe etwas recherchiert, wer dafür die nötige Expertise hat und bin dann auf World Vision zugegangen. Sie haben ja auch schon mit anderen Sportlern wie Nadiem Amiri oder Kingsley Schindler zusammengearbeitet, und nach dem ersten Gespräch war schnell klar, dass wir gemeinsam im Kongo ein Projekt angehen. Durch World Vision habe ich den passenden Einstieg gefunden, um dort etwas bewegen zu können. Da ich noch keine wirkliche Erfahrung im Ausland habe und auch im Kongo kaum jemanden kenne, wollte ich das nicht allein machen, sondern zusammen mit einer Organisation, die die nötige Expertise und Erfahrung hat. Nach den ersten erfolgreichen Schritten kann man dann immer noch überlegen, Projekte darüber hinaus zu initiieren.

Was ist der genaue Zweck des Projekts „Improved After“, übersetzt „Hinterher besser“?

Ridle: Meine Brüder und ich haben lange überlegt, was wir machen könnten. Wichtig war uns der Bereich Bildung, weil das für uns der Schlüssel zu allem ist. Wenn du nicht ausreichend schulisch ausgebildet bist, kannst du das später im Leben kaum mehr kompensieren und den Zugang ins Berufsleben finden wie andere, die zur Schule gegangen sind. Uns war klar: Da wollen wir ansetzen! Wir wollen in Kinder und ihren Zugang zur Bildung investieren – und das relativ früh.

Ihr setzt euch zurzeit konkret für die am stärksten benachteiligten Jungen und Mädchen in der umkämpften Region Beni in der Provinz Nord-Kivu ein. Konkret sollen durch das jetzt initiierte Projekt Kinder im schulpflichtigen Alter, insbesondere Mädchen, in sieben Grundschulen Zugang zu umfassendem Unterricht erhalten…

Ridle: Genau, über das Wie, Wo und Wann haben wir im Vorfeld ausführlich gesprochen. Ich glaube, dass man dort im Osten sehr viel bewegen kann. Dort werden 80 Prozent der weltweiten Koltan-Reserven vermutet und gewonnen, das man zum Beispiel für die Handy-Herstellung benötigt. Kongo ist ein rohstoffreiches Land, weswegen es auch schwer umkämpft ist. Deshalb war es für mich wichtig, dass wir dort erstmal anfangen.

Was wird dort konkret geleistet?

Ridle: Ich habe mit Susanne Ransweiler eine Ansprechpartnerin bei World Vision, die bereits mehrere Projekte mit Profis koordiniert hat. Mit ihr bin ich regelmäßig im Austausch. Es ist schwierig, angesichts der dortigen manchmal etwas verworrenen Lage immer up to date zu sein. Aber mir ist wichtig, dass wir regelmäßig Bilder oder Informationen erhalten, damit das alles auch greifbar ist und wir die Fortschritte sehen. Das ist der Fall. Es ist uns ebenso wichtig, dass wir auch die nötigen Lehrer vor Ort haben. Entscheidend ist aber erstmal, dass das Gebäude steht, die Menschen Zugang zu Bildung und Trinkwasser haben und gleichzeitig geschützt sind. Das gilt vor allem für die Frauen, denn leider ist es so, dass sie dort nicht immer sicher sind. Deshalb zielt das Projekt explizit auch auf Mädchen ab und beinhaltet neben dem Lernen auch ihren Schutz. Der nächste Schritt wird nun sein, dass sich nochmal ein Gesamtbild vor Ort verschafft wird, um eine gute Basis für mögliche nächste Schritte zu haben.

Du bist in Mainz geboren. Gab es trotzdem so etwas wie Heimatverbundenheit, als du im Geburtsland deines Vaters warst?

Ridle: Ja, der Kongo als seine Heimat hat mich natürlich schon von klein auf interessiert, in letzter Zeit dann in besonderem Maße. Auch, weil ich aufgrund meiner eigenen Familiengründung ein bisschen mehr über die Hintergründe erfahren möchte. Es werden auch irgendwann Fragen meiner Tochter kommen – ihre Mutter ist deutsch, ich habe kongolesische Wurzeln. Der Zugang zum Kongo war als Wunsch immer in mir, ich konnte das gar nicht beeinflussen. Weil das ein Herzenswusch war, bin ich das dann alles angegangen.

