Ralf Kellermann über den Umbruch bei den VfL-Frauen und das ambitionierte Auftaktprogramm.
Seit 2008 steht Ralf Kellermann als Sportlicher Leiter auf der Kommandobrücke der VfL-Frauen – bis 2017 noch als Cheftrainer in Personalunion. Einen Umbruch wie vor dieser Saison hat der 52-Jährige in dieser Zeit noch nicht erlebt: Nicht nur im Trainerteam gab es mit dem neuen Chefcoach Tommy Stroot, einem neuen Assistentinnen-Trio und einem neuen Videoanalysten viele Änderungen. Auch der Kader des sechsmaligen Deutschen Meisters erhielt mit sieben Ab- und acht Zugängen ein verändertes Gesicht. Viel Zeit, um sich als Team zu finden, ließ der eng getaktete Terminkalender mit der späten Rückkehr der Olympia-Teilnehmerinnen nicht zu. Und doch fällt das Fazit der sechswöchigen Vorbereitungsphase, die am kommenden Samstag, 28. August (Anstoß um 13 Uhr/live auf Magenta Sport und im rbb), mit dem Saisonstart in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga gegen den 1. FFC Turbine Potsdam endet, positiv aus. Im Interview erzählt Kellermann, mit welchen Erwartungen er in die neue Saison geht und wie er die Konkurrenzsituation einschätzt.
Ralf Kellermann, nach vier Meisterschaften in Folge hat sich in der letzten Saison der FC Bayern München die begehrte Schale gesichert. Ist es ein Vorteil, nun in der Rolle des Jägers ins Titelrennen zu gehen?
Ralf Kellermann: Ja, wir sehen uns genau in dieser Rolle, wobei wir keinerlei Druck empfinden, nun unbedingt wieder Meister werden zu müssen. Der FC Bayern ist verdient Deutscher Meister geworden, das steht außer Frage. Sie sind nahezu komplett geblieben, keine Stammspielerin hat den Klub verlassen. Dazu haben sie sich prominent und mit einer Wirtschaftlichkeit verstärkt, die in Wolfsburg nicht möglich ist. Das muss man auch klar festhalten. Von daher gehe ich die Saison sehr entspannt an. Bayern ist der Favorit, während wir einen für unsere Verhältnisse bislang beispiellosen Umbruch hatten, der noch nicht abgeschlossen sein kann.
Welche Saisonziele haben Sie sich denn unter diesen Voraussetzungen gesteckt?
Kellermann: Wir haben bewusst noch keine Saisonziele verkündet, da wir uns erst noch finden müssen. Ein solch großer Umbruch benötigt wie schon erwähnt Zeit, auch wenn wir die gerade – mit Blick auf das ambitionierte Startprogramm – nicht wirklich haben. Ich kann aber trotzdem gut schlafen momentan, weil ich weiß, dass wir mit diesem Kader, an dem man künftig eher Nuancen verändern muss, perspektivisch sehr gut aufgestellt sind.
Einige Spielerinnen haben schon klar geäußert, dass sie auch in dieser Saison schon Titel gewinnen wollen.
Kellermann: Das finde ich richtig gut. Wir haben den Spielerinnen auch bewusst keine Vorgaben gemacht. Wenn eine Spielerin von unserer Qualität überzeugt ist und in Interviews sagt, dass sie mit uns Titel gewinnen will – immer gerne. Wir werden sie von Vereinsseite nicht bremsen. Aber es ist jetzt nicht die Zeit, von Vereinsseite Druck aufzubauen. Dafür ist der Umbruch zu groß.
Man muss festhalten, dass wir mit der Vorbereitungsphase wirklich zufrieden sein können – vom ersten Test bis zum Leverkusen-Spiel am letzten Freitag war eine Entwicklung zu erkennen.
Wie nehmen Sie derzeit die Stimmung in der neuformierten Mannschaft wahr?
