Männer

Freund des Ungemütlichen

Grün-weiße Exoten – Teil 1: der Schotte Brian O’Neil.

Rund 300 Profis aus mehr als 50 Nationen haben in der Bundesliga bisher das Wölfe-Trikot getragen. Darunter sind auch einige Spieler, die losgelöst von ihrer sportlichen Rolle schon deshalb aus der Reihe fielen, weil sie die ersten und/oder einzigen VfL-Vertreter ihrer Nation geblieben sind. Diesen grün-weißen Exoten soll in unregelmäßigen Abständen an dieser Stelle nachgespürt werden. Heute im Fokus: der einzige Wolf aus Schottland.

„Beste Erfahrung meines Lebens“

Er hat sich sympathisch viel Zeit genommen für diesen Termin. Brian O’Neil sitzt zur Verabredung in einem englischen Café, bekommt zum Start des Telefonats sein erstes Heißgetränk serviert. Dass er es genießt, über seine VfL-Zeit zu berichten, spürt man sofort. Ebenso seine Erleichterung darüber, nicht Deutsch sprechen zu müssen. „Ich glaube, das habe ich seit 2007 nicht mehr getan“, sagt er lachend. „Roy Präger hatte mich damals zum Jubiläumsspiel nach Wolfsburg eingeladen. Ich habe viele alte Freunde getroffen und durfte in der Volkswagen Arena spielen – das war einfach fantastisch“, schwärmt O‘Neil und legt nach: „Überhaupt muss ich sagen, dass Wolfsburg die beste Erfahrung meines Lebens gewesen ist.“

Erfolgsfaktor Elsterweg

Der heute 52-Jährige kam ein Jahr nach dem Bundesliga-Aufstieg zum VfL. In einer Zeit also, als der Klub sich selbst überholte, weil die Erfolge schneller kamen, als die Infrastruktur mitwuchs. Der Mann aus den Lowlands, vom FC Aberdeen verpflichtet, war gleich mittendrin, zählte unter Chefcoach Wolfgang Wolf auf Anhieb zum Stamm. „Es lief richtig gut. Erst steckten wir ganz unten in der Tabelle, haben dann aber gewaltig Fahrt aufgenommen“, erinnert sich der Defensivspezialist an seine erste Saison, die mit dem verblüffenden Einzug in den UEFA-Cup endete. „Für mich kam das nicht mal überraschend, denn unser Teamgeist war überragend.“ Die Europa-Pioniere waren Helden in der Stadt, deren eigener Charme dem Schotten immer gefiel. „Man hatte mir gesagt, dass Wolfsburg nur eine Industriestadt sei. Aber ich fand das toll. Ich meine: Hey, ich komme aus Glasgow!“ Rustikal und hemdsärmelig, so mochte O’Neil es auch auf dem Grün. Außerdem schätzte er die Aura des VfL-Stadions. „Bei uns anzutreten, war ungemütlich. Besonders die großen Teams mochten es gar nicht, am Elsterweg zu spielen. Das hat uns sehr geholfen.“

Drei Kinder, drei Nationen

In vier Wettbewerben kam O‘Neil für die Wölfe zum Einsatz, bestritt 66 Partien und erzielte vier Tore. Privat fühlte er sich pudelwohl. Mit Claus Thomsen traf er sich regelmäßig zum Golfen. Der gemeinsame Deutsch-Unterricht führte ihn und seine Gattin zudem eng mit Beata und Krzysztof Nowak zusammen. „Wir hatten so viel Spaß damals. Sein späteres Schicksal hat uns unheimlich zugesetzt. Ich denke noch sehr oft an ihn.“ Nach seiner zweiten Saison wechselte O’Neil im Sommer 2000 zurück Richtung Heimat zu Derby County, außerhalb der Insel blieb der VfL seine einzige Auslandsstation. „Heute muss ich sagen, dass wir noch länger hätten bleiben sollen. Dann hätte meine Tochter noch etwas Deutsch gelernt.“ Nachdem er auch in Wolfsburg Vater geworden war, bekamen die O’Neils nach dem Wegzug noch ein drittes Kind. „Unsere Tochter wurde also in Schottland geboren, mein erster Sohn in Deutschland und der zweite in England. Das gibt es vermutlich kein zweites Mal“, sagt der Ex-Profi lachend. „Dass er Wolfsburger ist, macht unseren Jungen übrigens mächtig stolz!“ 

Den VfL in Schottland bekannt gemacht

Alan McInally, Paul Lambert, Murdo MacLeod, … Die Gesamtzahl der in der Bundesliga eingesetzten Schotten liegt bis heute bei gerade mal zehn. Sein Rang als einsamer Wolf ist O‘Neil deshalb durchaus bewusst, zumal er seinerzeit sogar ligaweit der einzige Vertreter seines Landes gewesen ist. „Das war damals ein Thema. Und auch heute verbindet man in meiner Heimat den VfL Wolfsburg mit meinem Namen“, berichtet O’Neil. „Es in die Bundesliga geschafft zu haben, ist deshalb nicht nur für mich eine Ehre, sondern für alle Schotten.“ Mit seiner Familie lebt O’Neil, der seine Laufbahn 2006 beim englischen Zweitligisten Preston North End beendete, heute in Lytham, einer 40.000-Einwohner-Küstenstadt im Nordwesten Englands. Als Geschäftsführer einer Sportmanagement-Firma berät er Sportler in Finanzfragen. Kontakte nach Wolfsburg hält er zwar keine mehr. Gerostet hat seine alte Liebe dadurch aber nicht: „Das Besondere an dieser Zeit ist einfach: Ich kann diese Jungs für zehn Jahre nicht sehen. Würden wir uns aber morgen treffen, so wie damals 2007, dann wäre alles sofort wie früher. Und das fühlt sich großartig an.“