Wenn du nicht ausreichend schulisch ausgebildet bist, kannst du das später im Leben kaum mehr kompensieren und den Zugang ins Berufsleben finden wie andere, die zur Schule gegangen sind. Uns war klar: Da wollen wir ansetzen!
Ridle Baku

Bist du den Leuten dort vor Ort ein Begriff? Wussten sie, wer du bist?

Ridle: Ja, wir haben auch mit unseren Hotelmitarbeitern Trikots ausgetauscht und ein gemeinsames Bild gemacht. Dodi (Lukebakio), der in derselben Zeit dort war, um sich um sein privates Projekt zu kümmern, habe ich da auch zufällig getroffen.

Ist es dein Wunsch, dich zukünftig über das jetzige Projekt hinaus zu engagieren?

Ridle: Kongo ist riesig und ich hatte echt Respekt davor, sofort eigenständig tätig zu werden. Irgendwann wäre es vielleicht der nächste Schritt, eine Stiftung zu gründen – und dann unter Umständen einmal eine Fußballschule. Davon träume ich ein bisschen. Aber jetzt liegt der ganz Fokus erst einmal auf dem aktuellen Projekt.

Als Deutscher ist man im globalen Vergleich ohnehin schon sehr privilegiert – und als deutscher Fußballprofi umso mehr. Wie wichtig ist da das Bewusstsein, etwas zurückzugeben?

Ridle: Ich kenne das aus meinem Elternhaus, wir sind sieben Geschwister. Etwas zu teilen, war immer selbstverständlich für uns. Ähnlich wie bei Josh entstand die Idee, mich dort zu engagieren, aus Eigeninitiative. Erstmal war es allerdings schwierig, eine konkrete Idee für einen konkreten Ort zu entwickeln. Man muss akzeptieren, dass man nicht allen helfen kann. Wenn man dann letztendlich 2.000 Kinder sukzessive mit ordentlicher Bildung ausstatten kann, ist aber schon mal ein bisschen was erreicht, glaube ich.

Wie ist das staatliche Schulsystem dort?

Ridle: Es gibt offizielle Schulen, aber leider ist es so, dass viele Kinder auf der Straße ihren eigenen Weg gehen müssen. Schulpflicht gibt es letztlich nur auf dem Papier. Wenn die Eltern nicht gut verdienen, unterstützt die ganze Familie. Es ist faszinierend, wie kreativ die Menschen dort sind und Dinge erfinden und bauen, um damit gut durch den Alltag zu kommen. Das gilt bei Kindern auch für ihre Spiele. Als wir beim Bruder meines Vaters waren, haben wir uns dann ein bisschen auf die Suche gemacht und zehn Bälle gekauft, die wir ihnen dann übergeben haben. So viel Dankbarkeit habe ich selten gesehen.

Was hat dich ansonsten beeindruckt?

Ridle: Die Natur! Die ist wunderschön und hat mich sehr beeindruckt. Ich habe mich noch mehr in den Kongo verliebt.

Inwiefern erhaltet ihr zusätzliche – finanzielle oder mentale – Unterstützung aus dem Kongo selbst oder aus der internationalen Gemeinschaft?

Ridle: Bisher ist das alles eigeninitiiert. Der eine oder andere Freund macht mit und es unterstützen noch einige Unternehmen jetzt an anderer Stelle, die aktiv auf mich zugekommen sind – so auch ein großer Sportartikelhersteller, der gerade ein Paket mit 75 Schuhen und Bällen geschickt hat, die wir nun bald dorthin bringen. Und natürlich soll das große Bildungsprojekt mit World Vision erfolgreich fortgeführt werden. Wenn jemand dabei unterstützen möchte, den Kindern den Zugang zu Bildung zu ermöglichen, liebend gerne.

Gibt es Möglichkeiten, euer Projekt zu unterstützen?

Ridle: Sehr gerne, dafür wurde bei World Vision ein Spendenkonto eingerichtet.

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