Kellermann: Ich bin nahe bei der Mannschaft und am Trainerteam, war auch im Trainingslager komplett dabei und kann nur sagen, dass die Stimmung sehr gut ist. Es gab da eine Situation im Trainingslager, als drei neue Spielerinnen von Olympia dazukamen und ich sie zwei anderen neuen Spielerinnen vorstellte. Darauf meinten diese nur: „Stimmt, wir sind ja auch neu.“ Sie hatten also schon völlig vergessen, dass sie selbst erst seit dreieinhalb Wochen dabei waren. Ein gutes Zeichen.
Ist das Team nach den Eindrücken der Vorbereitung bereit für den Pflichtspiel-Start gegen Potsdam?
Kellermann: Absolut. Man muss festhalten, dass wir mit der Vorbereitungsphase wirklich zufrieden sein können – vom ersten Test bis zum Leverkusen-Spiel am letzten Freitag war eine Entwicklung zu erkennen. Die Ideen des Trainerteams werden umgesetzt, das ist wirklich schön zu sehen. Aber am Samstag werden die Karten neu gemischt. Klar ist, dass wir aufgrund der letzten Eindrücke mit jeder Menge Selbstvertrauen in dieses Spiel gehen können. Potsdam ist alles andere als ein leichter Auftaktgegner, aber unser Team will ja auch gefordert werden.
Blicken wir auf die Liga allgemein: Wen sollte man in dieser Saison außer den Wölfinnen und dem FC Bayern München auf der Rechnung haben?
Kellermann: Eintracht Frankfurt hat im DFB-Pokalfinale gezeigt, zu was sie fähig sind. Etwas überrascht hat mich, dass dort im Sommer, was Transfers betrifft, noch nicht mehr passiert ist. Ich denke, dass reicht noch nicht, um die vorhandenen Qualitäten konstant über eine gesamte Saison abzurufen. Bei Hoffenheim muss man abwarten, wie sie die Abgänge einiger Leistungsträgerinnen wegstecken werden. Grundsätzlich würde ich mir wünschen, dass der Titel nicht nur in den direkten Duellen entschieden wird, auch wenn man nicht gleich am Samstag mit den Überraschungen anfangen muss. Bayern und wir bleiben das Maß aller Dinge, davon bin ich überzeugt. Und zwar in dieser Reihenfolge.
Eine gute Nachricht gibt es für alle Frauenfußball-Fans, die nicht im Stadion dabei sein können: Alle Bundesliga-Partien werden auf Magenta Sport übertragen. Ein wichtiger Schritt?
Kellermann: Ein positiver Schritt, aber nur einer, dem auch noch weitere folgen müssen. Ich bin auf die Übertragungsqualität gespannt und vor allem darauf, was die Sportschau am Samstag aus unserem Spiel macht. Es ist ja kein Geheimnis, dass uns eigentlich bereits das offizielle Eröffnungsspiel am Freitagabend zugesagt wurde.
Blicken wir zum Schluss schon einmal auf die Spiele gegen den FC Girondins de Bordeaux in der Qualifikation zur UWCL-Gruppenphase. Wie wichtig wäre das Erreichen der Gruppenphase?
Kellermann: Unser Kader ist auf drei Wettbewerbe ausgelegt, man müsste als vierten eigentlich noch die Länderspiele dazunehmen. Aber um die Frage zu beantworten: Es würde hier nicht alles zusammenbrechen, wenn wir die Gruppenphase nicht erreichen würden. Aber seit unserer ersten Teilnahme 2012/2013 standen wir immer mindestens im Viertelfinale. Unser Anspruch ist es also auch diesmal, die Gruppenphase zu erreichen und natürlich auch erfolgreich abzuschließen. Was Bordeaux betrifft: Ich bleibe dabei, dass Partien gegen den Dritten der französischen Liga Spiele auf Augenhöhe sind. Aber wenn wir unsere Qualität auf den Platz bringen, entscheiden nur wir, wer weiterkommt.
Der Sommerfahrplan der Wölfinnen
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