Der VfL Wolfsburg und Frauenfußball – das ist eine Erfolgsgeschichte. Die doppelten Double-Siegerinnen unter Cheftrainer Stephan Lerch standen in der vergangenen Saison sogar im Endspiel der UEFA Women’s Champions League, die sie 2013 und 2014 auch gewinnen konnten. Entsprechend professionell stellt sich der Klub in der Nachwuchsförderung auf. Mittlerweile spielen über 100 Mädchen in den Kinder- und Jugendmannschaften und machen den Nachwuchsbereich zu einem wesentlichen Baustein für die Erfolge der Wölfinnen. Die lange Liste von Landesauswahl und Junioren-Nationalspielerinnen ist nur ein Beleg für die herausragende Qualität. Maike Fricke, Administrative Leiterin Frauen-Nachwuchs, und Markus Högner, Sportlicher Leiter Frauen-Nachwuchs sowie Co-Trainer der VfL- Frauen, sprechen über die Ausbildungsphilosophie und die persönliche Entwicklung der Spielerinnen.
Markus Högner, wie ist die Nachwuchsarbeit bei den VfL-Frauen strukturiert?
Markus Högner: Wir haben jeweils eine U11, U13, U15 und U17 sowie eine U20-Mannschaft, die in den höchsten Spielklassen auflaufen. Wir starten früh mit der Förderung unserer Jungwölfinnen, da wir eine breite Grundlage für den darauf aufbauenden Leistungsbereich schaffen wollen. Wichtig ist für uns eine gute motorische Grundausbildung. Zudem besitzen unsere Spielerinnen ein Zweitspielrecht bei Vereinen mit Jungenteams, sodass sie sich auch hier weiterentwickeln können – schließlich messen sich unsere Mädchenteams bis zur U15 im Ligabetrieb mit männlichen Juniorenmannschaften.
Maike Fricke, was ist der Grundgedanke der VfL-Nachwuchsarbeit?
Maike Fricke: Es ist stets das Ziel, so perspektivisch mit dem Nachwuchs zu arbeiten, dass wir unseren Leistungsbereich auf Dauer sichern können. Den talentiertesten Nachwuchsspielerinnen möchten wir den Weg in die Spitze des Fußballs ermöglichen, indem wir ihnen eine qualitativ hochwertige Fußball-Ausbildung bieten. Schon bei den Jüngsten arbeiten wir möglichst vielseitig, später kommen auch individuelles Training sowie theoretisches Wissen dazu.
Ist in diesem Zusammenhang Nachwuchsarbeit auch Imagearbeit für den Verein?
Högner: Eine große Frage, die uns beschäftigt, ist die Tatsache, wie die Anforderungsprofile in Zukunft im Frauenfußball aussehen werden. Dieser Sport nimmt grade eine rasante Entwicklung. Wir müssen uns diesen Veränderungen stellen – zum Beispiel, wenn man sieht, wieviel Geld inzwischen in England in den Frauenfußball investiert wird. Das heißt, mehr denn je die Ausbildung auf ein professionelles Fundament zu stellen und somit die Qualität in allen Bereichen zu verbessern.
Fricke: Auf jeden Fall ist unsere Arbeit wichtig für das Profil des Vereins. Wir haben eine Verantwortung, der wir gerecht werden müssen und da reicht es nicht, nur namhafte und gestandene Spielerinnen dazuzukaufen. Es geht darum, immer die talentiertesten Spielerinnen zu finden und sie beim VfL bestmöglich auszubilden.
Was ist der Unterschied zwischen Nachwuchsarbeit bei Mädchen und Jungen?
Högner: Die Trainingsinhalte sind komplett gleich. Wir bieten ein strukturiertes und altersgerechtes Training in den jeweiligen Jahrgängen an, damit die Spielerinnen bestmöglich auf die nächste Stufe vorbereitet werden. Ziel ist es, ähnlich wie bei den Jungs, dass möglichst viele Spielerinnen so ausgebildet werden, dass sie in den nächsten Jahrgang übernommen werden. Allerdings ist zu beachten, dass wir, aber auch die Spielerinnen selbst sowie deren Eltern, großen Wert auf eine duale Ausbildung legen, da nun mal nicht so viel Geld im Frauenfußball zu verdienen ist.
Fricke: Unsere Mädchen werden auch wieder am Frühtraining der Jungs in der Akademie teilnehmen. Das ist uns ganz wichtig und hilft vor allem unseren Toptalenten wie Gloria Adigo sich stetig weiterzuentwickeln. Unsere Trainer sind lizenziert und arbeiten intensiv mit den Mädchen. Sie wollen ihnen helfen, ihr Potenzial auf den Platz zu bringen und Erfahrung zu sammeln, die sie dann weiter an den nächsten Jahrgang heranführt. Woran wir arbeiten müssen, ist das Thema Trainingsplätze. Nur die U20 hat einen festen Platz für alle Trainingstage. Die U17 ist zwei Mal hier und sonst zwei Tage in Wendschott – ebenso die U11 und die U13. Während die U15 komplett ausgegliedert in Velstove und Brackstedt ihre Einheiten absolviert. Dazu kommt ein festangestellter U20-Trainer sowie dessen Co-Trainer. Bei der U17 haben wir Chef- und Assistenztrainer in Teilzeit. Alle Übungsleiter darunter sind geringfügig Beschäftigte – ein großer Unterschied zur Akademie, wo fast alle Trainer hauptberuflich angestellt sind. Ein ziemlich hoher Aufwand für die Talente.
Wie werden die Spielerinnen denn in ihrer Gesamtentwicklung begleitet und wie meistern sie die Doppelbelastung?
Fricke: Ganz wichtig ist uns, dass die Schule nicht vernachlässigt wird. Sie sollen nicht nur beim Fußball erfolgreich sein, sondern auch im Unterricht leistungsbereit, um später einem guten Job nachgehen zu können. Es ist eine Herausforderung, auf Leistungssportniveau zu trainieren und gleichzeitig für die Schule zu lernen. Deswegen wollen wir junge Spielerinnen nicht nur fußballerisch, sondern auch als starke Persönlichkeiten voranzubringen. Wir haben die Gesamtbelastung immer im Auge und helfen individuell.
Högner: Zusammenfassend kann man sagen, dass sich eine Kombination aus Leistungsfußball und Schule für jede eignet, die bereit ist, alles für ihren Traum zu geben. Wer solch ein Zusammenspiel für sich in Betracht zieht, sollte Leidenschaft, Disziplin und Ehrgeiz besitzen. Eigenverantwortung inklusive Achtsamkeit für den eigenen Körper sollten ebenfalls vorhanden sein, dann kann man die Doppelbelastung meistern. Der VfL hat ein funktionierendes Netzwerk aufgebaut, welches dazu beiträgt, dass trotz intensiver schulischer Beanspruchung die Nachwuchstalente langfristig erhalten bleiben.